Xiaomi 13 Pro im Test Das chinesische High-End-Smartphone, in dem eine Leica-Kamera steckt

Anders als bei der Konkurrenz aus Korea dürfen die Kameras bei Xiaomi noch weit aus dem Gehäuse ragen
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGELAls Xiaomi am Nachmittag des 26. Februar in Barcelona seine Smartphones der Serie 13 präsentierte, war das ein bemerkenswertes Ereignis. Zum einen natürlich wegen der neuen Handys, die in vielerlei Hinsicht Spitzenleistungen liefern – dazu später mehr. Zum anderen, weil die Geräte in China schon seit Monaten verkauft werden. Und schließlich auch, weil das wichtigste Bauteil, die Kameras, in der deutschen Provinz entwickelt worden sind, im hessischen Wetzlar, rund 60 Kilometer nördlich von Frankfurt.
Dort liegt, auf einem Hügel über der Stadt, der Leitz-Park, Sitz des Kameraherstellers Leica. Vor mehr als einhundert Jahren entwickelte die Firma die erste wirklich tragbare Schnappschusskamera. Heute ist Leica vor allem für teure Digitalkameras bekannt. Und seit ein paar Jahren auch dafür, Kameras für chinesische Smartphone-Hersteller zu entwickeln.

Der Leitz-Park in Wetzlar, aufgenommen mit dem Xiaomi 13 Pro
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGELDas erste Smartphone mit Leica-Schriftzug war 2016 das Huawei P9 (hier unser Testbericht). »Das gab damals noch mal so einen Schub für das Thema Smartphone-Fotografie«, erinnert sich Marius Eschweiler, Vice President Business Unit Mobile bei Leica im Gespräch mit dem SPIEGEL. »Klar, Smartphones hatten da schon Kameras, aber diese wurden eben noch fast stiefmütterlich behandelt. Mittlerweile haben wir eine eigene Entwicklungsabteilung aufgebaut, die sich ausschließlich um das Thema Smartphone kümmert.«
Nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Huawei wurde diese Entwicklungsabteilung von anderen Handyherstellern umschwärmt. »Es gab auch den einen oder anderen, der gesagt hat, ›Wir würden gerne einfach euer Logo einkaufen‹«, sagt Eschweiler. Bei der Kooperation mit Xiaomi bringe Leica nun aber seine »Expertise in die Entwicklung der Kameramodule und im Bereich Image Processing ein.« Mehr kann das mittelständische Unternehmen nicht leisten. »Wir produzieren in der Kooperation mit Xiaomi keine Komponenten«, erklärt der Manager. Für die Stückzahlen, die das chinesische Unternehmen benötigt, wäre Leica zu klein.
Das Design – ein bisschen fein
Dass Xiaomi Wert darauf legt, nach außen zu transportieren, mit wem die Kameras entwickelt worden sind, ist an dem Leica-Schriftzug zu erkennen, der auf dem klotzigen Kameraaufbau im Rücken des 13 Pro prangt. Ansonsten aber hat Xiaomi nichts von Leicas Design-DNA übernommen, bemüht sich auf ähnliche Weise um einen edlen Look wie Samsung beim Galaxy S23 Ultra (hier unser Testbericht).

Die Rückseite besteht aus Keramik, die leider blank poliert wurde und dadurch Fingerabdrücke anzieht
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGELSo ist das Gehäuse an den Seiten leicht abgerundet, der Bildschirm geht sanft in den Rahmen über. Schön sieht das aus und fühlt sich auch gut an. Praktischer sind aber flache Displays, die bis zum Rand hin nutzbare Fläche bieten. Wobei es für den Bildschirm ansonsten nur Lob geben kann. Mit 6,7 Zoll ist er sehr groß, hat mit 3200 mal 1440 Pixeln eine sehr hohe Auflösung, kann sehr hell leuchten und mit 1 bis 120 Bildern pro Sekunde sowohl sehr reaktionsschnell als auch sehr sparsam sein.
Nur 50 Megapixel?
Was mir bei meinem Testgerät zuerst auffiel, war die Hauptkamera mit »nur« 50 Megapixeln. Schließlich protzt nicht nur Samsungs Galaxy S23 Ultra mit einer viermal so hohen Auflösung, auch Xiaomis 12 T Pro war schon mit einem 200-Megapixel-Fotochip bestückt. Macht der chinesische Hersteller einen Schritt rückwärts?
Offenbar hatte Leicas Entwicklerteam bei dieser Entscheidung ein Wort mitzureden. »Nach unserer Meinung sind ultrahohe Auflösungen in Smartphones nicht erstrebenswert«, sagt Marius Eschweiler. Folge man der Logik der Branche, müssen sonst nach 200 Megapixeln 400 Megapixel kommen, »weil doppelt so viele ja doppelt so gut sein müssten.« Die Rechnung gehe aber nicht auf. Je mehr Pixel man auf derselben Fläche zusammenlegen würde, desto kleiner müssten die auch sein. Das bringt Nachteile mit sich: »Jedes einzelne Pixel kann deutlich weniger Photonen einfangen. Das ergibt negative Effekte, die ich dann wieder aus dem Bild herausrechnen muss.«
Das Ergebnis: Alle drei Kameras im Rücken des Xiaomi 13 Pro verfügen über Fotochips mit 50 Megapixeln. Allerdings sind diese Megapixel unterschiedlich verteilt. So steckt nur in der Weitwinkelkamera ein Sony-Chip, der mit einem Zoll, was einer Diagonale von 16 Millimetern entspricht, für ein Smartphone sehr groß ist. Von welchen Herstellern die Fotochips der Ultraweitwinkelkamera und der 3,2-fach zoomenden Telekamera stammen und wie groß sie sind, verrät das Unternehmen nicht.

Testfotos vom Xiaomi 13 Pro
Dessen ungeachtet können es meine Testfotos qualitativ mit den Bildern aufnehmen, die ich vor Kurzem mit Samsungs Galaxy S23 Ultra aufgenommen habe. Besonders gut gelingen dem Xiaomi 13 Pro Aufnahmen, bei denen ein Objekt vor einem weichgezeichneten Hintergrund festgehalten werden soll, wie bei einer Spiegelreflexkamera. Nahaufnahmen profitieren zudem von einer, wie es Leica ausdrückt, »Floating-Element-Technologie«. Die ermöglicht es, die Linsen in der Telekamera zu bewegen. So kann man Objekte fixieren, die nur zehn Zentimeter vor der Linse stehen. Makrofotografie ist das nicht, aber schon recht nah dran.
Leicas »Coca-Cola-Rezept«
So wie außen prangt auch in der Kamera-App der Leica-Schriftzug. Tippt man darauf, hat man die Wahl zwischen zwei Bildmodi, die als »Leica Authentic« und »Leica Lebendig« bezeichnet werden. Sie produzieren vollkommen unterschiedliche Bildeindrücke und sind Teil dessen, was das hessische Unternehmen zu den Kameras beigetragen hat.


Links eine Aufnahme im Modus »Leica Authentic«, rechts dasselbe Bild im Modus »Leica Lebendig« aufgenommen
Diese beiden Modi sollen den Fotos einen »Leica-Look« verpassen, wie Eschweiler erklärt: »Ich bin überzeugt, dass wir uns mit unserer Bildsprache, also damit, wie wir Bilder letztlich ausgeben, von anderen unterscheiden. Das heißt nicht, dass wir da besser sind oder andere schlechter. Wir haben einfach unseren Style. Das ist so eine Art Coca-Cola-Rezept, mit dem wir versuchen, den Geschmack, den unsere Verbraucher nachgewiesenermaßen haben, zu treffen. Und das versuchen wir auch in die Smartphone-Fotografie zu transportieren.«
Um das zu erreichen, sollen Algorithmen den Eindruck simulieren, »den man gewinnt, wenn man zum Beispiel mit einer klassischen Kamera und einem großen Objektiv mit offener Blende ein Bild geschossen hat«. Damit das funktioniert, habe man bei Leica beispielsweise die Eigenschaften bestimmter Kameraobjektive bestimmt, indem man »etwa den Verlauf von Schärfe zu Unschärfe oder die Wiedergabe von Spitzlichtern im unscharfen Bereich« vermessen und diese Daten in Algorithmen übertragen hat. Das Ergebnis sind eine Reihe von Filtern, die Fotos einen bestimmten Look verleihen.

Leica-Filter im Xiaomi 13 Pro
Leistung für Jahre
Um Leicas »Coca-Cola-Rezept« für Fotos umsetzen zu können, ist allerdings viel Rechenleistung nötig, die ein Snapdragon-8-Gen2-Chip liefern soll. Derselbe Chip steckt auch in Samsungs Galaxy-S23-Serie, ist dort aber einen Hauch schneller getaktet. Spürbar ist der Unterschied freilich nicht, bestenfalls in Benchmark-Apps feststellbar.
Im Alltag dürfte das 13 Pro daher auf absehbare Zeit genügend Leistung für alles haben, was man ihm abverlangen könnte, inklusive Spielen sowie einfacher Bild- und Videobearbeitung. »Auf absehbare Zeit« heißt hier aber auch, dass die Leistung für die drei von Xiaomi versprochenen großen Betriebssystem-Updates ausreichen sollte. Da auf dem Handy Android 13 läuft, soll also auch noch Android 16 dafür bereitgestellt werden. Sicherheitsupdates will das Unternehmen fünf Jahre lang liefern.
Ein kräftiger Schluck aus der Stromleitung
Ein Bereich, in dem das Xiaomi 13 Pro die Konkurrenz regelrecht vom Tisch fegt, ist die Ladegeschwindigkeit. Während andere Handyhersteller ihren Geräten schon lange keine Netzteile mehr beilegen, steckt hier ein Ladegerät mit der Aufschrift »120W« im Karton. Und die ist ernst gemeint, das Netzteil liefert bis zu 120 Watt, sechsmal so viel wie Apples USB-C-Netzteil . Diese Leistung saugt das Smartphone zwar nicht aus der Leitung, lässt sich aber immerhin mit etwas mehr als hundert Watt betanken, zumindest anfangs.
Wie bei solchen Geräten üblich, fällt der Ladestrom nach wenigen Minuten ab, die Geschwindigkeit, mit der der Akku aufgeladen wird, bleibt aber auf Spitzenniveau. In meinem Test war der Stromspeicher nach fünf Minuten von 0 auf 17 Prozent aufgefüllt, nach 15 Minuten waren es 60 Prozent und nach 27 Minuten meldete das Xiaomi einen vollen Akku. In derselben Zeit kommen Samsung und Apple nur auf Bruchteile dieser Werte.
Wenn der Akku also leer ist, muss man nicht lange warten, bis er wieder voll ist – zumindest wenn man das mitgelieferte Netzteil verwendet, weil Xiaomi hier eine eigene Technik verwendet. Mit anderen Ladegeräten läuft das Aufladen nicht ganz so schnell wie mit dem Xiaomi-Ladegerät.
Letztlich bleibt die Frage, wie häufig man diese Geschwindigkeit benötigt. In den gut elf Tagen, die ich das Gerät bisher benutzt habe, hielt der Akku stets lässig einen Tag lang durch, hatte auch am folgenden Morgen noch genug Energie für ein paar Stunden. In denen konnte ich das 13 Pro geruhsam kabellos aufladen, was theoretisch mit maximal 50 Watt möglich ist, sofern man ein entsprechendes Ladegerät besitzt. In umgekehrter Richtung kann es andere Geräte kabellos mit maximal zehn Watt aufladen, sofern man »Umgekehrtes kabelloses Laden« aktiviert hat.
Fazit
Chapeau, das hat geklappt: Durch die Zusammenarbeit mit Leica hat Xiaomi für das 13 Pro ein Kamerasystem bekommen, das es qualitativ mit dem Galaxy S23 Ultra aufnehmen kann. Dazu passen auch die hohe Leistung und der hervorragende Bildschirm. Herausragend ist allerdings auch der Kameraaufbau, das hat Samsung eleganter gelöst.
Wenig elegant ist auch die MIUI genannte Oberfläche, die Xiaomi dem Android-Betriebssystem überstülpt. Selbst nachdem ich stundenlang im »Themen«-Shop des Handys gestöbert habe, ist mir keine Designvariante aufgefallen, der ich das Prädikat »schön« zuordnen würde. Ich bin eben keine 14 Jahre mehr. Aber mit 14 Jahren hätte ich mir auch kein Smartphone leisten können, das mit 256 GB Speicher 1299 Euro kostet.
Hintergrund: Produkttests im Netzwelt-Ressort
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, das Xiaomi 13 Pro sei am 26. Januar präsentiert worden. Tatsächlich wurde es am 26. Februar vorgestellt. Zudem hatten wir die Größe des Bildsensors der Hauptkamera mit einer Diagonale von einem Zoll angegeben. Tatsächlich haben 1-Zoll-Sensorchips eine Diagonale von 16 Millimetern. Wir haben diese Fehler korrigiert.