
Tech-Historie in Berlin: Highlights der Nokia-Geschichte
Tech-Konzern aus Finnland Was wurde aus Nokia?
Der Hoffnungsträger der einstigen Handy-Supermacht hat einen pixeligen Minibildschirm. Tasteneingabe statt Touchscreen, kein WLAN-Modul, keine Apps. Total retro, das neue Nokia 3310.
Aber gerade deswegen soll es ein Kultobjekt werden, hofft Nokia. So wie vor gut 17 Jahren der "Knochen", das Original-3310, das sich mehr als 120 Millionen Mal verkaufte. Simpel, unerwüstlich, preiswert. Mit dem weltbekannten Spiel "Snake", ehemals liebster Zeitvertreib gelangweilter U-Bahn-Passagiere. Und, natürlich, mit dem Nokia-Klingelton. Den hat nun ein Männerchor vor großem Publikum gesungen, als das Neo-3310 auf einer Messe in Barcelona der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Arto Nummela stellt das neue Nokia 3310 in Barcelona vor
Foto: Emilio Morenatti/ APDieser Tage wird sich zeigen, ob sich die Handymarke Nokia wiederbeleben lässt. Das mit ein bisschen moderner Elektronik und bunter Plastikhülle aufgepeppte Nostalgie-Handy kommt in Deutschland am 26. Mai auf den Markt, für um die 50 Euro. 22 Stunden am Stück könne man mit der Batterie durchgehend telefonieren, und im Standby-Betrieb müsse das Gerät einen ganzen Monat nicht an die Steckdose, wirbt der Hersteller.
Dieser ist nicht Nokia selbst, sondern das finnische Unternehmen HMD Global - das aber von Nokia-Veteranen geleitet wird und seinen Sitz neben dem Nokia-Hauptquartier hat. Nokia ist für das Design mitverantwortlich, Nokia verdient an den Lizenzen, Nokia wirbt für die Handys. Und Nokia checke auch die Qualität aller Geräte, ob sie den Nokia-Anspruch erfüllten, sagt Rajeev Suri, der heutige Konzernchef.
Aber reicht das noch in einer Zeit, in der Einsteiger-Smartphones von Huawei oder Samsung kaum mehr kosten als das neue 3310?
Finnland war stolz
Eigentlich hatte Nokia das Geschäft mit Mobiltelefonen beerdigt, nach einem beispiellosen Niedergang. Rund um die Jahrtausendwende war der finnische Techkonzern noch der Handy-Hersteller schlechthin. Keiner produzierte damals so handliche, innovative und zugleich bezahlbare Mobiltelefone. Für Millionen Menschen war ein Nokia ihr erstes Mobiltelefon überhaupt.
Und Finnland war stolz auf seinen Vorzeigekonzern. Denn Nokia entfachte einen landesweiten Wirtschaftsboom - und schuf in den fetten Jahren Tausende Arbeitsplätze in "Nokiatown", der Stadt Salo. 2007 verkaufte Nokia mehr als 435 Millionen "Knochen" und hatte 38 Prozent Weltmarktanteil. Dann kamen Apple und Samsung mit ihren Smartphones.

Tech-Historie in Berlin: Highlights der Nokia-Geschichte
Nokia konnte iPhone, Galaxy und Co. nichts entgegensetzen: Die Finnen hatten den Technologiesprung unterschätzt. Der Absatz schwächelte, dann brach er ein. Eine "brennende Ölplattform" nannte der damalige Konzernchef Stephen Elop das Unternehmen in einem Brief an seine Belegschaft. Und 2013 verkaufte er schließlich die Handysparte an Microsoft, für immerhin 7,2 Milliarden Dollar. Eine bekannte Marke war Nokia schließlich immer noch.
Das iPhone ist schuld
In "Nokiatown" machten viele Fabriken dicht, und Finnlands Wirtschaft bekam die Krise. "Wir können im Grunde zwei Dingen die Schuld geben", sagte der damalige Handelsminister Alexander Stubb: "Nummer eins ist das iPhone, Nummer zwei ist das iPad." Das iPhone hatte Nokias Mobilfunksparte zerstört, das iPad machte Finnlands Papierindustrie zu schaffen.

Technik-Geschichte: Das Smartphone wird 20
Aber Nokia hat sich schon oft neu erfunden. Als die Firma 1865 startete, betrieb sie eine Papiermühle am kleinen Fluss Nokianvirta - die Inspiration für den Unternehmensnamen. Später stellte Nokia Gummistiefel, Reifen oder Gasmasken her. Dann konzentrierte es sich auf Elektronik: Fernseher, Computer, schließlich Handys.
Heute macht Nokia sein Hauptgeschäft als Netzwerkausrüster. Das Unternehmen verkauft den Telekommunikationsunternehmen die Technik für deren Netze, von Sendeanlagen bis zu Software, treibt die Entwicklung des neuen ultraschnellen Mobilfunkstandards 5G voran. Und seit es Anfang 2016 den französischen Wettbewerber Alcatel-Lucent übernahm, ist Nokia im Festnetzgeschäft ganz groß.

Nokia-Zentrale in Espoo, Finland
Foto: Vesa Moilanen/ APDoch in der Ausrüsterbranche ist weiteres Wachstum schwierig. Viele Mobilfunkanbieter haben das Gros ihrer benötigten Infrastruktur schon aufgebaut. Zugleich tummelt sich immer mehr Konkurrenz auf dem stagnierenden Markt: Huawei und andere chinesische Rivalen greifen mit Niedrigpreisen an.
Nokias Management hat daher Kostensenkungsprogramme gestartet. Obwohl der Konzern Milliarden auf der hohen Kante hat - Geld aus den guten alten Zeiten -, sollen zwischen 10.000 und 15.000 Mitarbeiter gehen, davon rund 1400 in Deutschland. Dynamisch ist das nicht.
Smartwatches, Waagen, eine Kamera
Und so versucht Nokia, neue Wachstumsfelder aufzubauen. Vergangenen Frühling haben die Finnen das französische Start-up Withings geschluckt. Nunmehr verkaufen sie digital vernetze Gesundheitsprodukte wie Smartwatches mit Aktivitätstracker, Pulsmesser und Schlafprotokollfunktion, Infrarotthermometer oder Waagen mit Körperfettmessung. Und 2015 haben sie "Ozo" auf den Markt gebracht: eine Virtual-Reality-Kamera für professionelle Filmemacher. Mit einem Preis von 40.000 Dollar wird sie kaum zum Massenprodukt werden.

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Vielleicht ist das der Grund, warum Nokia jetzt den Weg zurück in die Zukunft geht - und seinen guten Namen noch mal für Mobiltelefone hergibt. Ob mit dem Retro-3310 das Comeback glückt, steht aber in den Sternen. Schließlich erzielte auch Microsoft mit Nokias Handysparte keine großen Erfolge: Die Amerikaner haben die Produktion mittlerweile komplett eingestellt und die Lizenzen abgegeben.
Jetzt probiert es HMD: mit dem 3310 sowie drei Jedermann-Smartphones. Die sollen zwischen 139 und 229 Euro kosten - nicht viel mehr als ähnliche Modelle chinesische Günstigmarken wie Vivo. Wichtigster Markt könnte dabei Indien werden. Dort hat die Marke Nokia auch bei Handys noch einen erstklassigen Ruf.
"Nokiatown" hat nicht viel von dem Comeback: Die HMD-Geräte werden nicht in Salo produziert, sondern in Fernost, beim iPhone-Zusammenbauer Foxconn.
Finnland versucht, sich aus der Krise rauszusparen: Die Regierung in Helsinki hat drei Feiertage gestrichen, und die Tarifparteien haben eine landesweite Nullrunde vereinbart. Ob das für einen neuen Aufschwung reicht, ist ebenso ungewiss wie das Schicksal des Nokia 3310.