Emotionen beim Zocken Darum rasten so viele Gamer wegen "Fifa" aus

Beim Fußballspielen auf der Konsole wird es oft laut. Und manchmal fliegen sogar Controller. Warum lässt "Fifa" kaum einen Spieler kalt?
"Fifa 19"

"Fifa 19"

Foto: SPIEGEL ONLINE

Sogar Partner, Eltern oder Nachbarn, die nicht spielen, kennen dieses Geschrei: Seit es Fußballvideospiele gibt, lassen sie Gamer jubeln und wüten. Vor allem "Fifa" versetzt Hunderttausende in emotionale Ausnahmezustände. Dokumentiert werden Ausraster von "Fifa"-Streamern in sogenannten Rage-Compilations .

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Als wir für unser Fußballgames-Buch  recherchierten, berichteten uns "Fifa"-Fans sogar von aus Wut zerschlagenen Ikea-Tischen. Und Sido und Pillath rappten mal : "Ich spiel' 'Fifa' mit meinem Sohn ab und an/Doch verlier' ich, fliegt das Joypad vor den Wohnzimmerschrank."

Warum wühlt "Fifa" Spieler so auf? Und weshalb sehen Googles Suchvorschläge für "Fifa macht ..." so aus?

Google-Suchvorschläge (März 2019)

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Foto: Google

Ein Teil der Antwort ist einfach: Es regt auf, im Fußball besiegt zu werden, und sei es virtuell, weil es der prestigeträchtigste Sport der Welt ist. "Fifa", sein Digital-Pendant, ist Jahr für Jahr das in Deutschland meistverkaufte Videospiel.

"Fifa" ist so eine anerkannte Art des Kräftemessens. Es beeindruckt andere, wenn man es besser beherrscht, anders als vielleicht bei Bauernhof-Simulatoren. Zumal bei "Fifa", im Unterschied etwa zu "League of Legends", auch Nichtspieler sofort erkennen, ob man gut ist. 0:5 und der Partner kommt rein? Da wird man schon mal mitleidig angesehen.

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"Wie schlimm sich das Verlieren anfühlt, hängt vom eigenen Selbstverständnis ab und davon, wie viel Bedeutung man dem guten Abschneiden in einem bestimmten Spiel zumisst", sagt der Games-Forscher Jesper Juul . Er weiß, dass viele Fans seit Jahren "Fifa" spielen - mitunter nur "Fifa". Viel bedeutender geht es nicht.

"Wenn man ein Fußballspiel spielt, ist die Chance hoch, dass man sich einbildet, ein super-leistungsstarker Athlet zu sein", sagt Juul. Dieser Vorstellung nicht gerecht zu werden, tue weh. Bei "Fifa" zu scheitern, sei daher härter als bei "Super Mario".

Keine volle Kontrolle

Im Hüpfspiel liegt es außerdem nur am Spieler, ob Mario scheitert. Bei "Fifa" hat der Spieler Einfluss, aber keine volle Kontrolle: Typischerweise steuert er nur eine Figur direkt, den Rest der Mannschaft - inklusive Torwart - übernimmt der Computer. So passiert Ungeplantes: Räume stehen offen, der Keeper springt am Ball vorbei.

"Fifa" bedeutet Nervenkitzel. Es gibt viel mehr Pfosten- und Lattentreffer als in der Realität und in den Zwölf-Minuten-Partien fallen meist auch mehr Tore: reichlich Potenzial, sich aufzuregen. Ein falscher Tastendruck kann aus einem guten Spiel ein furchtbares machen. Dann kann man auf sich wütend sein - oder auf "Fifa".

"Fifa 19"

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Foto: SPIEGEL ONLINE

Gute Spieler besiegen zwar meist weniger gute. Eine Erfolgsgarantie gibt es jedoch nicht, weil auch Unwägbarkeiten, technische Fehler oder schlechte Onlineverbindungen Partien beeinflussen. Wer viel "Fifa" spielt, lernt, mit Bugs und Zufällen zu leben - oder leidet.

Der Mix aus Können und Chaos hat nur einen Vorteil: Man kann die Schuld an Niederlagen verdrängen. Vielleicht war ja sogar der Controller kaputt?

"Fifa"-Spielen ist heute anders als in den Neunzigerjahren. Das Gameplay etwa verändert sich nicht mehr erst durch das nächste Spiel, sondern alle paar Wochen - durch Onlineupdates. Wer dachte, er habe das Spiel gemeistert, muss umlernen.

Zudem konkurriert man übers Internet mit der ganzen Welt. Die Chance, an bessere Spieler oder Trolle  zu geraten, erhöht das dramatisch, denn früher wurde sich nur im Freundeskreis gemessen.

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Und: Im beliebtesten Spielmodus "Ultimate Team" (FUT) lässt sich in der Hoffnung auf Starspieler echtes Geld investieren - was viele Gamer tun . So geben manche für "Fifa" viel mehr aus als nur den 60-Euro-Kaufpreis. Das kann den Blick auf Leistung und Ergebnisse verzerren - und Spielern ihre Lockerheit nehmen. Selbst wer den Zusatzkäufen widersteht, fragt sich vielleicht: "Wie viel hat mein Gegner investiert?"

Dass "Fifa" mittlerweile ein E-Sport ist und dass man sich für Turniere mit Preisgeld qualifizieren kann, lädt viele Partien zusätzlich mit Bedeutung auf. Probleme, die man früher beim Spielen im Freundeskreis weglachte, führen jetzt dazu, dass sich mancher Profi-Gamer um seinen Job sorgt .

Die Gefühle müssen raus

All das Geschrei beim Zocken ist also ein Stück weit verständlich, zumal "Fifa" die Emotionen vom Fußballschauen aktiviert: Über Fouls empört man sich, über Tore wird gejubelt oder geschimpft. Die Gefühle müssen raus.

Manche Schreie haben tieferen Sinn: Sie dienen dem Frustabbau oder putschen auf. Manchmal ist das Gewüte aber auch ein Hilfeschrei: "Warum spiele ich überhaupt, wenn ich mich nur aufrege?".

So etwas kommt vor, wenn sich Spieler nicht eingestehen wollen, dass sie "Fifa" weniger aus Spaß an Wettbewerb und Nervenkitzel spielen, sondern eher, weil sie sich durch Erfolge Bestätigung erhoffen. "Fifa" mit seinen Zufallselementen ist dafür nicht das beste Videospiel - das im Hinterkopf zu haben, kann helfen.

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