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Matthias Kremp

Smartphone-Messe in China Ein Testballon mit 20.000 Mitfahrern

Matthias Kremp
Ein Netzwelt-Newsletter von Matthias Kremp

Liebe Leserin, lieber Leser,

Vor einem Jahr erklärte ich an dieser Stelle, dass wir die erste Ausgabe des Netzwelt-Newsletters seinerzeit bewusst Ende Februar veröffentlicht hatten. Der Termin ging einher mit dem Beginn des Mobile World Congress (MWC) in Barcelona, der größten und wichtigsten Smartphone-Messe des Jahres. Doch genau die – und das war der Anlass für meinen Text vom Februar 2020 – fiel im vergangenen Jahr zum ersten Mal aus, wegen Covid-19.

Ich flog trotzdem nach Barcelona. Schließlich hatten einige Firmen angekündigt, ihre Neuheiten trotzdem dort zu präsentieren, Flüge und Hotel waren gebucht und das Coronavirus gefühlt noch verdammt weit weg. Das Ergebnis waren skurrile Veranstaltungen wie Huaweis einsame Präsentation des sündhaft teuren Falthandys Mate Xs und einer Gelegenheit, den Prototyp eines Carbon-Smartphones in die Hand zu nehmen, das man bis heute nicht kaufen kann.

Ein Besucher spielt auf dem MWC 2019 virtuelles Baseball

Ein Besucher spielt auf dem MWC 2019 virtuelles Baseball

Foto: GABRIEL BOUYS/ AFP

Nach einem Jahr mit Corona mutet es da merkwürdig an, dass morgen ein richtiger Mobile World Congress beginnen wird – in Shanghai, nicht in Barcelona.

Der Branchenverband GSMA, von dem die Messe organisiert wird, hatte das tatsächlich schon im vergangenen September angekündigt . Die beiden Veranstaltungen in China und Spanien sollten einfach ihre Plätze tauschen, Barcelona auf den Juni verschoben werden.

In einem Interview mit der Messezeitung »Mobile World Live « sagte GSMA-Chef John Hoffman, man habe diese Änderung vorgenommen, weil China »offener« sei als andere Länder. Das intensive Testen, die Nachverfolgung von Kontakten und die Einreisebestimmungen hätten das Land zu einer »Blase« gemacht, die »vor Covid-19-Ausbrüchen geschützt ist«.

Und so beginnt der MWC Shanghai morgen – mit der Möglichkeit, an manchen Veranstaltungen online teilzunehmen, aber auch mit bis zu 20.000 Besuchern vor Ort. Das zumindest ist die Zahl der maximal zugelassenen Besucher. Wie viele Fachbesucher das Angebot wirklich annehmen werden, in Shanghai durch die Messehalle zu schlendern, ist unklar.

Die Messegesellschaft gibt sich alle Mühe, ihre Hygienemaßnahmen zu loben, Zutritt bekommt nur, wer einen maximal 72 Stunden alten negativen Corona-Test vorweisen kann. Das Layout des Konferenzbereichs, das die Messegesellschaft auf ihrer Website zeigt, wirkt allerdings, als hätte es Abstandsregeln nie gegeben.

Der Konferenzbereich des MWC 2021 in Shanghai

Der Konferenzbereich des MWC 2021 in Shanghai

Foto: GSM Association

»Wir hätten es virtuell machen können«, sagte Hoffman der »Mobile World Live«. Doch aus dem vergleichsweise kleinen »In Person«-Event könne man viel lernen. »Alle Augen sind auf uns gerichtet.« Barcelona sei dann »die große Bühne«. Ende Juni sollen dort an vier Tagen 40.000 bis 50.000 zu Kongress und Messe zusammenkommen. 2019 hatte die Messe noch 109.000 Teilnehmer gemeldet .

In Barcelona sollen obligatorische Corona-Tests, Maskenpflicht und Abstandregeln verhindern, dass die Messe zum Superspreader-Event wird. Dabei setzt Hoffman darauf, dass die Teilnehmer sich vor der Anreise und nicht erst am Eingang zur Messe testen lassen. Er hofft, dass so nicht nur die Fira Gran Via – so heißt das Messegelände –, sondern ganz Barcelona zu einer coronafreien Blase wird. Ein frommer Wunsch, der ausspart, dass Barcelona im Sommer ein Tourismus-Hotspot ist, sofern es Tourismus gibt.

Seltsame Digitalwelt: Die Nachricht, die sich selbst überholte

Letztens habe ich meiner Bank die letzte Rate eines Kredits abgezahlt. Eigentlich ein erfreulicher Vorgang, der mich allerdings in tiefe Verwirrung stürzte. Denn: Den fehlenden Restbetrag hatte die Bank automatisch eingezogen, mir daraufhin eine Mail mit dem Hinweis geschickt, in dem mit dem online geführten Konto verbundenen Postfach sei eine »wichtige Nachricht« für mich eingegangen.

Nicht wissend, worum es ging, versuchte ich eben diese Nachricht abzurufen. Doch, ohje, meine Zugangscodes funktionierten nicht mehr. Weder Kontostand noch Postfach waren für mich erreichbar. Der Versuch, das Problem über die weitgehend automatisierte Hotline zu klären, scheiterte, weil deren Sprachcomputer dieselben Daten von mir abfragte wie die Website.

Erst als ich eine andere, gut versteckte Telefonnummer der Bank anrief und mit einer echten Beraterin sprechen konnte, klärte sich das Rätsel: Die Bank hatte mir an meine Kontonummer eine Nachricht geschickt, in der sie ankündigte, das Konto aufzulösen, nachdem der Kredit nun abgetragen sei. Direkt nachdem diese Mail im Postfach des Kontos eingegangen war, wurde es gelöscht.

Fremdlinks: drei Tipps aus anderen Medien

  • »Wir Gehörlosen nehmen den Hörenden doch nichts weg « (Sechs Leseminuten)
    Bloggerin Julia Probst engagiert sich für Barrierefreiheit und Inklusion von Gehörlosen und Menschen mit Hörbehinderungen. In diesem Interview der »Zeit« erzählt sie, wieso viele Unternehmen diese Themen bei ihren Produkten nicht mitdenken, was man tun könnte, um das zu ändern und welche Positivbeispiele es jetzt schon gibt.

  • »Today I learned how the Daft Punk robot helmets were created « (Englisch, drei Leseminuten)
    Mit ihrem Projekt »Daft Punk« sind die französischen Musiker Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem Christo Weltstars geworden. Wie sie aussehen, weiß trotzdem kaum jemand. Viel interessanter sind ja auch die charakteristischen Robotermasken, die für die beiden nicht nur ein Markenzeichen sind, sondern es ihnen trotz ihres Status als Popstars erlauben, unerkannt einkaufen zu gehen.

  • »You want me to do WHAT in that prepaid envelope? « (Englisch, Fünf Minuten Lesezeit)
    Ich lese den britischen »The Register « wegen seiner wundervollen Titelzeilen gern – und wegen seiner teils skurrilen Themen. So wie in dieser Kolumne, deren Autor erklärt, er habe von einer Behörde die schriftliche Aufforderung bekommen, per mitgeliefertem Rücksendeumschlag eine Stuhlprobe einzusenden. So merkwürdig sich das anhören mag, es hat einen ernsten Hintergrund.

Genießen Sie die Sonne – und bleiben Sie gesund!

Matthias Kremp

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