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Matthias Kremp

Mobile World Congress Die Nicht-Messe in Barcelona

Matthias Kremp
Ein Netzwelt-Newsletter von Matthias Kremp

Liebe Leserin, lieber Leser,

heute hätte ein Tag voller Hightech-News werden sollen. Doch die Absage des Mobile World Congress hat so manchem Hersteller die Show vermasselt. Nur einer tut, als wäre nichts geschehen.

Für uns ist heute ein Grund zu feiern. Vor drei Jahren haben wir zum ersten Mal unseren Newsletter, das "Startmenü", veröffentlicht. Den Termin hatten wir bewusst auf Ende Februar gelegt, denn zu diesem Zeitpunkt findet in Barcelona traditionell der Mobile World Congress statt. Das versprach, interessante News zu bringen. Und ja, wir konnten damals melden, dass Samsung sein Galaxy S8 erst einen Monat später präsentieren würde und der heimliche Star der Veranstaltung das Retro-Handy Nokia 3310 sei.

In diesem Jahr wird es solche Meldungen nicht geben, denn der Mobile World Congress fällt aus. Nach 34 Jahren ist das wichtigste Treffen der Mobilfunkbranche zum ersten Mal abgesagt worden. Und das nicht wegen eines Mangels an Neuheiten. Zu berichten hätte es sicher genug gegeben. Unternehmen wie Sony, Ericsson, HMD und Google hatten zu Pressekonferenzen eingeladen, 5G wäre mal wieder das bestimmende Thema der Veranstaltung gewesen, Experten hätten in Dutzenden Vorträgen und Podiumsdiskussionen mehr oder weniger neue Erkenntnisse geteilt.

Foto: Nacho Doce/ REUTERS

Doch daraus wird nichts. Nachdem immer mehr Unternehmen ihre Teilnahme aus Angst vor dem Coronavirus Sars-CoV-2 zurückgezogen hatten, griffen die Betreiber zur Notbremse und sagten die Veranstaltung ganz ab. Schätzungen zufolge entgehen den Unternehmen der Stadt Barcelona dadurch rund 500 Millionen Euro, mehrere Tausend Teilzeitkräfte bleiben unbeschäftigt. Den Handyherstellern, den Mobilfunkanbietern und den Softwarefirmen aber fehlt die größte Präsentationsfläche des Jahres.

Ein Arbeiter mit Mundschutz winkt dem Kameramann zu, während er beim Abbau des MWC 2020 hilft

Ein Arbeiter mit Mundschutz winkt dem Kameramann zu, während er beim Abbau des MWC 2020 hilft

Foto: David Zorrakino/ dpa

Die meisten von ihnen suchen deshalb nach Ersatz. Ein paar verschicken ihre Nachrichten einfach per E-Mail, ein paar veranstalten Webcasts, ein paar laden zu Telefoninterviews ein. Eine Abteilung des taiwanischen Wirtschaftsministeriums verschickte versehentlich sogar noch Einladungen zu einer Führung durch den Messepavillon des Landes.

Und ein paar Unternehmen veranstalten in Barcelona ihren eigenen kleinen MWC, laden zu Einzelgesprächen in Hotelzimmer und Cafés. Nur Huawei steht unverdrossen zu seiner Einladung in den Pavelló Italià, den italienischen Pavillon nahe der Plaça d'Espanya, den das Unternehmen gern für seine Produktankündigungen mietet. Nach Angaben des Betreibers bietet er Platz für 2400 Personen, und normalerweise ist er brechend voll, wenn Huawei einlädt. Wie viele Unverdrossene sich diesmal dort einfinden werden, um Richard Yu, dem Chef von Huaweis Handysparte beim Enthüllen neuer Gadgets zuzusehen, werde ich mir anschauen. Am Montagnachmittag, in Barcelona.

Seltsame Digitalwelt: Wein statt WLAN

Eine Anekdote von Judith Horchert

Kürzlich übernachtete ich in einem verschlafenen Touristen-Örtchen irgendwo in Deutschland in einem Hotel. Abends gab es dort nur wenig zu erleben - und selbst wer in virtuelle Welten fliehen wollte, hatte es schwer: "Bitte vergleichen Sie die Bandbreite nicht mit der Bandbreite, die Sie zu Hause direkt neben Ihrem Router vorfinden", hieß es in der Infomappe auf meinem Hotelzimmer entschuldigend zum Thema WLAN. Sollte der Internetzugang gar nicht funktionieren, möge man die Rezeption informieren, Ruhe bewahren und ein Glas Wein aus der Region trinken.

Was für manche nach entspannten Urlaubstagen klingen mag, zeigt deutlich, dass ein akzeptabler Internetzugang hierzulande teils immer noch als Zusatzleistung oder entbehrlicher Luxus angesehen wird. Dabei wird es Zeit, dass der Internetzugang - auch in entlegenen Regionen - als ebenso grundlegend angesehen wird wie Strom und fließendes Wasser. Es ist kaum vorstellbar, dass im Hotelbadezimmer der Hinweis stünde, man könne nicht dieselbe Wasserqualität wie zu Hause erwarten. Und wenn gar kein Wasser aus dem Hahn komme, solle man erst einmal ein Glas Wein trinken.

App der Woche: "Socratic by Google"

Mit der App Socratic bekommt man Nachhilfeunterricht von Googles künstlicher Intelligenz. Bei vielen mathematischen Aufgaben oder Fragen aus dem Geschichtsunterricht kann die App helfen. Deshalb ist Socratic insbesondere für Schüler und Studenten gedacht. Entweder können sie die Aufgabe abfotografieren oder einsprechen. Wenig später spuckt die App in den meisten Fällen auch schon das Ergebnis beziehungsweise die richtige Antwort aus. Zudem gibt es dazu passende Videos sowie Erklärungen, die Hintergründe liefern.

Gratis, von Google, ohne In-App-Käufe: iOS , Android 

Fremdlinks: Drei Tipps aus anderen Medien

  • "The Computer Scientist Responsible for Cut, Copy, and Paste, Has Passed Away " (Englisch, drei Leseminuten)
    Larry Tessler war kein IT-Popstar, aber ohne ihn wären Computer heute nicht so einfach zu bedienen, wie sie es sind. Zusammen mit Tim Mott entwickelte er das Konzept von "Ausschneiden", "Kopieren" und "Einsetzen", das die meisten heute als STRG-X, STRG-C und STRG-V benutzen (am Mac mit der Command-Taste statt STRG). Tessler war es auch, der Steve Jobs seinerzeit am Xerox Parc den Prototyp einer mausgesteuerten Benutzeroberfläche zeigte. Ein Besuch, an den er sich in diesem Video  erinnert. Tessler starb vergangene Woche im Alter von 74 Jahren.

  • "Jeff Bezos and Elon Musk Star Trek Deepfake " (Englisch, eine Minute Video)
    Nicht nur für Star-Trek-Fans: Für dieses Deepfake-Video wurden die Gesichter von Elon Musk und Jeff Bezos in eine Szene aus der Pilotfolge der ersten Serie der Science-Fiction-Saga montiert. Kein tiefschürfender Dialog, aber ein beeindruckendes Beispiel für das Potenzial der Technik.

  • "Photoshop version 1 " (Englisch, sechs Minuten Video)
    Den Begriff "photoshoppen" oder "gephotoshoppt" kennt heute jeder. Er steht für Bildmanipulationen aller Art. Die Software Photoshop, von der sich dieses Kunstwort ableitet, hatte vergangene Woche ihren dreißigsten Geburtstag. Dieses Video zeigt die erste Version der Software und könnte so manchen altgedienten Bildbearbeiter wehmütig machen.

Kommen Sie gut durch die Woche,

Matthias Kremp

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