Detektive, Geister, böse Viren Zehn Familienspiele zu Weihnachten

Hendrik Breuer
Die Spielebranche hat in diesem Jahr schon Monate vor dem sonst so wichtigen Weihnachtsgeschäft Absatzrekorde vermeldet. Den langen Coronaferien in den eigenen vier Wänden sei Dank. Nun steht also auch das Fest der Feste vor der Tür, allerdings im eher kleinen Kreis. In vielen Haushalten dürfte der Appetit auf Gesellschaftsspiele immer noch ungebrochen sein. Was soll man auch sonst mit den Lieben in den Tagen »zwischen den Jahren« so machen?
Schöne Spiele für Kinder unter acht Jahren haben wir bereits vorgestellt. Die bereits im Sommer ausgezeichneten »Spiel des Jahres 2020«, »Kennerspiel 2020« und alle Mitnominierten sind selbstversändlich auch jetzt noch einen Blick wert.
Weitere zehn Familienspiele, die Erwachsenen und älteren Kindern gleichermaßen Spaß bereiten, stellen wir in der folgenden Fotostrecke und darunter im Detail vor.

»MicroMacro Crime City«
»Wimmelbild: Das Spiel« könnte man bei einem Blick auf »MicroMacro Crime City« fast meinen. Bei diesem Spiel lösen alle gemeinsam Kriminalfälle auf einem 75 mal 110 Zentimeter großen, kleinteilig bedruckten Cartoon-Stadtplan. Jeder der 16 Fälle lässt sich durch intensives Studium des Plans lösen, allerdings muss man genau hinschauen, teilweise durch die mitgelieferte Lupe, und gut kombinieren. Mithilfe von Kartensätzen werden die Spielenden durch die Fälle geleitet. Auf den Karten finden sie alle Fragen (und auch die notwendigen Antworten, wenn man mal feststeckt). »MicroMacro« kann man ohne jeden Vorlauf spielen, gute Beleuchtung wird allerdings benötigt, da die Details auf dem schwarz-weißen Stadtplan entscheidend für den Erfolg im Spiel sein können.
Für wen ist das was?
Eigentlich ist »MicroMacro« das perfekte Spiel für die Weihnachtstage: Es ist neuartig, schnell erklärt und alle können mitmachen, inklusive jüngerer Kinder ab acht Jahren. Allerdings sind einige der klamaukigen Fälle für die Zielgruppe etwas ungewöhlich gestaltet. So sollten mitspielende Kinder zumindest ansatzweise verstehen, was es mit Eifersucht, Golddiggern und Drive-by-Shootings so auf sich hat und warum diese zu Mord führen können.
MicroMacro: Crime City von Johannes Sich, Edition Spielwiese/Pegasus Spiele, 1-4 Spieler ab 8 Jahren, ca. 25 Euro.
»Escape the Room: Das verfluchte Puppenhaus«
Während »MicroMacro« am besten als Rätsel-, vielleicht auch als Detektivspiel zu bezeichnen ist, so ist es doch kein echtes Escape-Raum-Spiel. Dieses populäre Genre wird an dieser Stelle von »Escape the Room: Das verfluchte Puppenhaus« vertreten, bei dem man nicht bloß aus einem Raum entkommen muss, sondern aus gleich fünf. Dazu hat man sich bei diesem Spiel etwas ganz Besonderes ausgedacht: Aus der Spieleschachtel wird ein 3D-Puppenhaus mit besagten fünf Räumen, in denen das Spiel stattfindet. Gut zwei Stunden sind halbwegs erfahrene Escape-Raum-Gruppen mit diesem Spiel beschäftigt. Danach ist es übrigens nicht kaputt, sondern kann wieder zusammengesetzt und an eine andere Gruppe weitergegeben werden.
Für wen ist das was?
Die Gruppe der Escape-Raum-Freundinnen und -Freunde ist während der Covid-Zeit sicher noch weiter gewachsen, denn auch wenn die physischen Räume geschlossen sind, gibt es haufenweise wohnzimmertaugliche Varianten. »Puppenhaus« fügt dem Genre etwas Neues hinzu, das sicherlich einen gemütlichen Abend lang gute Unterhaltung bietet. Für wirklich kleine Kinder ist das nichts, aber Zehn-, Zwölfjährige können schon miträtseln.
Escape the Room: Das verfluchte Puppenhaus von Nicholas Cravotta und Rebecca Bleau, ThinkFun/Ravensburger, 1-4 Spieler ab 13 Jahren, ca. 35 Euro.
»Spukstaben«
Ein Wortspiel darf zu Weihnachten natürlich nicht fehlen und über »Spukstaben« wird auch garantiert kein Familienstreit um die Gültigkeit von ausgefallenen Wörtern ausbrechen. »Spukstaben« spielt man nämlich gemeinsam (oder auch mal ganz alleine). Es geht darum, Wörter aus Buchstaben zu bilden, und so zu verhindern, dass Geister die Buchstaben klauen. Klingt konzeptionell nicht wirklich überzeugend, hat aber zu dem schönen Kalauer im Spieletitel geführt. Für das Spielerlebnis ist die Geschichte eh unerheblich, da es immer darum geht, innerhalb von einer Minute Wörter aufzuschreiben, in denen viele der Buchstaben vorkommen. Alle knobeln kurz alleine, bis dann gemeinsam geschaut wird, wie oft und in wievielen verschiedenen Wörtern die Buchstaben verwendet wurden. Eine Partie besteht aus zehn solcher Runden, so dass »Spukstaben« auch angenehm schnell vonstatten geht.
Für wen ist das was?
»Spukstaben« funktioniert gut im Familienkreis. Selbst Drittklässler können mitmachen, sie bilden einfach kürzere Wörter. Da alle gemeinsam spielen, fällt dann auch gar nicht auf, dass die meisten Erwachsenen dies um einiges besser können, und man kann sich zusammen freuen, wenn alle Buchstaben gerettet wurden.
Spukstaben von Moritz Dressler, Nürnberger-Spielkarten-Verlag, 1-4 Spieler ab 10 Jahren, ca. 15 Euro.
»Red Outpost«
»Red Outpost« ist ein günstiges Spiel in einer kleinen Schachtel, das sich nach sehr viel mehr anfühlt. Allein schon thematisch: Die Sowjets haben zwar das Space Race zum Mond verloren, dafür aber einen bewohnbaren Planeten entdeckt, den sie jetzt besiedeln. Das funktioniert nach Arbeiter-Einsetz-Mechanik, aber doch anders als in vielen bekannten Spielen dieses Genres, da niemandem irgendwelche Spielfiguren oder Ressourcen gehören. Man muss clever sein, um in diesem alternativen kommunistischen Universum zu glänzen. »Red Outpost« ist nämlich kein kooperatives Spiel und zum Ende hin gilt es dann doch, die anderen ausmanövriert und das Kollektiv am besten zu den eigenen Gunsten genutzt zu haben. Merke: Nur wer die einfältigen Genossinnen und Genossen Spielfiguren gut manipuliert, macht sich gleicher als alle anderen und gewinnt.
Für wen ist das was?
»Red Outpost« ist etwas für erfahrene Spielende, die nach einer neuen Erfahrung jenseits der »Spiel-des-Jahres«-Komplexität suchen. Das ungewöhnliche Thema sollte einen auch nicht abschrecken.
Red Outpost von Raman Hryhoryk, Lifestyle Boardgames/Asmodee, 1-4 Spieler ab 10 Jahren, ca 25 Euro.
»Wildes Weltall«
Unbewohnte Planeten werden auch im Kartenspiel »Wildes Weltall« erforscht. Erstmal geht es allerdings darum, dass die Spielenden eine Crew aus unterschiedlich qualifizierten Tieren und Robotern zusammenstellen, mit denen sie dann möglichst weit entfernte Welten bereisen und dort Credits sammeln. Eine Partie »Wildes Weltall« geht über lediglich zehn Runden. Entscheidend ist, jeden Zug möglichst lukrativ zu gestalten, indem man längere Abfolgen von Bonuszügen und Extras mit Hilfe kluger Kartenauswahl zusammenbaut. Das nennt sich »Engine building« und klingt komplizierter, als es ist.
Für wen ist das was?
»Wildes Weltall« ist ein Spiel für Familien mit Kindern ab zehn Jahren und macht sicherlich auch reinen Erwachsenengruppen Spaß. Für ein halbstündiges Kartenspiel bietet es einige schöne Entscheidungen und spielt sich aufgrund der vielen unterschiedlichen Kartenkombinationen immer wieder etwas anders.
Wildes Weltall von Joachim Thôme, Board Game Circus, 1-5 Spieler ab 10 Jahren, ca 27 Euro.
»Draftosaurus«
Jetzt kommt die Geheimwaffe: Dinos! Das kleine Spiel »Draftosaurus« besteht zu 90 Prozent aus putzigen Holzsauriern, die von den Spielenden nach einfachen Regeln in ihren kleinen Parks angesiedelt werden. Sind jeweils zwölf Riesenechsen platziert, findet eine kurze Wertung statt und der schönste »Jurassic Park« gewinnt. »Draftosaurus« dauert nur eine Viertelstunde und bietet einen interessanten Mechanismus: Die Spielenden halten ihre Dinos verdeckt in der Hand, wählen dann gleichzeitig einen aus für ihren Park und reichen die restlichen Dinos an die Nachbarn weiter. Dieser Mechanismus nennt sich Drafting und kommt in vielen weitaus komplizierten Spielen zum Einsatz. Das Tolle beim Drafting: Alle spielen immer gleichzeitig und es wird nie langweilig.
Für wen ist das was?
»Draftosaurus« ist ein kleines Spiel für zwischendurch, also zwischen Hauptgang und Dessert, Kaffee und Kuchen, »Oh Tannenbaum« und Brandy. Die ganze Familie kann mitmachen und es überfordert wirklich niemanden. Versprochen!
Draftosaurus von Antoine Bauza et al., Board Game Box, 2-5 Spieler ab 8 Jahren, ca. 22 Euro.
»King of Tokyo Dark Edition«
2011 wurde »King of Tokyo« veröffentlicht und als witziges, cartoonhaftes Haudrauf-Spiel bezeichnet. Es machte halt richtig Spaß, mangamäßig eine Stadt in Schutt und Asche zu würfeln und sich mit anderen Monstern um die Vorherrschaft in der Metropole zu balgen. Das Spiel wurde ein kolossaler Erfolg und weltweiter Bestseller mit vielen Erweiterungen. In diesem Jahr wurde »King of Tokyo« noch einmal frisch aufgelegt als »Dark Edition«, die grafisch einiges hermacht. Damit sieht das Spiel wieder zeitgemäß aus und ist für Familien, die den Vorgänger noch nicht kennen, durchaus ein Highlight des Spielejahrgangs. Allzu sensibel sollten die Mitspielenden allerdings nicht sein, da man auch mal selber auf die Birne bekommen kann. Zum Glück dauert eine Partie nie sehr lange, so dass »King of Tokyo« immer zu einer Revanche einlädt.
Für wen ist das was?
»King of Tokyo« ist ein wunderbares Familienspiel, mit dem man auch Kinder zum Spielen animieren kann, die sonst gerne mal an der Konsole zocken. Es geht wild zu, ohne dass es sonderlich brutal oder ernsthaft konfrontativ wäre, dazu ist das Spiel dann doch zu sehr Comic. Einzig Familien, bei denen es schon das Original gibt, sei von der »Dark Edition« abgeraten, dazu sind die verschiedenen Versionen zu ähnlich.
King of Tokyo Dark Edition von Richard Garfield, Iello, 2-6 Spieler ab 8 Jahren, ca. 40 Euro.
»Virus«
Dieses Spiel könnte man für einen opportunistischen Versuch halten, aus dem Coronavirus schnell noch ein Spiel zu machen. Doch so ist es nicht. »Virus« kam schon einige Monate vor der Pandemie auf den Markt. »Virus« ist ein leicht makaberes Kartenspiel, in dem es darum geht, möglichst schnell gesund zu werden, soll heißen: vier funktionstüchtige Organe anzusammeln. Leider versuchen die Mitspielenden ständig, einen mit diversen Viren zu infizieren und die Organe auf diese Weise zu schädigen. Also werden Antikörper gebildet, Impfungen verabreicht und Operationen durchgeführt, bei denen schlechtestenfalls auch mal ein Kunstfehler passiert oder ein Handschuh im Körper vergessen wird. Das ist – man mag es kaum glauben – eine ziemliche Gaudi. Im Kern ist »Virus« nämlich extrem eingängig: Karte spielen oder tauschen, nachziehen, weiter geht es. Schadenfreude und fiese Sprüche kommen dann ganz von alleine.
Für wen ist das was?
»Virus« ist ein Spiel für Spaßvögel und Kartenspiele-Freunde, die sich von der Pandemie nicht unterkriegen lassen wollen. Das Thema muss man mögen, und wer Zartbesaitete in der Familie hat, greift lieber zu etwas anderem. Impfskeptiker besser auch.
Virus von Carlos López, Domingo Cabrero, Santi Santisteban, Game Factory, 2-6 Spieler ab 8 Jahren, ca. 13 Euro.
»Faiyum«
Faiyum ist ein oasenartiges Becken, das bereits im alten Ägypten erstmals zu Ackerland umgewandelt wurde. Die Spielenden helfen mit, dieses Tal dingbar zu machen, um die Gunst des Pharaos zu erhalten. Das klingt nach einer klassischen Brettspielaufgabe, doch mechanisch ist »Faiyum« äußerst interessant. Autor Friedemann Friese hat den Markt aus seinem Bestseller »Funkenschlag« mit einer Drafting-Mechanik kombiniert. So erwirbt man nun Karten, die einen beim Entwickeln helfen. Doch man sammelt diese nicht einfach, spielt sie durch und nimmt sie von einem Nachziehstapel wieder auf die Hand, wie es sonst üblich ist. Stattdessen hat man alle Karten immer zur Auswahl, doch kann einmal abgelegte Karten nur begrenzt wieder zurückholen. So ist das Timing und die Reihenfolge beim Ablegen der Karten entscheidend. Dieses System ist neu und macht »Faiyum« zu einer herausfordernden Angelegenheit.
Für wen ist das was?
»Faiyum« ist ein Spiel für Expertinnen und Experten, die sich gerne in neue Spielmechaniken hineinfuchsen und kein Problem damit haben, ein Spiel mehrfach zu spielen, um Kartenkombinationen und Abläufe immer besser zu verstehen. Wer »Faiyum« allerdings nur ein-, zweimal im Jahr spielt, wird wahrscheinlich kaum tief genug ins Spiel eintauchen, um es wirklich genießen zu können.
Faiyum von Friedemann Friese, 2F-Spiele, 1-5 Spieler ab 12 Jahren, ca. 43 Euro.
»Heaven & Ale«
Auch in »Heaven & Ale« wird Landwirtschaft und Handwerk betrieben, allerdings liegt der Fokus eindeutig auf Hopfen, Gerste, Hefe und Wasser. Experten erkennen sofort: Hier wird Bier gebraut, und zwar nach dem Reinheitsgebot. Optisch und thematisch (Mönche im Mittelalter) ist »Heaven & Ale« ein klassisches Optimierungs- und Legespiel, in dem immer wieder folgenreiche Entscheidungen getroffen werden, was dieses schon etwas ältere Werk zu einem der anspruchsvolleren Spiele auf dieser Liste macht. Doch »Heaven & Ale« ist auch heimelig. Es ist einfach schön, sich abends in all dem Chaos noch einmal für eineinhalb Stunden gemütlich an den Wohnzimmertisch zu setzen und ganz in Ruhe ein leckeres Bierchen zu brauen. Dazu kann man dann ja auch trinken, was man möchte.
Für wen ist das was?
»Heaven & Ale« war mal als »Kennerspiel des Jahres« nominiert, es ist also durchaus etwas für Vielspieler. Die Jury schrieb damals: »Die richtige Ressourcen-Balance und das passende Timing bei den knappen Wertungsmöglichkeiten zu finden, ist eine anregende Aufgabe«. Wer so etwas mag, sollte sich das Spiel ansehen. Es funktioniert übrigens auch zu zweit hervorragend.
Heaven & Ale von Michael Kiesling und Andreas Schmidt, eggertspiele, 2-4 Spieler ab 12 Jahren, ca. 32 Euro.