Preis für "Hugo Cabret" Frankfurter Effekte-Tüftler feiern ihren Oscar

Ben Grossmann, Rob Legato, Alex Henning (v.l.): Oscar für "Hugo Cabret"-Effekte
Foto: Mark J. Terrill/ APHamburg - Christian Vogt wirkt nicht einmal besonders müde. Dabei war er die ganze Nacht wach, gemeinsam mit seinen Frankfurter Kollegen am dortigen Pixomondo-Standort. Dort kann man, schließlich ist das Unternehmen im Filmgeschäft, so richtig spektakulär fernsehen: "Wir haben uns das hier im Kino angesehen, und da war um kurz nach vier der Jubel natürlich groß." Seit kurz nach vier am Montagmorgen nämlich gehört Pixomondo zum erlauchten Kreis der Oscarpreisträger. Für die insgesamt 62 Minuten, die das in Frankfurt gegründete Unternehmen für "Hugo Cabret" mitgestaltet hat.
Auf der Bühne in Los Angeles stand Special-Effects-Legende Rob Legato, der schon für "Titanic" einen Oscar bekam, neben ihm standen Ben Grossmann und Alex Henning von Pixomondo. Christian Vogt ist der Geschäftsführer des heute international agierenden Unternehmens mit Standorten unter anderem in Stuttgart, Berlin, Hamburg, Shanghai, Toronto und Los Angeles.
Pixomondo-Gründer Thilo Kuther saß im Auditorium, als Grossmann und Henning den Academy Award für die besten Spezialeffekte entgegennahmen, rund um den Globus nahm das vernetzt und dezentral arbeitende globale Pixomondo-Team Anteil. "Der Oscar selbst ist ja personenbezogen", sagt Vogt, aber gerade bei den Spezialeffekten sei klar, "dass das eine Teamleistung ist, und die ist in dieser Kategorie natürlich Pixomondo zuzuschreiben". 98 Prozent aller Spezialeffekte im Film stammen von Pixomondo.

Hugo Cabret: Wie das digitale Paris entstand
In Frankfurt klingelt nun ständig das Telefon, diverse TV- und Radiosender sind schon vorstellig geworden, natürlich auch die Nachrichtenagenturen. Reuters kommt später noch zum Drehen vorbei. "Es ist wirklich absurd, was sich hier gerade abspielt", sagt Vogt.
Pixomondo hat auch schon an Roland Emmerichs "2012" mitgearbeitet, an Zack Snyders Computergrafik-Orgie "Sucker Punch" und an Serien wie "Game of Thrones" und Steven Spielbergs "Terra Nova". Selbst George Lucas, der mit Industrial Light and Magic das erste Effekt-Haus der Filmgeschichte schuf, engagierte Pixomondo für seinen Fliegerfilm "Red Tails". Längst gehört das einst deutsche, heute ostentativ internationale Unternehmen zur Weltspitze der Hollywood-Effektzauberer.
Vogt legt jedoch großen Wert darauf, dass auch der Oscar nichts an der Ausrichtung des Unternehmens ändern wird: "Unsere Projekte fangen bei einem Shot an, wir werden ab jetzt nicht nur Großprojekte machen." Pixomondo ist ein Unternehmen, das beispielsweise in Deutschland mit Arbeiten für Industriekunden und Werbung etwa 60 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet. "Ohne das Werbe- und Industriegeschäft wäre das Unternehmen nie so groß geworden", sagt Vogt. Dank gelte deshalb allen "Freuden, Kunden, Partnern und Wegbegleitern".
Grün ist die Farbe der Trickkünstler
483 auf neun Städte rund um den Globus verteilte Effektbastler arbeiteten über 430 Tage lang an "Hugo Cabret" mit, insgesamt enthalten 62 Filmminuten visuelle Effekte von Pixomondo. Der Bahnhof, der Dampf und die Züge aus der langen Eingangsszene mit einem Anflug über das verschneite Paris etwa stammen aus dem Rechner. Erst nachdem die Kamera in der Bahnhofshalle eine Dampfwolke durchstoßen hat, beginnt die Fahrt einer echten Stereokamera auf einem Wagen mit Kranarm.
Auch im Virtuellen sind schon ein paar echte Menschen unterwegs: Sie wurden vor giftgrünen Wänden auf Laufbändern gefilmt und später in die digitale Szene eingefügt. Grün ist die Farbe der Leerstellen, in die später die digitalen Ergänzungen eingefügt werden - es ist den Farbtönen der menschlichen Haut besonders unähnlich und deshalb gut geeignet. Pixomondo-Mitarbeiter haben für den Film in historischen Archiven gewühlt, Tausende Fotos von bestimmten Vierteln in Paris gemacht, sich alte Filmaufnahmen, Postkarten, Zeitungen angesehen, um ein möglichst authentisches Dreißiger-Jahre-Paris errechnen zu können. Auch der "Automaton", der mechanische Freund, den Hugo Cabret im Film zum Leben zu erwecken versucht, stammt meist aus den Pixomondo-Rechnern.
Insgesamt wurden für den Film mehr als drei Petabyte Daten (1 Petaybyte = 10 hoch 15 Byte) im Firmennetzwerk hin- und hergeschoben. Das am Rechner entworfene Paris aus der Eröffnungssequenz allein ist so umfangreich, dass es sich als Datei auf keinem einzelnen Rechner öffnen ließe - obwohl das Unternehmen für den Scorsese-Film als erstes zahlreiche Arbeitsplätze mit brandneuen Maschinen ausstatten ließ. Pixomondo arbeitet mit handelsüblichen Windows-PC, allerdings mit solchen der extremsten Kategorie, mit 24-Kern-Prozessoren und 48 Gigabyte großen Arbeitsspeichern. Bis zu tausend davon werkelten parallel an dem Mammutprojekt, rund um den Globus.
Fünf Oscars, aber keiner für Scorsese selbst
Pixomondo-Manager Vogt ist stolz darauf, wie solche Arbeiten in seinem Haus organisiert werden: Man sei "das erste Visual-Effects-Haus, das global vernetzt arbeitet", sagt er. Zehn Programmierer seien allein damit beschäftigt, eine Datenbank zu pflegen und zu verbessern, die Arbeitsaufgaben an die diversen Künstler verteilt, Dateiversionen überall auf dem aktuellen Stand hält. So können ein Designer in Frankfurt, ein Animateur in Kanada und einer in Shanghai an der gleichen Szene arbeiten, rund um die Uhr.
Flexibilität war gerade für den Scorsese-Film von großer Bedeutung, denn der Meister arbeitet gern unorthodox: "Er hat bis eine Woche vor Kinostart noch geschnitten", sagt Vogt. Zumindest was die Nebenkategorien angeht, hat sich der Perfektionismus dann doch noch ausgezahlt bei der Oscarverleihung: Auch in den Kategorien für Tonschnitt, Tonmischung, Art Direction und für die beste Kamera wurde "Hugo Cabret" ausgezeichnet. Meister Scorsese dagegen ging einmal mehr leer aus.