Schrotthandys der Redaktion Das muss so

Auf dem Display ist kaum noch was zu erkennen? Viele Handynutzer stört das nicht
Foto: SPIEGEL ONLINEEs gibt sogar schon ein eigenes Modewort: Spider-App. So wird ein Sprung in der Smartphone-Abdeckung genannt, manchmal auch ein Display-Schaden. Die Spider-App sei ziemlich unbeliebt, heißt es im Spaß-Lexikon Stupidedia , "auch wenn die Installation der App noch lange kein Grund ist, das Handy umzutauschen".
Obwohl die Stupidedia eigentlich eine "sinnfreie Enzyklopädie" ist, in letzterem Punkt ist sie nah an der Wirklichkeit: Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Deutsche benutzen Smartphones, die, objektiv betrachtet, nicht mehr ganz funktionstüchtig sind. Aus der Perspektive ihrer Besitzer funktionieren die Geräte noch ganz ordentlich.
Das Gerät kann ja nichts dafür
Während Menschen fremde Handy-Zombies sofort erkennen, lassen sie beim eigenen gern Milde walten, solange sie zumindest ab und zu noch etwas auf dem Display erkennen oder sie es per Workaround zumindest bei jedem zweiten Anlauf zur gewünschten Funktion schaffen. Schuld daran sind auch die hohen Reparaturkosten, ein professioneller Display-Austausch bei aktuellen Geräten kostet schnell mehr als hundert Euro.
Hier erinnern sich Redakteure an beschädigte Geräte, die andere Menschen wohl sofort zur Reparatur gebracht oder entsorgt hätten:
Obwohl jedes Gerät seine eigene Geschichte hat, ist das Weiternutzen beschädigter Smartphones ein Massenphänomen. Ein Artikel des "Zeit Magazins" endete kürzlich beinahe mit einem Plädoyer fürs Handy-Herunterfallenlassen: "Unsere Handys sind Symbole dafür, dass die Daueroptimierung, die die digitale Revolution mit sich bringt, nicht funktioniert", schrieb die Autorin Anna Kemper . "Wir haben selber Macken und Falten. Andere Displays sind perfekt wie die Haut eines gephotoshoppten Models. Unsere sehen aus, als hätte Spiderman sie berührt. Sie sind unverwechselbar."
Mancher tauscht schon bei Kratzern das Display
Interessant sind auch die Beobachtungen, die Mitarbeiter von Handy-Reparaturservices gemacht haben: Alisha McPherson vom Dienst iCracked beispielsweise erzählt, dass die meisten Kunden umso reparierwilliger sind, je neuer ihr Gerät ist. Bei älteren Geräten würden sich viele fragen, ob es nicht ohnehin bald Zeit sei, ein neues Handy zu kaufen.
Sinan Bilir, der Geschäftsführer des Hamburger Reparaturservices Justcom, hat festgestellt, dass einige Kunden aus einkommensstärkeren Gebieten einen hohen ästhetischen Anspruch an ihre Smartphones haben: "Selbst kleinste Kratzer müssen dann sofort behoben werden oder sind schon Anlass für einen teuren Displaytausch."
Üblicherweise müssten bei Smartphone-Nutzern aber ein oder mehrere Dinge zusammenkommen, damit ein Gerät wirklich repariert wird: Entscheidend sei dabei eine große Einschränkung wie einer defekter Touchscreen oder Akku. Aber auch eine Verletzungsgefahr, etwa durch Splitter, oder sozialer Druck aus dem Bekanntenkreis könnten die Motivation erhöhen.
Dafür, dass sie ihre Handyreparatur lange aufschieben, haben manche Smartphone-Nutzer übrigens eine ganz pragmatische Rechtfertigung, sagt Bilir: "Das Ding fällt mir ja eh noch mal herunter."
Auch Sie nutzen ein nicht mehr ganz funktionsfähiges Handy oder haben einen defekten Klassiker in der Schublade? Dann twittern Sie gern ein Foto des Geräts mit dem Hashtag #Schrotthandys .