Sony WH-1000XM4 im Test Der aufmerksame Kopfhörer

Sonys Bluetooth-Kopfhörer mit Noise Cancelling gehören seit Jahren zum Besten, was der Markt zu bieten hat. Die neuen WH-1000XM4 sollen die Tradition fortsetzen. Der Test.
Sony WH-1000XM4: Vom Vorgänger optisch kaum zu unterscheiden

Sony WH-1000XM4: Vom Vorgänger optisch kaum zu unterscheiden

Foto: Sony

Wie sehnlich Sonys kabellose neue Over-Ear-Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung erwartet werden, zeigt sich an den medialen Spekulationen aus dem April  und Juni . Schon damals hieß es jeweils, die Veröffentlichung stehe bestimmt unmittelbar bevor - und dann geschah: nichts.

Die Ungeduld ist nicht verwunderlich, schließlich wurde das Modell WH-1000XM3 schon 2018 auf der Ifa in Berlin vorgestellt. Und auch wenn es noch immer zum Besten gehört, was es in diese Kategorie zu kaufen gibt, hat die Konkurrenz mindestens aufgeholt. Die Bose 700 und Sennheisers Momentum 3 zum Beispiel spielen in derselben Liga wie Sony.

Nun kommt Mitte August der XM4 in den Handel. Das Erste, was an ihm auffällt, ist, dass nichts an ihm auffällt. Er ist von außen fast nicht vom Vorgänger zu unterscheiden. In der Liste der Neuerungen sticht auch nichts hervor, es sind eher viele kleine Änderungen als irgendetwas Fundamentales.

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Sony WH-1000XM4

Foto: Patrick Beuth/ DER SPIEGEL

Der Chip für das Noise Cancelling ist der gleiche wie im Vorgänger, aber ein neuer Bluetooth-Chip und ein neuer Algorithmus sollen die Geräuschunterdrückung verbessern, ein anderer Algorithmus die Qualität von komprimierten Musikdateien besser optimieren, als das bisher möglich war. Die Polster für die Ohren sind minimal breiter und laut Sony etwas weicher, sie umschließen die Ohren dadurch einen Hauch besser.

Das Ergebnis ist dennoch ein wenig enttäuschend, wenn auch auf hohem Niveau: Nach einer Reihe von Vergleichstests mit dem XM3 im Büro, beim Spazierengehen, in der U- und der S-Bahn kann ich keinen Fortschritt bei der Audioqualität und dem Noise Cancelling feststellen. Sony sagt, besonders mittlere und hohe Frequenzen, zum Beispiel Geräusche und Gespräche im Büro - sofern dort in Coronazeiten jemand ist - könne der XM4 "deutlich besser" ausblenden. Ich kann das nicht bestätigen.

Wo Bass ist, wird gebrummt

Auch beim Sound bleibt es bei der gewohnt guten Leistung: Anders als Bose versucht Sony gar nicht erst, Musik möglichst neutral wiederzugeben. Wo Bass ist, wird gebrummt, erst recht in der extremen Equalizer-Einstellung in Sonys Headphones-App. Pop- und Rockmusik sowie Elektro klingen dadurch schön wuchtig, auch wenn so etwas natürlich Geschmackssache ist. Trotzdem vermatscht der Sound nicht, und auch Podcasts klingen angenehm. Aber wenn mir jemand nacheinander beide Kopfhörer aufsetzt, kann ich ohne hinzusehen nicht sagen, ob ich gerade den XM3 oder den XM4 höre.

Telefonie hingegen - der Bose 700 wird hier häufig als vorbildlich genannt - beherrscht der XM4 ordentlich, aber leichte Probleme beim Herausfiltern der Umgebungsgeräusche für den Gesprächspartner hatte er beim Testanruf doch.

Es sind eher die kleinen Unterschiede, die auffallen. Neu ist etwa, dass zwei Abspielgeräte gleichzeitig mit dem Kopfhörer gekoppelt werden können, zum Beispiel Smartphone und Laptop. Der Wechsel funktioniert, indem man einfach die eine Audioquelle stoppt und die andere startet.

Allerdings funktioniert Sonys Übertragungs-Codec LDAC für die hochauflösende Bluetooth-Übertragung nicht mehr, wenn man zwei Geräte verbunden hat. Da aber eh nur die Streamingdienste Tidal, Deezer und nugs.net diesen unterstützen, ist das verkraftbar. Außerdem beherrscht der XM4 den von Apple bevorzugten AAC-Codec, anders als der XM3 nicht jedoch zusätzlich aptX und aptX HD, was ich für eine seltsame Entscheidung halte.

Auch eine Speak-to-chat genannte Funktion soll den XM4 aufwerten. Rede-um-dich-zu-unterhalten klingt zunächst nicht nach einer bahnbrechenden Idee, aber sie könnte allen gefallen, die schon mal mit zwei vollen Händen versucht haben, die Musik auf ihrem Kopfhörer zu pausieren. Hier reicht es jetzt, einfach drauflos zu quatschen. Der XM4 erkennt die Stimme der tragenden Person, unterbricht die Audiowiedergabe und lässt Umgebungsgeräusche durch. Wahlweise 15, 30 oder 60 Sekunden nach dem letzten gesprochenen Wort geht die Musik oder der Podcast weiter, einstellbar in der Headphones-App.

Alternativ kann man sich den XM4 einfach vom Kopf schieben, auch dann pausiert die Audiowiedergabe, bis der Kopfhörer wieder auf den Ohren sitzt.

Ebenfalls neu ist die sogenannte Adaptive Geräuschsteuerung, die je nach Standort und Bewegung automatisch das Noise Cancelling anpassen soll. Wer möchte, kann zum Beispiel festlegen, dass in der Bahn so viel von der Umgebung ausgeblendet wird, wie der Kopfhörer hergibt, während beim Spazierengehen oder beim schnelleren Laufen ein wenig vom Verkehrslärm durchgelassen wird - damit man etwa ein nahendes Auto hören kann. Das ist fast schon streberhaft smart und durch die mitunter deutlich verzögert einsetzenden Einstellungswechsel auch ein wenig irritierend. Immerhin lässt sich die Funktion in der App deaktivieren.

30 Stunden mit aktivierter Geräuschunterdrückung soll eine Akkuladung halten, die Schnellladefunktion soll genug Energie für fünf Stunden innerhalb von zehn Minuten liefern. Beides entspricht den Werten, die Sony auch schon für den XM3 angegeben hatte. Überprüfen konnte ich das noch nicht.

Fazit

Der Vorgänger XM3 ist derzeit für etwa 250 Euro zu bekommen, der XM4 wird zunächst 380 Euro kosten. Das ist ein heftiger Aufpreis dafür, dass die Neuerungen den XM4 in erster Linie praktischer machen, während die Kernfunktionen - Audiowiedergabe und Noise Cancelling - nach meinem Empfinden kaum aufgewertet wurden.

Hintergrund: Produkttests im Netzwelt-Ressort

Über welche Produkte wir in der Netzwelt berichten und welche wir testen oder nicht, entscheiden wir selbst. Für keinen der Testberichte bekommen wir Geld oder andere Gegenleistungen vom Hersteller. Es kann aus verschiedenen Gründen vorkommen, dass wir über Produkte nicht berichten, obwohl uns entsprechende Testprodukte vorliegen.

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