
"Battlefield 1" im Test Darf der Erste Weltkrieg echt Spaß machen?

Einsatz in "Battlefield 1"


Luftschlacht in "Battlefield 1"
Spoiler-Hinweis: Dieser Artikel fasst grob zusammen, um was es in der Kampagne von "Battlefield 1" geht.
"Was folgt, sind Frontkämpfe. Du wirst vermutlich nicht überleben": "Battlefield 1" wirft seine Spieler direkt ins Chaos. 1918, irgendwo in Frankreich, die Deutschen kommen. Die Mission: durchhalten, koste es, was es wolle. Stirbt der Spieler, erscheint kurz ein Name mit Jahreszahlen. David Lafayette, 1895-1918. Dann geht es mit dem nächsten Soldaten weiter. Joseph Anderson, 1897-1918.
Als Electronic Arts im Frühjahr "Battlefield 1" ankündigte, war die Begeisterung groß. Fans der Serie freuten sich über das unverbrauchte Szenario, weit weg vom Einerlei futuristischer Militär-Shooter. Doch es gab auch kritische Stimmen: Der Erste Weltkrieg als Spiel? Dieses Massensterben in schlammigen Schützengräben? Ohne das Gut-und-Böse-Schema, das den Zweiten Weltkrieg nicht weniger schrecklich, aber leichter erzählbar macht? Ohne den Weichzeichner der Fiktion, hinter dem sich die Vorgänger verstecken konnten?
Einsatz in "Battlefield 1"
Vom starken Einstieg zum normalen Shooter
Der Anfang des Spiels zeigt, dass sich auch die Entwickler von DICE solche Gedanken gemacht haben. Selten hat ein Shooter eine seiner typischen Mechaniken - die endlose Abfolge von Sterben und Auferstehen - so eindrucksvoll genutzt. Kurz, knapp und hart zeigt "Battlefield 1", wie wenig ein Menschenleben damals wert war.
Diesen Tonfall kann und will das Spiel nicht durchhalten. "Battlefield 1" ist kein persönliches Indie-Spiel wie "This War of Mine" und kein Experiment wie "Valiant Hearts" - Titel mit kleineren Budgets, die sich dem Thema Krieg mit ganz anderer Haltung nähern können.
"Battlefield 1" ist ein teurer Shooter eines großen Unternehmens, entwickelt für den Massenmarkt: Bei allem Respekt vor seinem Szenario muss das Spiel vor allem Spaß machen - und das am besten möglichst vielen Spielern und möglichst langfristig.
Keine Helden, sondern ganz normale Soldaten
In der Kampagne verliert das Spiel seine distanzierte Grundhaltung aber nie ganz aus den Augen. Statt einer zusammenhängenden Geschichte gibt es hier fünf unabhängige Episoden, alle etwa ein bis zwei Stunden lang und in beliebiger Reihenfolge spielbar.
In allen Szenarien erlebt der Spieler den Krieg aus Sicht der Alliierten - deutsche Protagonisten gibt es in der Kampagne nicht. Und selbst Russland und Frankreich, zwei Hauptakteure des Ersten Weltkriegs, spielen rätselhafterweise kaum eine Rolle.
Trotzdem gelingt das Spiel mit verschiedenen Perspektiven, weil es den Krieg auf persönliche Schicksale herunterbricht. Die Hauptfiguren der fünf Szenarien wollen den Krieg in der Regel nicht gewinnen, sondern nur überleben. Tiefschürfende Dramen dürfen Spieler nicht erwarten, trotzdem funktionieren die simplen Geschichten ganz gut. Vereinzelt lassen sie sogar Raum für leise Momente - auch wenn die oft kitschig und manchmal unfreiwillig komisch sind.
So vielschichtig die Erzählweise, so abwechslungsreich ist das Spiel: Denn "Battlefield 1" lässt dem Spieler mehr Freiheiten als andere Teile der Serie. Welchen Weg man wählt, ob man lieber schleicht oder ballert - alles Geschmackssache. Wären die computergesteuerten Feinde nicht ganz so dämlich, wäre das vermutlich noch spannender. Aber selbst so ist die Kampagne von "Battlefield 1" deutlich besser als die der vorherigen Spiele der Serie.
Online-Massenschlachten vor historischer Kulisse
Im Lauf der Geschichten darf der Spieler auch in Flugzeuge steigen und Panzer fahren - und ist so nach Abschluss der fünf Geschichten gut vorbereitet auf den Online-Modus. Hier schlägt schließlich das Herz von "Battlefield": In den chaotischen Massenschlachten auf riesigen Karten mit bis zu 64 Spielern und jeder Sorte Kriegsgerät.
Luftschlacht in "Battlefield 1"
Im Mehrspielermodus ist das bedrückende Szenario des Ersten Weltkriegs aber endgültig nur noch bunte Kulisse. Senfgas ist kein menschenverachtender Wahnsinn mehr, sondern eine taktische Option. Ein Bombenhagel wandelt sich von der Horrorvision zum bloßen Spektakel.
Losgelöst von der Historie betrachtet, ist "Battlefield 1" allerdings ein verdammt beeindruckendes Spektakel in einem richtig guten Shooter. Die Schlachtfelder sehen mit Rauch- und Nebelschwaden, wechselnden Wetterbedingungen und Tageszeiten schlicht fantastisch aus, beim Sound bleibt DICE Klassenbester unter den Shooter-Entwicklern. Und das Spielgefühl ist so ausgereift, wie man es vom zehnten Teil einer Serie erwarten darf - "Battlefield 1" fühlt sich schlicht gut an.
Die Frage ist nur, ob es ein Pluspunkt ist, wenn sich Kriegt gut anfühlt.
"Battlefield 1" für Playstation 4, Xbox One und PC, ca. 60 Euro
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Die letzten Überlebenden: Schon ganz zu Beginn des Spiels zeigt "Battlefield 1" eindrucksvoll, wie ernst die Entwickler das Szenario nehmen.
Fünf Mini-Kampagnen stehen im Einzelspieler-Modus zur Auswahl, eine zusammenhängende Geschichte gibt es nicht. Der Spieler entscheidet, welches Szenario er zuerst erlebt.
Wohin zuerst? Im Gegensatz zu den Vorgängern lässt "Battlefield 1" seinem Spieler viele Freiheiten. Schlauchlevel, die ihn gezielt in eine Richtung führen, gibt es zwar auch - sie sind aber klar in der Unterzahl.
Die Charaktere der Kampagne sind keine strahlenden Helden, sondern ganz normale Menschen. Der italienische Soldat Luca Cocchiola sucht zum Beispiel im Chaos einer Alpenschlacht nach seinem verschollenen Bruder.
Alpen-Panorama: Auch Flugstunden wie diese gehören zur Solospieler-Kampagne. Dank der simplen Steuerung kommen auch Einsteiger schnell mit den klapprigen Doppeldeckern zurecht.
Hinter feindlichen Linien: Schleichen und verstecken ist in vielen Szenarien besser als stumpfes Ballern. Allerdings lassen sich die computergesteuerten Gegner dabei viel zu leicht austricksen.
Detailverliebte Grafik: "Battlefield 1" simuliert sogar den Schlamm, der sich im Lauf der Zeit auf einer Waffe sammelt. Spielerische Auswirkungen hat er aber nicht.
Über den Wolken: Vor diesem dramatischen Hintergrund spielt sich die größte Luftschlacht in "Battlefield 1" ab, in der es der Spieler mit zahlreichen Bombern und Zeppelinen aufnehmen muss.
Meter für Meter durch den Schlamm: Im vielleicht besten Kapitel der Kampagne begleitet der Spieler eine Panzerbesatzung, die es weit hinter die feindlichen Linien verschlägt.
Krieg im Paradies: Auch die Schlacht von Gallipoli ist ein Schauplatz der Kampagne. Hier muss der Spieler zunächst gar nicht kämpfen, sondern als Bote mitten durchs Schlachtgetümmel rennen.
Nacht in der Wüste: Das fünfte Kapitel der Kampagne spielt im Nahen Osten. Als Guerillakämpferin an der Seite von Lawrence von Arabien soll der Spieler den Vormarsch der Osmanen stoppen.
Multiplayer-Chaos: Im neuen Operationen-Modus können bis zu 64 Spieler an historischen Schlachten teilnehmen.
Kampf in Etappen: Schauplatz der Operationen sind gigantische Karten mit mehreren Abschnitten. Gewinnt eine Partei die Auseinandersetzung dort, verschiebt sich das Kampfgeschehen weiter in Richtung ihres Ziels.
Mit bis zu 64 Spielern, Panzern, Pferden, Motorrädern und anderem Kriegsgerät sind die Mehrspielergefechte ein echtes Spektakel. Historisch korrekt geht es dort allerdings kaum zu.
Zu Land und in der Luft: Wer aufs Rennen, Ducken und Schießen keine Lust mehr hat, schnappt sich Multiplayer-Modus von "Battlefield 1" einfach ein Flugzeug und versucht, das Kampfgeschehen von oben zu beeinflussen.
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