
Handy- Recycling: Geld für ausgediente Taschenbimmeln
Recycling Wie man Althandys zu Geld macht
Wenn es um Themen wie Umweltschutz geht, sollte man sich vor Verallgemeinerungen über den größten Industriestaat der Welt hüten: Wer sucht, der findet dort alles von höchst innovativen Lösungen und großem Engagement bis zu frappierender Ignoranz. Wahr ist jedoch, dass die USA generell hinterherhinken, wenn es um das Thema Umweltschutz geht. Der Durchschnitts-US-Amerikaner verbraucht mehr Ressourcen und produziert mehr Müll als irgendjemand sonst auf der Welt. Themen wie Recycling, Nachhaltigkeit oder Vermeidung von Energieverschwendung wurden erst in den vergangenen Jahren breiter in der Öffentlichkeit diskutiert. Hochaktuell ist in den USA etwa das Thema Hausisolierung, von der man bis zum Anstieg der Brennstoffpreise wenig wusste.
Doch besser spät als nie. So entdecken die USA soeben, dass beispielsweise Handys nicht nur eine enorme Umweltbürde darstellen, sondern auch ein potentielles Geschäft. Bis zu einer Milliarde Mobiltelefone sollen halb vergessen und ungenutzt in US-Schubladen herumliegen, laut der US-Umweltschutzbehörde EPA kommen jährlich bis zu hundert Millionen hinzu. Nur zehn Prozent davon werden irgendwann dem Recycling zugeführt, sagt die EPA.
Von Kalifornien ausgehend - in den USA in Bezug auf Umweltthemen stets Vorreiter - erobert das Thema gerade die Aufmerksamkeit der Medien und der Verbraucher. Das liegt natürlich daran, dass US-Unternehmen die späte Entdeckung weit besser als ihre europäischen Konkurrenten als coole Innovation zu verkaufen wissen.
Handy in den Automaten, Geld raus
So wie Eco ATM aus San Diego . Die Firma des Unternehmers Mark Bowles baut seit 2009 Rücknahmeautomaten für Handys, im vergangenen Monat wurden die ersten aufgestellt. Die Maschinen versuchen mit einer Abfolge von Fragen in Kombination mit Schnittstellentests (Funktioniert das Handy? Lädt der Akku?) und einer kamerabasierten Evaluation (Hat das Gerät Kratzer? Leuchtet das Display? Hat es Brüche?) den Wert eines Gebrauchthandys zu erfassen und dem Besitzer einen Preisvorschlag zu machen.
Nimmt der diesen an, kann er sich in Form eines Wertgutscheins, den er sich bei einem Händler auszahlen oder verrechnen lassen kann, das Handy im Automaten direkt entsorgen (siehe Bildergalerie oben). Die gezahlten Preise sind moderat, reichen von 0 Dollar für Schrott bis rund hundert Dollar für ein Smartphone, das nicht älter als zwei Jahre ist. Der Entsorger kann, wenn er will, diesen Betrag auch direkt am Automaten einer wohltätigen Organisation zukommen lassen.
Neu ist daran vor allem das automatisierte Verfahren: Die ATMs - kurz für "Automated Teller Machine", deutsch: Geldautomat - erinnern an die hierzulande üblichen Pfand-Rücknahmeautomaten. Das Geschäftsmodell hingegen gleicht dem vieler Konkurrenten: Auch eRecyclingCorps sammelt Althandys und belohnt die Entsorger mit Zahlungen. Firmen wie YouRenew , BuyMyTronics oder Gazelle kaufen alle möglichen Arten von Gadgets an. Und auch Handyhersteller und Mobilfunkunternehmen machen mit - auch, wenn sich die meisten auf Recycling in Verbindung mit wohltätigen Spenden beschränken.
Recycling? Weiterverwertung ist profitabler
Ein echtes Geschäft ist dieses Ankaufmodell allerdings nur, wenn man die eingesammelten Handys eben nicht alle verwertet. Zwar enthalten Handys Wertstoffe und Baubestandteile, die sich vermarkten lassen. Umsätze machen die Firmen aber eher mit dem Wiederverkauf. Dabei kommen vor allem zwei Modelle zum Tragen: Zum einen der Verkauf von Gebrauchthandys über bei Ebay eingerichtete Powerseller-Shops, zum anderen der Export in Schwellenländer.
Insgesamt, glaubt man bei eRecyclingCorps, summiere sich der Marktwert ausgedienter Handys in den USA auf rund 5,8 Milliarden Dollar, allein 2010 ausgemusterte Geräte machten dabei rund 3,3 Milliarden Dollar aus. Das klingt unglaublich, ist aber plausibel: Bei geschätzt 130 Millionen Handyverkäufen in diesem Jahr hätte das durchschnittliche ausgemusterte Modell einen Restwert von nur rund 25 Dollar. Da viele Handynutzer ihre Geräte alle ein, zwei Jahre wechseln, ist das wohl sogar eine vorsichtige Schätzung. Experten rechnen mit einem typischen Austauschzyklus von 18-24 Monaten bei Vertragshandys. Die meisten ausgemusterten Handys haben das Ende ihrer Lebensdauer also noch lange nicht erreicht.
Das weiß man natürlich auch in Europa.
Hier müssen Firmen auf Basis der EU-Elektroschrottverordnung von 2003 ausgediente Elektrogeräte kostenfrei zurücknehmen, was die Recyclingquoten schon erhöht hat. Prozentuale Vorgaben über eine Recyclingquote haben die Handyverkäufer allerdings nicht zu erfüllen: Die EU-Direktive verpflichtet nur die E-Branchen als ganzes, jährlich vier Kilogramm pro Bürger an E-Schrott einzusammeln. Den Rest haben die Branchen unter sich geregelt.
Wahrscheinlich landen deutlich weniger als 25 Prozent der ausgedienten Handys wirklich in der adäquaten Wieder- oder Weiterverwertung. Dafür stauben wild divergierenden Schätzungen zufolge 40 bis 120 Millionen Geräte allein in deutschen Schubladen vor sich hin - der Median der Schätzungen bewegt sich knapp über 60 Millionen Stück. Auch die sind eine Menge Geld wert.

Handy-Recycling: So wird man seinen Schrott (mit Gewinn) los
Geld oder gutes Gewissen?
Telekommunikationsfirmen bieten durch die Bank zumindest die kostenlose Rücknahme an. Alle bieten ihren Kunden allerdings auch Anreize, mehr Schrott zu entsorgen: Sie verbinden die Rückgabe mit Spenden an wohltätige Organisationen. So kommen Schrotthandys bei O2 der Tierschutzorganisation WWF zugute, bei ePlus dem Malteser Hilfsdienst . T-Mobile spendet an die Deutsche Umwelthilfe, und Vodafone fährt gleich mehrgleisig : Spendengelder aus der Annahme von Schrott, der pauschal mit drei Euro pro Handy verbucht wird, fließen an die Initiative OffRoadKids, an den RTL-Spendenmarathon und an den Naturschutzbund Nabu. Im letzten ausgewiesenen Geschäftsjahr sollen das rund 350.000 Euro gewesen sein.
Vodafone bietet allerdings auch eine Alternative an, die zeigt, dass Eco ATM und Co. das Rad nicht neu erfunden haben: Die Mobilfunker kaufen Althandys an - mit Preisen, die 200 Euro pro Gerät erreichen können.
Abgewickelt wird das über einen Online-Shop des britischen Unternehmens Zonzoo , das auch hierzulande bereits seit Jahren aktiv ist. Zonzoo gilt derzeit als größter E-Schrott-Ankäufer für Endverbraucher, Konkurrenten wie WirKaufens versuchen, dagegenzuhalten. Auch hier findet sich wieder das vermeintlich amerikanische Geschäftsmodell aus Powerseller-Zweitverwertung per Ebay, Gebrauchtgeräte-Abverkauf auf anderen Schienen und Export in Länder wie Indien oder China - dort landen auch die Vodafone-Zonzoo-Rücknahmen.
Alle Ankäufer teilen bisher aber ein Problem: Ihre Dienste haben sich nicht herumgesprochen, kaum einer weiß um die Möglichkeit des Altgerätverkaufs. Zonzoo will deshalb in den nächsten Monaten kräftig aufdrehen, plant die Einrichtung von Rücknahmestellen in Ladengeschäften - gedacht ist an mehr als 40.000 davon verteilt über ganz Europa.
Für den Verbraucher ist das eine feine Sache. Er hat auch hierzulande die Wahl, entweder kostenfrei und guten Gewissens seinen Schrott zu entsorgen und dabei noch gemeinnützig zu spenden, oder höchstbietend an einen Wiederverwerter zu verkaufen. Auch Zonzoo führt fünf Prozent seines Ankaufumsatzes als Spenden ab.
Ob diese Form des Recyclings diesen Namen am Ende allerdings verdient, darf man bezweifeln: Am Ende ihrer Lebensdauer landen viele solcher Geräte auf den Halden der Schwellenländer, wo sie wenig umweltschonend recycelt werden - Wertstoffe werden herausgebrochen, -gebrannt oder -geätzt, der Rest verrottet - oder eben nicht (siehe Video und Bildergalerien oben links). So bleibt die profitabelste und umweltschonendste Form der Handynutzung die über einen langen Zeitraum: Rationale Gründe, das Handy alle zwei Jahre zu wechseln, bevor es kaputt ist, gibt es nicht wirklich viele.