Reviews mal anders Er spielt - sie kommentiert

Matt und Shelby sind das Duo hinter Girlfriend Reviews
Foto: YouTubeDie Welt der Spiele hat sich weitergedreht: Während die digitalen Schauplätze größer, bunter, abwechslungs- und einfallsreicher geworden sind, hat sich auch unser Blick auf Spiele gewandelt. Wo früher vor allem Wertungstabellen, Spielspaßkurven und Technikchecks die Gespräche über das Medium beherrschten, gibt es heute viele ungewöhnliche Linsen, durch die Videospiele gesehen und besprochen werden können. Fünf davon stellen wir hier vor.
Girlfriend Reviews: Er spielt, sie redet
Die Idee von "Girlfriend Reviews" ist schnell erklärt: Shelby schaut ihrem Freund Matt dabei zu, wie er ein Videospiel spielt - und bastelt aus diesen Eindrücken dann ein Review.
Durch ihre Rolle als Zuschauerin macht Shelby losgelöst von klassischen Wertungskategorien immer wieder Beobachtungen, die dem Spieler selbst gerne entgehen: Von der fast zwanghaften Dauerbeschäftigung in Open-World-Games bis hin zu auffälligen Frisuren von Nebenfiguren. Nicht zuletzt vergleicht sie Spiele in Hinblick auf ihren Unterhaltungswert für Zuschauer, die - wie sie selbst - nicht zum Controller greifen.
Das Konzept führt oft zu witzigen Reviews: Als Matt beispielsweise minutenlang vom Actionspektakel Ghost of Tshushima schwärmt, fällt ihm schließlich mit einer kurzen und trockenen Bewertung ins Wort: "Das ist ein Spiel für Menschen, die krankhaft und pausenlos beschäftigt sein müssen."
Die Videos von Girlfriend Reviews sind informativ, humorvoll und bieten sowohl für Spieler wie für nur oberflächlich interessierte Menschen einen Mehrwert. Mittlerweile streamt "Girlfriend Reviews" auch immer häufiger live auf Twitch, wo die Videos eher Situationskomik bieten statt der aufwändig produzierten Videos auf YouTube. Die mittlerweile über eine Million Abonnenten genießen beide Seiten von "Girlfriend Reviews" - und finanzieren auf der Crowdfunding-Plattform Patreon neue Videos und Livestreams.
Noclip: Die Profi-Dokumentarfilmer
Mit seinem Projekt Noclip macht der Journalist Danny O'Dwyer sichtbar, was jahrzehntelang von der Spielepresse ausgeblendet wurde: Die Arbeit und Opfer von Entwicklerteams, die mit Deadlines, Zeitdruck, Überstunden und Budgetplanungen herumschlagen müssen, bevor ein Spiel überhaupt erscheinen kann.

Die bunte Welt der Spielekritik
Mit seinen Dokumentationen und Interviews rückt O'Dwyer diese oft dramatischen Geschichten in den Vordergrund, lässt seine Gesprächspartner von Tiefpunkten, aber auch Triumphen erzählen. Die Einstiegshürde für Interessierte ist dabei niedrig: Immer wieder reichert O'Dwyer seine Videos mit Moderationen und Kontext an, die es auch Nichtspielern ermöglichen, den Geschichten der Entwickler zu folgen.
Mittlerweile produziert O'Dwyer mit seinem Noclip-Team seit über vier Jahren die aufwändigen Dokumentationen, die sich in der Vergangenheit um die größten Titel der Spielewelt, aber auch Erstlingswerke und Geheimtipps drehten: Von Fallout bis zu Hades und Don't Starve sind alle Facetten der Spielebranche hier versammelt.
Guided Tour: Ein Game Designer spielt vor
Marcel-André Casasola Merkle ist ein deutscher Entwickler und Spieleautor, der auf YouTube ein besonderes Projekt gestartet hat: Mit seinen "Guided Tours" bietet Casasola Merkle geführte Rundgänge durch die Schauplätze von digitalen Spielen an. Dabei kommentiert er Rätsel, Levelarchitektur, Charakterdesign und andere Details aus der Perspektive eines Game Designers.
Neben den kommentierten Führungen versucht sich der Entwickler auch immer wieder an interessanten Experimenten. Besonders erwähnenswert ist das neunmalige Durchspielen eines Levels aus The Last Of Us 2 um herauszufinden, wie weit der Spieler mit ganz unterschiedlichen Spielstilen wirklich kommt - vom geschickten Schleichen bis zum aggressiven Frontalangriff.
Value: Archäologen am Controller
Die historische Menschheitsgeschichte gehört seit den 1980er Jahren zu den beliebtesten Schauplätzen des Mediums: Vor allem das europäische Mittelalter, aber auch das Zeitalter des Kolonialismus und die Antike dienen Entwicklern immer wieder als wichtigste Inspirationsquelle für Geschichten, Charaktere und Architektur. Das fasziniert nicht nur Spieler, sondern seit einigen Jahren auch Historiker und Archäologen, die immer häufiger Kelle und Grabungspinsel durch Controller und Notizzettel ersetzen. Sie wollen erforschen, wie Entwickler mit der Geschichte umgehen, wo sie Fakten durch künstlerische Freiheit ersetzen und wie sie historische Ereignisse spielbar machen.
Um diese Beobachtungen mit möglichst vielen Menschen zu teilen, hat die niederländische Universität Leiden das VALUE-Projekt gegründet: Spielvernarrte Archäologen und Historiker erkunden hier regelmäßig digitale Welten und kommentieren, was ihnen auffällt. Mal geht es um Architektur, mal um die Darstellung von Barbaren, mal um die Frage, wie die Alten Ägypter nun wirklich ihre Pyramiden gebaut haben.
First Five: Reviews für Zeitsparer
Zeit ist ein kostbares Gut, aber vielen Spielentwicklern scheint das egal zu sein: Gigantische Spielwelten, die auch nach 60 Stunden noch weiße Flecken zeigen, gehören zum Standard der Branche. Besonders aber ältere Spieler, die ihre Zeit am Bildschirm mit ihrem Beruf oder Familienleben vereinbaren müssen, wünschen sich immer häufiger kürzere Abenteuer, die nach einigen wenigen Stunden abgeschlossen werden können.
Für sie ist der YouTube-Kanal First Five eine wichtige Anlaufstelle: Hier werden Spiele vorgestellt, die nur selten mehr als zehn Spielstunden einfordern. Die Videos sind dabei ein inhaltlicher Rundumschlag: Wesentliche Aspekte der Story werden ebenso vorgestellt wie spielmechanische Besonderheiten, die es wert machen, kostbare Zeit in ein Spiel zu investieren - oder es eben lieber sein zu lassen.
All das läuft unter dem Motto, das "First Five" in jedem seiner Videos wiederholt: "Hier geht es um die Frage, ob Spiele eure Zeit wert sind - nicht euer Geld."