Smartphone selbst reparieren Wenn Apple 35 Kilo Werkzeug schickt

Wer den Akku seines iPhones selbst tauschen will, kann das in den USA jetzt tun. Ein Journalist hat es ausprobiert und fand es »frustrierend«. Er vermutet: Apple dürfte das ganz recht sein.
iPhone-Reparatur (2016): Kompliziert, frustrierend, zeitaufwendig

iPhone-Reparatur (2016): Kompliziert, frustrierend, zeitaufwendig

Foto: Eduardo Munoz / REUTERS

Vor einem halben Jahr hatte Apple eine »Self-Service-Reparatur« angekündigt: Wer sein iPhone selbst reparieren will, soll sich die dafür notwendigen Ersatzteile samt Reparaturanleitung und passendem Werkzeug künftig in Apples Onlineshop bestellen können. In den USA ist das Programm mittlerweile angelaufen, und der Journalist Sean Hollister von »The Verge« hat es ausprobiert . Sein Artikel beginnt mit dem Satz: »Das soll wohl ein Witz von Apple sein.«

Erwartet hatte Hollister »ein kleines Kästchen mit Schraubendrehern, Spatel und Zangen« für sein iPhone Mini. Stattdessen lieferte Apple ihm zwei große Schutzkoffer mit Werkzeug im Gesamtgewicht von 35 Kilogramm sowie eine 80-seitige Anleitung nach Hause. Hollister hätte das wissen können, die offiziellen Maße und Gewichte hat Apples externer Dienstleister schließlich hier aufgelistet .

Zum Lösen des Displays etwa lag ein professioneller Erhitzer bei, »der aussieht wie eine Laborausrüstung« – allerdings laut Hollister nicht perfekt funktionierte und eine Fehlermeldung ausgab, die in der beiliegenden Anleitung so nicht erklärt wurde. Um die Glasscheibe zu entfernen, sind laut seinem ausführlichen und bebilderten Erfahrungsbericht zudem drei verschiedene Schraubendreher und Drehmomentschrauber nötig.

Eine Möglichkeit festzustellen, ob die neue Batterie korrekt eingesetzt sei, gebe es nicht, schreibt Hollister. Doch das Frustrierendste sei gewesen, dass sein iPhone die Ersatzbatterie nicht als Original-Apple-Ersatzteil erkannt habe. Demnach musste man erst eine externe Logistikfirma kontaktieren, damit sie das Teil validiert. Das aber kann sie offenbar nur tun, wenn man ihr den Fernzugriff auf das iPhone erlaubt. Für Hollister erübrigt sich damit einer der Hauptgründe für die Reparatur zu Hause: die Kontrolle über das eigene Gerät.

1200 Dollar Kaution

Finanziell lohnt sich der Aufwand auch nicht: Apple stellte Hollister 69 Dollar für die Batterie in Rechnung. Dasselbe würde er auch im Apple Store bezahlen, ohne selbst am iPhone arbeiten und das Risiko eingehen zu müssen, das Gerät zu beschädigen. 49 Dollar kamen für das geliehene Werkzeug hinzu. Wird es nach sieben Tagen nicht zurückgeschickt, behält Apple 1200 Dollar Kaution dafür ein. »Lächerlich« nennt Hollister dieses finanzielle Risiko für Nutzerinnen und Nutzer, die einfach nur ihre iPhone-Batterie tauschen wollen. Immerhin: Die Versandkosten übernimmt Apple. Bei zwei schweren Koffern kommt da innerhalb der USA schnell eine dreistellige Summe zusammen. Und laut »Mac & i« kann man die Bestandteile des Werkzeugsets auch kaufen. So kostet etwa die Akkupresse zum Verkleben des Akkus im Gehäuse 115 Dollar, die Bildschirmpresse 216 Dollar und der Erhitzer 256,35 Dollar.

Hollisters Fazit: »Ich kann den Reparaturprozess überhaupt nicht empfehlen – und ich habe den Verdacht, dass Apple das durchaus recht ist.« Schließlich habe Apple jahrelang heftig gegen ein Recht auf Reparatur lobbyiert und seine Verträge mit unabhängigen Werkstätten abschreckend restriktiv  gestaltet.

Auch »MacRumors« legt Laien nahe , lieber eine Werkstatt aufzusuchen, als die »komplizierte«, »frustrierende« und »zeitaufwendige« Reparatur selbst zu versuchen. Ein Video  zeigt die Mühen, die »MacRumors«-Experte Dan Barbera hatte.

Wann Apples Werkzeugkoffer auch in Deutschland erhältlich sein werden, ist noch nicht bekannt. In der EU gelten seit März 2021 zwar verbindliche Regeln, die Herstellern vorschreiben, dass sie Ersatzteile vorhalten, Reparaturinformationen mitliefern und ihre Produkte generell so gestalten müssen, dass sie »mit herkömmlichen Werkzeugen zerstörungsfrei auseinandergebaut werden können«. Allerdings gilt das nicht für Smartphones.

pbe

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