Änderungen bei DVB-T Vodafones dreiste Werbelügen

Veränderungen beim digitalen Antennenfernsehen DVB-T verunsichern gerade viele Fernsehzuschauer. Vodafone sah darin wohl eine Chance, Kunden zu gewinnen - und hat fragwürdige Schreiben verschickt.
Werbebrief von Vodafone Kabel Deutschland

Werbebrief von Vodafone Kabel Deutschland

Foto: SPIEGEL ONLINE

"Wenn Sie diesen Hinweis sehen, müssen Sie rasch handeln": Einblendungen mit solchen Sprüchen nerven gerade so manchen Zuschauer, der per DVB-T fernsieht. Hintergrund des Hinweises ist ein geplanter Technikwechsel: In einigen Regionen Deutschlands geht zum 29. März das neue Antennenfernsehen DVB-T2 HD  in den Regelbetrieb über.

Viele Sender wollen ihre Zuschauer daher möglichst bald motivieren, sich die richtige Technik dafür anzuschaffen, da sie sonst, jedenfalls per klassischem DVB-T, in einigen Monaten nicht mehr ihr gewohntes TV-Programm empfangen können.

Doch als wären die TV-Einblendungen für die betroffenen Zuschauer nicht anstrengend genug, macht jetzt in mehreren Bundesländern, darunter Bayern und Hamburg, ein Vodafone-Werbebrief die Runde, der bei vielen Menschen für Verwirrung sorgt. Der Brief, der auch bei Nichtnutzern von DVB-T ankam, suggeriert, dass man umgehend und ganz dringend etwas tun müsste. Am besten natürlich: auf einen Kabelanschluss des werbenden Unternehmens umsteigen.

An Dreistigkeit kaum zu überbieten

Das Anschreiben - das uns mehrfach vorliegt - ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Der mattrosafarbene Umschlag etwa erinnert an einen Behördenbrief und ein in Stempeloptik gehaltener Aufdruck "Wiederholter Zustellversuch" suggeriert, dass es dem Absender wirklich, wirklich wichtig gewesen sei, den Adressaten zu erreichen. Schließlich wird dem Ganzen noch durch einen Kasten mit der Bezeichnung "Vorgangsdaten" der Anstrich eines offiziellen Schriftwechsels gegeben.

Rosafarbener Briefumschlag

Rosafarbener Briefumschlag

Foto: SPIEGEL ONLINE

Dass die Post von Vodafone kommt, bemerkt man erst auf den zweiten Blick. Während das Unternehmen sonst jede E-Mail mit einem großem Firmenlogo verziert, ist der DVB-T-Werbebrief auf neutrales Papier gedruckt. Im Anschriftenfeld ist der Absender in winziger Schrift erkennbar, der Brief ist am Ende von "Ihre Vodafone Kabel Deutschland" unterschrieben.

Abschaltung des analogen Digitalfernsehens?

Im Schreiben selbst heißt es, mit der "Abschaltung des analogen Fernsehdienstes DVB-T" seien "immer mehr Haushalte auf eine neue TV-Versorgung angewiesen". Blöd nur, dass analoges Antennenfernsehen in Deutschland längst Geschichte ist, bereits seit Ende 2008 gibt es per Antenne nur noch Digital-TV zu sehen. Das Kürzel DVB steht sogar für "Digital Video Broadcast", fürs Digitalfernsehen also. In diesem Zusammenhang von einem "analogen Fernsehdienst" zu sprechen, ist Unsinn.

Fast schon dezent wird in dem Brief dann auf die Vorteile des TV-Empfangs via Kabel hingewiesen, stets versehen mit kleinen Hinweisen auf der Rückseite, in denen die Dienste von Vodafone Kabel Deutschland gepriesen werden. Klassische Werbung tarnt sich hier als Informationsschreiben.

Aufforderung zum Anrufen unterm Knick

Am Ende des Briefs wird schließlich zu Eile gemahnt: Ungefähr auf Höhe des zweiten Knicks heißt es, aktuell gebe es besonders günstige Angebote. Wer diesen Absatz überspringt, landet direkt beim teils gefetteten Hinweis "Melden Sie sich dazu bitte bis spätestens 28.02.2017 telefonisch bei uns."

Melden soll man sich als argloser Briefempfänger per "spezieller, kostenfreier Rufnummer". Hier könnte das Kalkül sein: Da Werbeanrufe in Deutschland nur unter strengen Auflagen erlaubt sind, überlässt man den Anruf einfach dem Beworbenen.

Als Test haben wir die in dem Schreiben genannte 0800-Nummer angerufen - und sind erst einmal fast zehn Minuten in einer Warteschleife gelandet.

"Das können Sie als Werbung ansehen"

Ein Mitarbeiter antwortete schließlich auf die Frage, was es mit der DVB-T-Abschaltung auf sich habe, so flapsig wie unmotiviert: "Ja, ab dem - ich glaube - 1. März können Sie über Antenne kein Fernsehen mehr empfangen." Das Antennenfernsehen werde dann eben abgeschaltet. "Nur wenn Sie Fernsehen schon über Kabel oder Sat empfangen, dann brauchen Sie nichts zu tun."

Auf die Nachfrage, weshalb wir, ohne Vodafone-Kunden zu sein, solche seltsame Post bekommen, antwortete der Hotline-Mitarbeiter simpel: "Das können Sie als Werbung ansehen." Anstalten, uns einen Kabelanschluss zu verkaufen, machte er immerhin nicht.

Keine Hektik, bitte

Auch bei Vodafone selbst - das Unternehmen war erst vor wenigen Tagen von der Verbraucherzentrale Sachsen für ein anderes Werbeschreiben kritisiert worden  - haben wir am Donnerstag nachgefragt, warum das Unternehmen solch ein Schreiben in Umlauf bringt. "Das von Vodafone versendete Schreiben informiert Fernsehnutzer über die Möglichkeit, TV auch über den in ihrer Region verfügbaren Kabelanschluss zu empfangen", hieß es dazu von einer Sprecherin, mit dem Hinweis, dass man "die Auslieferung dieses Werbemittels" aber "direkt nach dem Start der Kampagne" wieder gestoppt habe.

In einer überarbeiteten Version des Briefes soll der aufgedruckte Stempel, nach dem wir explizit gefragt hatten, nicht wieder verwendet werden. Auch habe man veranlasst, dass der von uns ebenfalls erwähnte Passus über die "Abschaltung des analogen Fernsehdienstes DVB-T" korrigiert wird.

Aufgedruckter Pseudostempel

Aufgedruckter Pseudostempel

Foto: SPIEGEL ONLINE

Zu den "Vorgangsdaten" äußerte sich die Sprecherin dagegen nicht. Sie schrieb aber weiter, angesichts des leistungsfähigen Kabelglasfasernetzes sei es "grundsätzlich im Interesse der Verbraucher, Informationen über alternative Angebote zu erhalten".

Das hört sich gut gemeint an. Doch tatsächlich sollte man auch als DVB-T-Nutzer nichts übereilen - und sich erst recht nicht von Werbeschreiben von Unternehmen unter Druck setzen lassen.

Die Verbraucherzentrale Hamburg ist überrascht

Denn obwohl am 29. März in den Ballungsräumen der Regelbetrieb des neuen DVB-T2 HD beginnt, wird dem TV-Dienstleister Media Broadcast zufolge beispielsweise vom NDR danach noch für mehrere Monate ein Basisangebot in alter DVB-T-Technik ausgestrahlt. Erst dann werden die Bildschirme wirklich dunkel. In ländlichen Gegenden wird der Umstieg noch länger dauern, soll erst Mitte 2019 abgeschlossen sein. Hier auf SPIEGEL ONLINE werden wir in nächster Zeit noch Tipps dazu veröffentlichen, was man beim Wechsel von DVB-T auf einen anderen Übertragungsweg beachten sollte.

Von Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg hieß es am Freitag auf Nachfrage zum DVB-T-Schreiben übrigens, dass es sich bei Vodafones Werbung um "irreführende Werbung" handeln dürfte. Unabhängig davon sei es "zumindest befremdlich", dass ein großer Anbieter auf eine Gestaltung setzt, "die man ansonsten eher aus dem Bereich fragwürdiger Gewinnspielwerbung kennt".


Hinweis: Wenn auch Sie einmal besonders dreiste Angebote von Tech- oder Telekommunikationsfirmen bekommen, geben Sie uns dazu gern einen Hinweis, am besten per E-Mail an netzwelt@spiegel.de.

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