Neuer Quantenchip von IBM Zu komplex für Supercomputer

Querschnitt von IBMs »Eagle«-Chip
Foto: IBMIBM hat einen neuen Quantenprozessor vorgestellt, der deutlich leistungsfähiger als bisherige Systeme sein soll. Der Technologiekonzern teilte am Dienstag in Armonk (US-Bundesstaat New York) mit, der »Eagle« genannte Chip sei so komplex, dass er von traditionellen Supercomputern nicht nachgeahmt werden könne. Für eine Simulation durch konventionelle Hochleistungsrechner wären nach Darstellung des US-Konzerns »mehr klassische Bits notwendig, als es Atome in allen menschlichen Wesen auf dem Planeten gibt«.
Damit unterstreicht der IT-Konzern den elementaren Unterschied zwischen herkömmlichen Computern und Quantenrechnern. Traditionelle Computer arbeiten mit Bits, die jeweils nur einen von zwei Zuständen annehmen können: »Eins« oder »Null« beziehungsweise »An« und »Aus«. Quantencomputer hingegen verwenden sogenannte Qubits (»Quanten-Bits«), die nicht nur die zwei unterschiedliche Zustände darstellen können, sondern theoretisch unendlich viele unterschiedliche Zustände – und das gleichzeitig. Jedes zusätzliche Qubit, das ein Quantencomputer nutzen kann, verdoppelt die Anzahl der gleichzeitig darstellbaren Zustände. Daher gilt die Zahl der Qubits derzeit als Leistungsmerkmal für die neuartigen Rechner. Allerdings wird die Leistung eines Quantencomputers auch von etlichen weiteren Faktoren bestimmt.
Wirtschaft und Wissenschaft erhoffen sich von Quantencomputern enorme Fortschritte, etwa bei der Entwicklung neuer Arzneimittel. Zudem könnte sie zum einen abhörsichere Datenübertragungen ermöglichen, zum anderen genutzt werden, um komplexe Verschlüsselungen zu knacken. Noch sind Quantencomputer aber in erster Linie Forschungsobjekte, eine kommerzielle Nutzung ist bislang kaum möglich.
Bislang nur ein Forschungsthema
Mit dem neuen Chip hat IBM einen weiteren Schritt auf seiner Roadmap zur Entwicklung real nutzbarer Quantencomputer geschafft. Das Unternehmen betont, dass es mit »Eagle« erstmals die Schwelle von 100 Qubits überschreite, der neue Chip verfügt über 127 Qubits.
IBM hat die Anzahl der Qubits in seinen Quantenprozessoren in den vergangenen Jahren kontinuierlich in die Höhe geschraubt. Das ermögliche es Nutzern, bei Experimenten und Anwendungen Probleme auf einem neuen Komplexitätsniveau zu erforschen, betonte IBM. Dazu gehöre die Optimierung des maschinellen Lernens und die Modellierung neuer Moleküle und Materialien für den Einsatz in Bereichen, die von der Energiewirtschaft bis zur Arzneimittelentwicklung reichten.
»Die Einführung des ›Eagle‹-Prozessors ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu dem Tag, an dem Quantencomputer klassische Computer in bedeutendem Umfang übertreffen können«, sagte IBM-Forschungschef Darío Gil und schwärmte: »Quantencomputer haben das Potenzial, nahezu jeden Sektor zu verändern und uns dabei zu helfen, die größten Probleme unserer Zeit anzugehen.«
Experten wie der deutsche Physiker Andreas Dewes betonen aber immer wieder, dass die Entwicklung von funktionierenden Quantencomputern noch mehr als zehn Jahre in Anspruch nehmen könne.
Die »Canary«-Quantenchips von IBM aus dem Jahr 2017 verfügten über fünf Qubits. Im Februar 2020 stellte IBM die »Falcon«-Serie mit 27 Qubits vor. Im September 2020 schraubte der Konzern die Marke mit dem »Hummingbird«-Prozessor auf 65 Qubits hoch. Im Jahr 2023 will der Konzern einen Chip mit mehr als 1000 Qubits betriebsbereit haben.
Den ersten Quantencomputer in Deutschland betreibt die Fraunhofer-Gesellschaft gemeinsam mit IBM in einem Rechenzentrum des Konzerns in Ehningen bei Stuttgart. An dem »Q System One« – ebenfalls von IBM – sollen die Technologie an sich, ihre Anwendungsszenarien und Algorithmen erforscht werden. Dieses System nutzt 27 Qubits.