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Spieleklassiker in Bildern: Das war "Fifa 98"

"Fifa 98" wiederentdeckt Das brutalste Spiel meines Lebens

Von "Fifa 98" schwärmen Fans der Reihe noch heute: wegen des Hallenmodus und der "Blutgrätschen-Taste". Verklärung oder berechtigte Verehrung? Wir haben das Spiel noch einmal installiert.

"Woohoo!" Wenn ich diesen Schrei aus "Song 2"  höre, denke ich nicht an die Band Blur und auch nicht an den FC St. Pauli . Ich denke an die Keller meiner Freunde, wo immer die PC-Tower standen. Daran, wie wir "Fifa 98" anwarfen, das mit diesem Lied startete.

"Song 2" ist "Fifa 98", "Fifa 98" ist das Jahr 1997 - die Zeit, als Prinzessin Diana starb und die A-Klasse beim Elchtest umkippte, was mir im Alter von zehn Jahren egaler kaum hätte sein können.

Die große Frage dieser Zeit lautete eher: "Wo spielen wir denn heute?" Und: "Soll ich einfach kommen oder noch mal anrufen?" Auf dem Festnetz natürlich, wo jedes Mal die Eltern rangingen, immer ein bisschen unangenehm.

Ich selbst hatte zu Hause lange nur "Fifa 97". 80 Mark für den neuesten Serienteil waren für einen Schüler eine große Hürde, zumal ich für mein Wohlbefinden auch noch Disney-Comics brauchte.

Ist dieser Pixelbrei erträglich?

Kürzlich habe ich "Fifa 98" nun doch gekauft. Gebraucht für sieben Euro, 19 Jahre und 250 "Lustige Taschenbücher" später. Zur EM hatte ich Lust, das Spiel noch einmal auszuprobieren - wofür unter Windows 10 erst einmal die Installation eines dubiosen Patches aus dem Internet nötig war.

Mich interessierte, wie sehr "Fifa 98" gegen "Fifa 16" abfällt, den aktuellen Teil der Reihe, den ich hin und wieder spiele. Macht ein Spiel noch Spaß, das so furchtbar aussieht? Immerhin gibt es viele Fans, die "Fifa 98" bis heute verehren, etwa wegen seines Hallenmodus.

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Spieleklassiker in Bildern: Das war "Fifa 98"

Mir jedenfalls hat das Spiel beim erneuten Versuch zunächst keinen Spaß gemacht. Die ersten 30 Minuten "Fifa 98" sind Selbstquälerei. Das Spiel läuft nicht wirklich flüssig, der Sound kratzt, die Zwischensequenzen dauern ewig. Und wie ich dieses Spiel jemals ohne Fingerkrampf per Tastatur steuern konnte, ist mir ein Rätsel.

Elber, der Nackte aus meinem Zimmer

Anfangs scheitere ich daran, dem Computergegner den Ball abzunehmen, der am Fuß seiner Spieler zu kleben scheint. Wenn ich nicht im exakt richtigen Moment eine Taste drücke, kann der Gegner durchlaufen, egal, ob mein Spieler im Weg steht. Dabei dachte ich doch "Fifa" wäre wie Fahrradfahren: einmal gelernt, kann man es immer einigermaßen.

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Glücklicher machen mich die Menüs, wo ich Aufstellungen mit Spielern wie Christian Ziege, Toni Polster oder Heiko Herrlich entdecke, die mich gedanklich sofort wieder in die Neunzigerjahre versetzen.

Als ich etwa den Namen Giovane Elber sehe, fällt mir ein, dass ich einst ein Elber-Poster aus der "Bravo Sport" hatte, das einen meiner Verwandten wohl so verstörte, dass er direkt meine Eltern darauf ansprach. Elber nackt auf einem Motorrad, mit Anstandsfußball zwischen den Beinen , das hielt wohl nicht jeder für Kinderzimmer-kompatibel. Ich habe damals einfach jedes Bayern-Poster aufgehängt, das ich kriegen konnte.

Heute habe ich keinen nackten Bayern-Stürmer mehr an der Wand. Aber ich kann mich immer noch so in Fußballspiele hineinsteigern wie mit zehn. Vermutlich wurde es mit den Jahren sogar schlimmer, mit den sicher Tausenden Partien gegen Freunde, die natürlich nicht immer gut ausgingen.

20 Jahre virtueller Fußball bedeuten neben viel Spaß auch viel Leid. Wer ist also noch gleich dieses "Fifa 98", dessen Computergegner da durch meine Abwehrreihe stolziert?

Zu zweit leidet es sich besser

Nach dem zähen Einstieg habe ich in "Fifa 98" einfach aufgehört, gegen den Rechner zu spielen, und mir einen Kumpel eingeladen. Das hat sich gelohnt: Gegeneinander - wenn beide ein wenig von der Steuerung überfordert sind - ist es gleich witziger.

Attacke in "Fifa 98" (wurde nicht abgepfiffen)

Attacke in "Fifa 98" (wurde nicht abgepfiffen)

Immer wieder schreien wir "Schiri, dein Ernst?" und "Das kann jetzt nicht sein" - zu aufwühlend, zu unbegreiflich ist das, was auf dem Bildschirm abläuft. Ich hatte "Fifa 98" nicht als brutales Spiel in Erinnerung, aber oh ja, es ist brutal.

Die Spieler pflügen einander um, als wüssten sie, dass das alles nur digital ist, manchmal fliegen Gefoulte drei, vier Meter weit. Und der Schiri pfeift gefühlt so gut wie nie. Dass es bei Fouls nicht mal eine Wiederholung gibt, macht es nicht leichter, mit dem Geschehen klarzukommen.

Einen Schiri-Pfiff, oft samt roter Karte, gibt es nur regelmäßig, wenn jemand die Taste Q benutzt, bei unseren Keller-Matches hieß sie früher "Blutgrätschen-Taste". Mit ihr sind besonders fiese Fouls möglich. So kann man etwa den Torwart mit Ball in der Hand umhauen, was in späteren Teilen gar nicht mehr geht.

"Fifa" ist mit den Jahren also schöner und besser, aber auch braver geworden.

Heute nimmt sich "Fifa" viel ernster

Überrascht hat mich, wie komplex "Fifa" schon 1997 war. Das Spiel lässt sich zwar auch per Maus steuern, doch dabei fehlen die meisten Optionen. Denn mit Tastenkombinationen wie Alt und D oder zweimal E lassen sich Sonderaktionen ausführen , vom Schuss-Antäuschen bis zur Schwalbe.

Auf dem Gamepad ist das Passen allerdings auf einer anderen Taste als heute, was meinen Kumpel ein ums andere Mal daneben drücken lässt - eine Möglichkeit, die Tastenbelegung zu ändern, gibt es nicht. Außerdem muss man stets manuell zwischen den einzelnen Spielern hin- und herschalten, was nicht besonders gut funktioniert.

Insgesamt spielt sich "Fifa 98" sperriger als die modernen Teile, es fühlt sich nach Arbeit an. Dabei nimmt sich das Spiel aber weniger ernst. Dafür spricht etwa ein per Spieler-Editor aktivierbarer Cheat, dank dessen die Spieler mit Riesenköpfen über den Platz laufen.

"Fifa 98" mit aktiviertem Cheat

"Fifa 98" mit aktiviertem Cheat

Das wirkt dämlich, vor allem weil gefühlt alle Spieler gleich aussehen, ist aber lustig. Nicht umsonst schwärme ich noch heute davon, dass man in "International Superstar Soccer Deluxe " den Schiedsrichter per "Konami-Code"  in einen Hund verwandeln konnte. Cheat-Codes waren oft Irrsinn, aber am Ende ist es dieser Irrsinn, den man nicht mehr aus dem Kopf bekommt.

Die Halle als Adrenalin-Snack

Nach anderthalb Stunden sind mein Kumpel und ich wieder drin in "Fifa 98". Ich glaube zwar nicht, dass wir das Spiel jetzt regelmäßig spielen werden. Aber der Moment, in dem wir zum ersten Mal einen Fallrückzieher mit Lattentreffer hinkriegen, ist fantastisch. Und dann gibt es ja noch das besondere Schmankerl von "Fifa 98", den Hallenmodus.

Hier spielt man mit Fünf gegen Fünf auf einem kleinen Spielfeld, auch Bandenschüsse sind möglich. Wer Rot sieht, hat dauerhaft einen Spieler weniger. Die Tore fallen im Sekundentakt, mancher Freistoß ist so nah am Tor, dass man den Ball schon drin sieht.

Stadion "Halle" in "Fifa 98"

Stadion "Halle" in "Fifa 98"

Das alles ist Action pur, oft auch Glücksache, und ich kann verstehen, dass EA Sports heute sagt, so einen Hallenmodus könne man nicht einfach wieder einbauen: Das sei zu aufwendig, die Ansprüche seien gestiegen. Aber anderseits: So simpel das System ist, es macht auch jetzt noch Spaß - als Abwechslung zu den normalen Partien, als Adrenalin-Snack zwischen den Mehrgänge-Menüs in Form von Saisons oder Pokalen.

Einige Tage nach meinen "Fifa 98"-Partien, ein langer Flug steht bevor (auch, um mir "Fifa 17" anzuschauen), googele ich noch einmal, ob es vielleicht eine Handyversion von "Fifa 98" gibt, irgendeine lieblose Umsetzung, die mir einfach nie begegnet ist, fiese Abzocke, meinetwegen für 80 Mark. Für den Flug würde ich sie nehmen.

Es gibt sie nicht, natürlich. "Fifa 98" ist meine Kindheit und so wird es auch bleiben. Aber es ist schön zu wissen, dass es prinzipiell nur einige Fingerkrämpfe kostet, mich wieder wie mit zehn zu fühlen. Nur die Festnetznummern meiner Freunde funktionieren nicht mehr.

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