Shift Phone Das Highlight der Ifa ist nicht neu, aber nachhaltig

Shift-Mitgründer Samuel Waldeck auf dem Messeständchen des Unternehmens
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGELZu normalen Zeiten werden auf der Ifa in Berlin Hunderte neue Produkte angekündigt, schließlich stehen kurz darauf Black Friday, der Singles Day in China und das Weihnachtsgeschäft an. In diesem Jahr ist davon nichts zu spüren, es ist ja auch kaum jemand da. Das geht dann so weit, dass etwa der BSH-Konzern, zu dem Bosch, Siemens, Neff und Gaggenau gehören, dieselbe neue Generation von Geschirrspülern auf einer Pressekonferenz gleich dreimal präsentierte.
Doch parallel zur Ifa 2020 Special Edition findet im City Cube direkt neben dem Messeeingang die Ifa Next statt, auf der sich kleinere Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen präsentieren. Wer auf der Suche nach Neuheiten ist, wird hier schon eher fündig. Und sei es nur, dass man sich für ein Trainingsgerät begeistert, in dem sich dicke Katzen dünn laufen sollen.
Hier stellt beispielsweise die Firma Omnicharge eine Art Powerbank-Deluxe aus, die ein Smartphone kabellos auflädt, während sie gleichzeitig das Notebook mit Strom versorgt. Oder das Berliner Start-up Heatle, das eine Art Heizstab entwickelt hat, den man per App steuern kann und der seine Energie von einer Induktionsplatte bezieht, auf die man auch sein Smartphone legen kann, um es aufzuladen. Vor allem aber trifft man dort die Firma Shift, die auf einem kleinen Messestand aus Spanplatten ihre in Deutschland entwickelten und zumindest teilweise auch produzierten Smartphones zeigt.
Telefone vom Dorf
Das Prinzip dieser Smartphones vom Dorf erinnert zunächst ein wenig an das von Fairphone - und ist doch ganz anders. Die Entwicklung und das Design werden am Schreibtisch im hessischen Dorf Falkenberg erledigt, erklärt Samuel Waldeck, der die Firma 2014 gemeinsam mit seinem Bruder Carsten und dem Vater Rolf gegründet hat. Auch die Endfertigung der Geräte findet dort statt, rund zwei Dutzend Mitarbeiter sind bei der Firma beschäftigt.
Die Vorarbeit für den finalen Zusammenbau, also das Zusammenfügen zugelieferter Bauteile zu den fast fertigen Smartphones, erfolgt hingegen in China. Aber auch dort soll laut der Familie in diesem Fall alles ganz anders sein als bei herkömmlichen Herstellern.
Weil man keine Firma gefunden habe, die nach den Kriterien von Shift produzieren wollte, habe man selbst eine Fabrik aufgebaut, eine ganz kleine allerdings. Zehn Mitarbeiter sind nach Angaben von Shift dort in der Produktion beschäftigt, gearbeitet werde nicht am Fließband, sondern an Holztischen. Werkzeuge seien dabei ohnehin kaum nötig, denn die meisten Bauteile werden bei den Shiftphones zusammengesteckt und nicht geklebt oder verschraubt.


Ein Shift-Phone: Links, so wie man es im Alltag sieht, rechts nachdem man es aufgeschraubt hat
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGEL / Matthias Kremp / DER SPIEGELDas gehört zum Konzept, weil die Geräte ähnlich wie Fairphones von Nutzern selbst repariert oder sogar mit verbesserten Modulen aufgerüstet werden sollen. Dazu genügt es, ein paar Schrauben zu lösen, Kamera, Hauptplatine und andere Bauteile kann man dann einfach per Stecksystem austauschen. Um einen neuen Akku einzusetzen, genügt es, einfach die Kunststoffabdeckung auf der Rückseite zu entfernen.
Die Preise für die Ersatzteile halten sich in Grenzen. Ein neuer Akku kostet zwischen zwölf und 19 Euro, ein Set Tasten zwei Euro, ein Display zwischen 55 und 99 Euro. Dafür sind die Smartphones selbst nicht ganz billig. Am günstigsten ist das Shift5me, das mit 4,7-Zoll-Display und 32 GB Speicherplatz mit 399 Euro in der Preisliste steht. Für ein Shift6mq mit Sechs-Zoll-Display und 128 GB Speicher müssen Vorbesteller 799 Euro einplanen.

Das Displaymodul eines Shift-Smartphones
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGELViel davon bleibt bei den Gründern angeblich nicht hängen. Laut Waldeck gehen die Hälfte der Kosten für Produktion, Transport und Zölle drauf. Zudem versteht sich die Firma als "Social Business" und will laut eigenen Aussagen keine Gewinne erwirtschaften, sondern Überschüsse in gemeinnützige Projekte investieren.
Damit es solche Überschüsse überhaupt gibt, haben die Gründer sich in ein enges Gehaltskorsett gezwängt. Im Durchschnitt verdienen die Mitarbeiter des Unternehmens 2509 Euro brutto, der Spitzenverdienst liegt bei 3600 Euro. Wer wie viel bekommt, werde nach Kriterien wie den Lebensumständen, der Qualifikation und Lebenshaltungskosten festgelegt, heißt es im Shift-Wirkungsbericht .
Eine Wassermühle und ein Dorfladen
Statt sich die Taschen vollzumachen, investiere man in Projekte, die der Allgemeinheit zugutekommen, erzählt Samuel Waldeck auf dem Messestand der Firma. Man habe erst kürzlich eine alte Wassermühle gekauft, die nun unter anderem dazu genutzt werde, Ökostrom für die Firma zu erzeugen. Man habe in Falkenberg auch gerade ein altes Fachwerkhaus erworben, das wolle man zu einem Dorfladen umbauen, weil es keinen mehr gebe.

Projekt für 2021: Ein Shift-Notebook mit abnehmbarer Tastatur
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGELVorerst aber müssen sich die Gründer wohl noch um ein anderes Projekt kümmern. Denn zusätzlich zu den Smartphones will Shift bald auch mit Notebooks an den Markt gehen, die ebenso modular aufgebaut und dadurch ebenso leicht reparabel und aufrüstbar sein sollen wie die Smartphones. Als Besonderheit sollen sie mit einer abnehmbaren Tastatur ausgeliefert werden, deren Tasten zugleich als riesiges Touchpad fungieren.
Wann man es kaufen können wird, ist noch unklar, irgendwann in der ersten Jahreshälfte 2021 soll es so weit sein. Bis dahin ist noch viel Zeit, die Probleme mit der innovativen, aber noch zickigen Tastatur in den Griff zu bekommen.