Einstiges Kultspiel "Blobby Volley" Volley-Wahnsinn im Computerraum

Duell in "Blobby Volley"
Kostenlos, schnell heruntergeladen, sofort verstanden: "Blobby Volley" scheint wie gemacht dafür, Rechner binnen Sekunden in Spielemaschinen zu verwandeln. Wenn eine Schulklasse kurz nach der Jahrtausendwende einen Computerraum betrat, war die Chance groß, dass einige Schüler sich dort nicht wie abgesprochen über Dinge Photosynthese informierten, sondern lieber ein paar Bälle übers Netz schmetterten - im vielleicht simpelsten Volleyball-Simulator der Welt.
"Blobby Volley" lief und läuft quasi auf jedem PC, spielen kann man es zu zweit an einer Tastatur. Links, rechts und Sprung - mehr Steuerungsmöglichkeiten brauchte das Minispiel nicht, um zum Hit zu werden.
Wenn der Lehrer oder der Professor im Rechnerraum der Uni kurz mal wegguckte, war das Spiel flugs aufgespielt: Es war nur einen Megabyte groß. Trotzdem waren in "Blobby Volley" sogar Matches über zwei verbundene Rechner hinweg möglich, was ihm auch auf Lan-Partys Kultstatus bescherte.
Vier Monate Arbeit
Hinter dem Gaming- und Internetphänomen steckten die Entwickler Daniel Skoraszewsky und Silvio Mummert aus Brandenburg. Mit Anfang 20 studierte Skoraszewsky Informatik, während sein Freund eine Weiterbildung zum Mediendesigner absolvierte.
"Blobby Volley" sei unter anderem aus dem Wunsch heraus entstanden, nicht ständig gegen Skoraszewsky in "Arcade Volleyball" zu verlieren, erinnert sich Mummert. Die Ballphysik dieses älteren Spiels sei "bescheiden" gewesen, zudem sei es nur lokal, also nicht in Netzwerken spielbar gewesen.
Die Entwicklung von "Blobby Volley" begann im Juli 2000. Passend zu ihren Berufsinteressen übernahm Skoraszewsky das Coden und Mummert fokussierte sich ganz auf die optische Gestaltung. Etwa vier Monate später war die Version 1.0 des Spiels fertig, einige Updates sollten noch folgen.
"Damals im Jahr 2000 war das Internet noch ganz anders strukturiert als heute", sagt Mummert. "Um die Software zu verteilen, haben wir sie einfach auf unsere Internetseiten gestellt und sie über Monate hinweg in allen möglichen Suchmaschinen, Katalogen und Softwareseiten eingetragen."
Plötzlich auf Magazin-CDs
Das Konzept ging auf: "Blobby Volley" wurde populär und zum Selbstläufer. Mummerts eigene Website wurde über 700.000 Mal aufgerufen. Und damals noch auflagenstarke Games-Zeitschriften wie die "Computer Bild Spiele" und "PC Games" packten "Blobby Volley" auf ihre Heft-CDs. Manche Magazine fragten vorher um Erlaubnis, andere nicht. An manchen Tagen bekamen die beiden Entwickler über Hundert E-Mails mit Verbesserungsvorschlägen.

Menü von "Blobby Volley"
Professionelle Entwicklerstudios allerdings meldeten sich nicht. An ein paar Projekten wurde noch gearbeitet, wirklich Handfestes ist dabei jedoch nicht entstanden. Bis auf gegenseitige Geburtstagsglückwünsche bestehe auch kein Kontakt mehr zwischen den früheren Programmierpartnern, heißt es von Mummert. Daniel Skoraszewsky lehnte ein Interview zu "Blobby Volley" ab, er sagte, er habe das Interesse an dem Spiel sowie an Videospielen allgemein verloren. Silvio Mummert arbeitet heute nicht als Games-Entwickler, aber als Programmierer für Softwareunternehmen.
Fortsetzungen, Ableger und eine eigene Liga
Die Geschichte von "Blobby Volley" war mit dem großen Hype noch nicht vorbei. Nach der Veröffentlichung der Version 1.8 gaben Skoraszewsky und Mummert den Quellcode ihres Spiels frei. So entstand aus dritter Hand "Blobby Volley 2", das mehr Funktionen bot, aber insgesamt dem Original sehr ähnelte.
Mehr als 730.000 Mal wurde die Fan-Fortsetzung aus dem Netz geladen. 2005 gründeten passionierte "Blobby Volley"-Spieler sogar eine eigene Liga mit regelmäßigen Turnieren. In den Hochzeiten war die zugehörige Website gut besucht. Zwischen 10 und 50 Spieler und Spielerinnen sollen immer für ein Match bereitgestanden haben, sagt Tarik Al Mashni alias "Nightmaster", der damals zu den aktivsten Ligaspielern gehörte.
Die eingeschworene Gruppe erreichte bald ein Niveau, dass die Macher wohl nicht vorausgeahnt hatten. Die Ballphysik von "Blobby Volley" war sehr rudimentär und für geübte Spieler irgendwann sehr vorhersehbar. Partien wurden daher meistens darüber entscheiden, wer als erstes die Konzentration verlor. Das legendärste Turnierfinale der Ligageschichte habe fast zehn Stunden gedauert, erzählt Tarik Al Mashni.
Hundert Spieler pro Tag
Heute wirkt die "Blobby Volley"-Liga wie ausgestorben - und es gibt Alternativen zum Klassiker. So haben manche Fans ganz eigene Versionen des Spiels kreiert, wie das vollständig in 3D umgesetzte "BlubVolley", eine Tennis-VR-Fassung und eine komfortable Browservariante.
Der Medieninformatiker Philipp Rixner erweiterte für "Blobby Online" das simple Spielprinzip um Items, die Einfluss auf die Spielfiguren oder das Feld nehmen können. Für die Entwicklung kündigte er sogar seinen Job und legte sich etwas Geld zurück. Nachdem die Geldreserven nach fünf Monaten ausgingen, finanzierte er sein Herzensprojekt von seinem Einkommen als Freiberufler.
Im Schnitt spielen heute pro Tag noch an die hundert Nutzer "Blobby Online", sagt Rixner, die Serverkosten liegen für ihn bei 400 Euro im Jahr. Trotz des überschaubaren Interesses soll das Projekt aber weiter im Netz bleiben. Rixner sagt, es sei ein "sehr schönes und befriedigendes Gefühl, etwas Eigenes geschaffen zu haben, das dann auch wirklich von anderen Leuten genutzt wird und an dem andere Leute Spaß haben".
Wie viele Menschen "Blobby Volley" jemals gespielt haben, kann selbst der ursprüngliche Entwickler Silvio Mummert nicht wirklich einschätzen. In den Millionenbereich dürften die Downloadzahlen des Spiels aber schon gehen, meint er.
Die Entscheidung, sein Werk kostenlos anzubieten, bereut der Brandenburger übrigens nicht. "Das Spiel war für damalige Verhältnisse recht hochwertig, es gab keinen Grund, andere nicht daran teilhaben zu lassen", sagt Mummert. "Wir haben dann, wie viele andere Entwickler, den üblichen Weg gewählt, Freeware in Umlauf zu bringen."
Viele Schüler dürften Mummert dafür dankbar gewesen sein - die Lehrer wohl eher weniger.