
"Ghost Recon Wildlands" im Test Mit drei Freunden durch den Drogenkrieg
Wo der Name "Tom Clancy" draufsteht, sind in der Regel ein paar Elitesoldaten drin, die an irgendeinem Krisenherd wieder für Recht und Ordnung sorgen. Schon seit Jahren verwendet Ubisoft den Namen des 2013 gestorbenen Bestseller-Autors als Marke für halbwegs realistische Videospiele, gern angesiedelt vor dem Hintergrund realer geopolitischer Problemzonen. Für "Ghost Recon Wildlands", einen Taktik-Shooter um den Drogenkrieg in Südamerika, gilt das aber nur teilweise.
Denn einerseits ist "Wildlands" tatsächlich eine gute Spur realistischer als vergleichbare Titel: Waffen und Ausrüstung sind echten Vorbildern zumindest nachempfunden, Spieler wie Gegner sind in Feuergefechten sehr verwundbar. Andererseits will das Spiel aber keine ernsthafte Simulation und kein Politthriller sein, sondern eher eine Action-Orgie.
Das zeigt schon das ziemlich wirklichkeitsferne Szenario: Ein mexikanisches Drogenkartell hat Bolivien fast komplett unter seine Kontrolle gebracht. Aufgabe des Spielers ist es nun, das Kartell wieder zu vertreiben - alleine oder im Team. Das eigentliche Herzstück von "Wildlands" ist der Kooperationsmodus für bis zu vier Spieler.

Schurkenjagd im Freundeskreis
In diesem Modus macht das Spiel auch mit Abstand am meisten Spaß. Wer ein bis drei Freunde hat, die bei der Mischung aus Schleicherei und Ballerei diszipliniert mitmachen, bekommt mit "Wildlands" einen Taktik-Shooter, der viel Kreativität erlaubt. Regelmäßig kommt es zu spektakulären Verfolgungsjagden und Schießereien. Realistisch ist das selten, unterhaltsam auf jeden Fall.
Wer dagegen allein in den Drogenkrieg zieht, bekommt drei computergesteuerte Mitstreiter zur Seite gestellt. Die haben keinerlei Persönlichkeit, können Gegner auf Kommando aber sehr verlässlich ausschalten. Vorsichtiges Anschleichen wird damit manchmal sogar fast zu einfach.
Komplexere Kommandos kann der Spieler sonst aber nicht geben. Nicht einmal Autos oder Hubschrauber können die Kameraden steuern. Viele der Möglichkeiten aus dem Kooperationsmodus fallen somit flach, weil der Spieler den Großteil der Löwenarbeit selbst erledigen muss.
Viel zu tun - aber keine Abwechslung
Damit ist der Solomodus nicht nur eintöniger als das Spielen im Team. Wer allein spielt, sieht auch die Schwächen von "Wildlands" schneller. Denn hinter der Fassade einer sehr schönen und optisch abwechslungsreichen offenen Welt verbirgt sich hier nur ein weiteres Open-World-Spiel, wie Ubisoft und andere Entwickler sie inzwischen wie am Fließband produzieren.
Das muss nicht unbedingt schlecht sein: Wie viel Potenzial in solchen Spielen noch immer steckt, haben "Horizon: Zero Dawn" und "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" gerade eindrucksvoll bewiesen, jeweils auf ganz eigene Art. Von deren Kreativität ist "Wildlands" aber meilenweit entfernt.
So besteht etwa ein Großteil der Jagd auf die Hintermänner und -frauen des Kartells daraus, ihren Aufenthaltsort oder ihre Identität herauszufinden. In der Praxis geht es bei diesen Ermittlungsarbeiten aber doch immer nur darum, in schwer bewachte Fabriken, Dörfer oder Festungen einzudringen. Abwechslung gibt es nur, wenn der Spieler selbst dafür sorgt. Das Spiel kommt ihm dabei kaum entgegen - auch nicht in der Handvoll Nebenmissionen oder bei der Suche nach Medaillen, Waffenteilen und anderem Kram zum Sammeln.
Leise Zwischentöne und furchtbarer Humor
In diesem Zusammenhang wird auch das Szenario wieder zum Problem. Ubisoft geht mit dem Thema zwar nicht respektloser um als andere Entwickler, die ihr Spiel in realen Konflikten ansiedeln - auch wenn es in diesem Fall sogar eine offizielle Beschwerde der bolivianischen Regierung über die Darstellung ihres Landes gab. Die desaströse US-Drogenpolitik in Südamerika und die ökonomischen Zwänge, die Menschen in die Drogenproduktion treiben, spielen in "Wildlands" aber immerhin eine Nebenrolle.
Doch statt das zur Grundlage für eine Geschichte zu machen, die das Checklisten-Spieldesign wenigstens schick verpackt, läuft alles auf die immer gleiche Jagd auf Drogenlords hinaus. Statt auf interessante Charaktere, die dem Geschehen Herz und Seele geben, setzt das Spiel auf Sprücheklopfer und Klischees.
Und über die traurigen Versuche des Spiels, seine dünne Geschichte mit schwarzem Humor anzureichern, breitet man besser den Mantel des Schweigens aus. Das Problem des Spiels ist letztlich nicht das Szenario, wie man hätte erwarten können. Das Problem ist, dass "Ghost Recon Wildlands" nichts daraus macht.
"Tom Clancy's Ghost Recon Wildlands", für PC, Playstation 4 und Xbox One, Altersfreigabe ab 18 Jahren
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