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Maker-Messe in München Kleidung aus Pilzen, Roboter aus Papier

Die Maker-Bewegung in Deutschland wächst - Basteln, Löten und Programmieren wird zum Breitensport. Viele Macher wollen mit ihren Ideen sogar eine Firma gründen. Doch wie wird aus einem Prototypen Massenware?

Auf der braunen, trüben Flüssigkeit hat sich ein schleimiger Pfropfen abgesetzt. Der Pfropfen ist eine Kumbucha-Kultur - die meisten kennen sie als Grundlage von Wellness-Drinks. Für Carolin Wendel und ihre zwei Partner von ScobyTec dagegen ist die schleimige Masse die Basis für das Material der Zukunft. "Wir möchten es irgendwann auf dem Mars sehen", sagt Wendel und führt eine braune Weste vor.

Das Kleidungsstück ist aus dem glibberigen Pilz entstanden. Zum Wachsen braucht der kaum mehr als Zucker, Wasser und Tee, nach einigen Wochen kann er geerntet werden. Die Firma ScobyTec verarbeitet die Zellulosefaser zu einem wasserfesten Material. Am Rücken leuchtet die Weste: Sensoren im Stoff sollen die Stimmung des Trägers erfassen, bunte Lämpchen seine Laune abbilden.

Was als Uni-Abschlussarbeit gedacht war, wollen Wendel und ihre Partner zu einem Geschäft machen. Als Alternative für technische Fliese etwa, die statt aus Plastik eben aus dem recyclebaren Material bestehen könnten. Für die Umsetzung suchen die drei nun nach einem Unternehmen, das investiert. "Es würde mich wundern, wenn die Industrie nicht von sich aus angerannt kommt", sagt die junge Frau. Die Gründer wollen sich dann in einer Art "Ideenlabor" der Weiterentwicklung ihrer Forschung widmen. "Wir sehen uns nicht im Akkord Westen anfertigen", sagt Wendel. Den Prototypen haben sie geschaffen, nun soll es damit höher hinaus gehen. Dafür braucht es Kapital.

Noch aber stehen sie wie Dutzende andere Bastler und Erfinder in einer stickigen Halle in München, bei der Messe Make Munich. In der Bewegung der Macher kommen Bastler, Programmierer, Gesellschaftskritiker und Designer zusammen. Sie nutzen neue, inzwischen erschwingliche Technologien wie 3D-Drucker und CAD-Software, um innovative Produkte selbst zu entwickeln. Nicht alle wollen mit einer Idee gleich zu Gründern werden; manche haben einfach Spaß am Bauen, Löten, Schrauben.

Messebesucher bei Bastelarbeiten

Messebesucher bei Bastelarbeiten

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In den USA ziehen die Maker Fairs bereits Hunderttausende Besucher an. Im Juni fand eine davon im Weißen Haus statt, Präsident Barack Obama rief in seiner Rede alle US-Amerikaner dazu auf, sich der Bewegung anzuschließen. Doch nicht nur Politiker sind mittlerweile auf die Szene aufmerksam geworden, sondern auch große Unternehmen.

Der Elektrofachhändler Conrad Electronic beispielsweise ist auf der Maker-Messe in München vertreten, ebenso wie BMW oder Intel. Alexander Pöschl ist Leiter der Conrad-Unternehmensentwicklung und hat gerade einen Vortrag darüber gehalten, wie Maker es zu einem Hardware-Start-up bringen können. Ein großer Vorteil der Bastler: Sie können sich ihren Prototypen und eine kleine Serie selbst bauen. Aber wie geht es weiter, wie wird daraus ein marktreifes Massenprodukt?

Wenn es nach Pöschl geht, sollten sich Maker an sein Unternehmen als Kooperationspartner wenden. Das übernimmt dann Aufgaben, die häufig unterschätzt würden, wie etwa das Marketing. "Bei Hardware-Start-ups gibt es einfach besondere Herausforderungen", sagt Pöschl. Anders als bei Software-Start-ups muss Material herangeschafft und meist im Vorfeld bezahlt werden, auch Logistik und Vertrieb könne ein kleines Team auf Dauer kaum allein stemmen. Das Interesse der Gründer sei groß; die Zahl der Anfragen für eine solche Kooperation habe sich in den vergangenen zwei Jahren mindestens verdoppelt.

Realisierung per Crowdfunding

Dominik Solenicki und seine beiden Gründungspartner, allesamt Elektroingenieure, wollen es anders machen. Sie haben das Start-up Sintratec ins Leben gerufen und einen 3D-Drucker entwickelt, der auf Laser-Sinter-Technik basiert. Ein Laser schmilzt dabei feinste Plastikpartikel ineinander, sodass daraus besonders robuste, gleichzeitig aber auch ineinander bewegliche Teile entstehen, wie etwa ein komplettes Klappmesser. Die Teile können aber auch in der Medizin eingesetzt werden. Wie das Ergebnis aussieht, können Sie im Video sehen:

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Bislang werden diese speziellen 3D-Drucker vor allem für die Industrie hergestellt, bis zu 100.000 Euro können sie dann kosten. Das Gerät von Sintratec soll bald für etwa 3200 Euro zu haben sein - per Crowdfunding soll das möglich werden. "Wir haben drei Jahre lang gratis daran entwickelt", sagt Solenicki. Begonnen hatten die drei das Projekt in ihrer Freizeit, erst als es tatsächlich funktionierte, kam die Idee der Gründung. Das Gerät kann zwar nicht alles, was auch die Industriedrucker können, doch das Material ist das gleiche.

Mindestens 50 Bestellungen müssen sie nun bei der Crowdfunding-Kampagne zusammenbekommen - etwa 1200 Interessenten haben sich nach eigenen Angaben schon gemeldet. Die Gründer haben sich gegen eine Unternehmenskooperation entschieden, weil sie gerne eine Eins-zu-eins-Betreuung gewährleisten wollten, außerdem soll ihnen das direkte Feedback helfen, das Produkt noch weiter zu entwickeln, sagt Solenicki. Und: Niemand sollte ihnen reinreden können.

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Längst finden Innovationen nicht mehr allein in den Forschungsabteilungen großer Unternehmen statt. Aber werden die Bastler und Erfinder dadurch auch zur direkten Konkurrenz? "Wir stopfen eher Lücken, die von den großen Produzenten nicht abgedeckt werden", sagt Daniel Kocyba. Der Hamburger ist eigentlich Designer, bis vor zwei Jahren wusste er noch nichts von einer Maker-Szene. "Wir mochten halt Roboter", sagt er zu seiner Motivation. "Wir haben gedacht: Die anderen können das auch, dann müssen wir das auch irgendwie hinbekommen." Er ist Mitbegründer von Zoobotics. Die Firma stellt microcontrollergesteuerte Roboter mit Papiergehäuse her.

Die Idee ist, Bausätze mit Elektronik und Papierbastelbogen an Schulen zu liefern. Jugendliche sollen so selbst etwas bauen und am Ende auch programmieren. Die Elektronik ist immer noch nicht ganz billig, aber die Roboter lassen sich anschließend wieder zerlegen. Schulen können dann einfach ein neues Papierset kaufen. So bleiben die Kosten über lange Sicht minimal. Auch Kocyba plant eine Crowdfunding-Kampagne für die Realisierung. "Am Schönsten wäre es, das ganz in der eigenen Hand zu behalten", sagt er.

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