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Ataris Geschichte: Vorgeprescht und abgehängt

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Atari-Gründer über Virtual Reality "Die Technologie ist reif"

Mit "Pong" hat Nolan Bushnell 1972 einen Spiele-Meilenstein auf den Markt gebracht. Nun plant der Atari-Gründer eine neue Revolution. Im Gespräch mit "c't" erzählt er, was er Virtual Reality und sich zutraut.
Von Jan-Keno Janssen

Nolan Bushnell ist ein Phänomen: Im Laufe seines Lebens hat er über 20 Unternehmen gegründet, acht Kinder großgezogen und Leonardo DiCaprio die Filmrechte an seiner Lebensgeschichte verkauft. Mit 74 Jahren will er nun noch einmal richtig durchstarten und mit seinem Start-up Modal VR die Virtual-Reality-Technik revolutionieren.

Bushnells wohl weltveränderndste Leistung war 1972 die Gründung der Videospielfirma Atari: Deren Spielautomat "Pong" ist zwar nicht das erste Computerspiel der Geschichte, aber definitiv das erste, mit dem ernsthaft Geld verdient wurde. "Pong" und seine Nachfolger waren so erfolgreich, dass diverse Atari-ähnliche Unternehmen aus dem Boden schossen und die Jahre 1972 bis 1983 als "Golden Age of Arcade Video Games" in die Geschichte eingingen.

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Dann kam der große Crash. Aber Bushnell hatte Atari da schon längst an Time Warner verkauft - und fröhlich weiter Unternehmen gegründet. Bushnells größter Erfolg war außer Atari die Arcade-Pizzeria-Kette Chuck E. Cheese's, die heute 590 Filialen betreibt.

Doch Nolan Bushnell hat auch viele Firmen in den Sand gesetzt: zum Beispiel Androbot, die Mitte der Achtzigerjahre Roboter für den Privatgebrauch herstellten. Auch für das Navigationssystem Etak war die Zeit 1985 noch nicht reif: GPS gab es noch nicht, die Karten wurden auf konventionellen Audio-Kassetten gespeichert.

Der Berufsoptimist

Bushnell kann der Fortschritt nicht schnell genug gehen. "Ich möchte in der Zukunft leben", sagt er im Gespräch mit "c't". "Und der beste Weg, das zu bewerkstelligen, ist, die Zukunft selbst zu erfinden." Ob das funktioniert, ist natürlich unklar, aber Berufsoptimist Bushnell zweifelt grundsätzlich wenig.

Über sein 2012 gegründetes Lernspiel-Unternehmen BrainRush behauptet er, dass dessen Produkte das Lernen "um den Faktor fünf bis zehn" beschleunigen. Das Ziel sei, "die Art und Weise, wie Menschen lernen, fundamental zu verändern".

Ausnahmegründer Bushnell hat freilich noch mehr Eisen im Feuer. Mit seinem Start-up Modal VR entwickelt er ein Großflächen-VR-System für Unternehmen, das nicht nur für Unterhaltungszwecke genutzt werden kann, sondern beispielsweise auch fürs Training von Sicherheitskräften.

Ein angeblich "idiotensicheres" System

Das Wichtigste an Modal VR sei der einfache Aufbau, betont Bushnell. "Idiotensicher" sei das System, in wenigen Minuten startklar. Modal VR soll mehrere User auf riesigen Flächen tracken können. Während Firmen wie The Void mit aufwendigen Funksystemen vergleichsweise kleine Hallen bespielen, soll Modal VR auf einer Fläche von über acht Hektar mit lediglich einem Tracking-Gerät in der Größe eines Desktop-PCs auskommen sowie vier Pylonen in den Ecken der Spielfläche.

Virtual-Reality-System Modal VR

Virtual-Reality-System Modal VR

Foto: c't

Bushnell verspricht obendrein ein Ganzkörper-Tracking mit speziellen Anzügen (was bislang keiner Firma überzeugend gelungen ist) mit einer Genauigkeit von weniger als einem Millimeter. Und die Latenz soll unter 10 Millisekunden liegen.

Wie das funktioniert? Sagt Bushnell nicht, das sei Geschäftsgeheimnis. Aber schon in wenigen Monaten soll das System der Öffentlichkeit präsentiert werden.

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Was Modal VR alles können soll - das klingt ein bisschen zu gut, um wahr zu sein. Und dennoch: Nolan Bushnell hat schon dutzendfach bewiesen, dass er in der Lage ist, seine Visionen auch umzusetzen. Zumindest manchmal.

Das denkt Nolan Bushnell über Virtual Reality

"c't": VR-Experten sagen häufig, dass VR-Spiele zurzeit in einer ähnlichen Entwicklungsphase sind wie Computerspiele in den Siebzigerjahren - damals erschien Ihr Spiel "Pong". Sehen Sie das auch so?

Bushnell: Absolut. Ich habe ja miterlebt, wie sich das Ganze vom viereckigen Ball bei "Pong" zum Fast-Fotorealismus bei "Halo" und "Call of Duty" entwickelt hat - und das in weniger als 30 Jahren. Und ich glaube, dass wir bei Virtual Reality in der derselben Phase sind. Allerdings ist bei VR ja nicht nur das Visuelle wichtig, sondern Ton, Haptik, Geruch, Geschmack; was alles unterschiedlich schwierig umzusetzen ist. Und dann, wenn irgendwann die virtuelle Realität visuell mit der echten Realität übereinstimmt, dann kriegen wir einen ganzen Haufen interessanter Probleme.

Nolan Bushnell

Nolan Bushnell

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"c't": Wann, glauben Sie, wird das sein?

Bushnell: Ich denke innerhalb von drei bis vier Jahren.

"c't": Wirklich? Sie glauben, man kann VR schon in vier Jahren nicht mehr von der Realität unterscheiden?

Bushnell: Zumindest in Sachen Optik. Ich bin der Meinung, dass wir beim Ton schon angekommen sind. Ich glaube auch, dass wir beim Geruch schon da sein könnten. Ich kann jedenfalls den Geruch von synthetischem Kaffee nicht von echtem unterscheiden.

"c't": Ich kenne kein Unternehmen, das solche Geruchs-Synthesizer für Endkunden anbietet.

Bushnell: Das stimmt, aber das wird bald kommen. Die Technologie ist reif, es geht nur noch darum, alles zusammenzusetzen.

"c't": Dann ist Ihrer Meinung nach also Haptik das größte Problem für "echte" VR?

Bushnell: Nein, das ist Essen. Da hat man nämlich Geruch, Geschmack und Konsistenz. Man muss also Haptik im Mund simulieren.

"c't": Stimmt. Das braucht man für wirklich echte VR, aber das ist natürlich sehr ambitioniert.

Bushnell: Wir müssen eine Art Turing-Test für Virtual Reality definieren. Ab wann ist die virtuelle Realität nicht mehr zu unterscheiden von der echten Realität? (Anmerkung der Redaktion: Bushnell spricht auf Englisch von "base reality").

"c't": Was glauben Sie, wann wird dieser Turing-Test das erste Mal glücken?

Bushnell: In 50 Jahren. Ich denke, wir werden der Sache schon in 10, 15 Jahren sehr, sehr nahe kommen - aber um jemanden wirklich komplett zu überzeugen, wird es länger dauern.

"c't": Was genau fasziniert Sie so an Virtual Reality?

Bushnell: Für mich ist das ein neuer Bereich für Erfindungen, und ich bin immer an Erfindungen interessiert. Ich mag es, neue Dinge herauszufinden, bevor es jemand anders macht.

"c't": VR ist bislang nicht so ein großer Erfolg wie beispielsweise das Smartphone ab 2007. Viele Menschen interessieren sich nicht für VR. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Bushnell: Es gibt immer die Early Adopter - und dann gibt es einfach Menschen, die gerne in der Vergangenheit leben. Die gehen gerne zu Mittelaltermärkten, und das ist ja auch okay so.

"c't": Sie haben wahrscheinlich etliche VR-Projekte ausprobiert. Welches hat Sie am meisten beeindruckt?

Bushnell: Richtig gut und richtig gut durchdacht fand ich die VR-Achterbahn im Europa-Park . Man reitet auf einem Drachen - und ich dachte: Das haben die wirklich richtig gut hinbekommen.

"c't": Können Sie sich vorstellen, dass VR wieder verschwindet? So wie nach dem ersten Hype in den Neunzigerjahren?

Bushnell: Nein, beim ersten Mal war der Grund ja klar: Den Leuten ist übel davon geworden. Und es ist schwierig, ein Geschäft mit etwas aufzubauen, bei dem Leuten schlecht wird. Mit der aktuellen Technik habe ich inzwischen rund 100 Stunden in VR verbracht und dabei war mir nur ein einziges Mal unwohl - und das lag an der Software, nicht an der Hardware.

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