»GTA: The Trilogy – Definitive Edition« Spielegeschichte – denkbar lieblos vermittelt

Aus der Sicht von Spielefans hat Rockstar Games bislang wenig falsch gemacht. Gegen »GTA: The Trilogy« aber gibt es nun massiven Protest. Ist die Klassikersammlung wirklich das viel beschworene Desaster?
Szene aus dem Remaster zu »Vice City«: Auf einmal wächst ein Baum durchs Auto

Szene aus dem Remaster zu »Vice City«: Auf einmal wächst ein Baum durchs Auto

Foto: Rockstar

Ginge es nach den Nutzerwertungen auf Metacritic, der bekanntesten Übersichtsplattform für Spielerezensionen, so wäre »Grand Theft Auto: The Trilogy – The Definitive Edition« eines der schlechtesten Spiele der Geschichte. Die aggregierte Wertung liegt auf der Playstation 5 bei 0,8 und auf dem PC sogar nur bei 0,5 von 10 möglichen Punkten. Das ist natürlich Quatsch und einer Mistgabel- und Fackel-Mentalität geschuldet, die sich auf solchen Plattformen gern den Weg bahnt. Ein Ärgernis ist diese als definitive Edition angepriesene Spielesammlung dennoch.

Dabei wäre es für den »GTA«-Hersteller Rockstar Games so leicht gewesen, alles richtig zu machen. Schließlich versammelt »GTA: The Trilogy – The Definitive Edition« drei der wichtigsten und einflussreichsten Spiele der letzten 20 Jahre in einem Paket: Das 2001 erschienene »GTA III«, »GTA: Vice City« von 2002 und »GTA: San Andreas«, das 2004 die sogenannte Trilogie abschloss und das zum bestverkauften Spiel für die Playstation 2 wurde.

Wie gut man diese Sammlung findet, hängt dabei stark von der eigenen Erwartung ab – und auch vom Nostalgieempfinden. Wer die Originale nie gespielt hat und die »GTA«-Reihe durch »GTA V« kennengelernt hat, sollte »GTA: The Trilogy« eigentlich nur aus historischem Interesse spielen und sonst lieber bei neueren Titeln bleiben. Die Grafik ist aus heutiger Sicht grenzwertig, das Gameplay sperrig, die Bugs nerven.

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So sieht »GTA: The Trilogy – Definitive Edition« aus

Foto: Rockstar

Für Gamer aber, die kurz nach der Jahrtausendwende bereits aktiv waren, könnte das anders sein. Für viele von ihnen sind »GTA III«, »GTA: Vice City« und »GTA: San Andreas« untrennbar mit einem Quantensprung für Spiele verbunden. Wo bis dahin Gamedesigner den Weg vorgaben, hatten Spieler auf einmal ungeahnte Freiheiten, ihre Missionen zu erfüllen und sich in 3D-Welten auszutoben. Heutige Open-World-Spiele sind ohne die drei »GTA«-Spiele aus dem Paket nicht denkbar.

»GTA« war lange ein Streitthema

Die Freiheit stand bei »GTA« allerdings immer im Kontext von Gewalt und Schießereien, weshalb die Spiele nicht nur extrem beliebt waren, sondern auch zur Zielscheibe großer Gegenkampagnen wurden. Rockstar Games war nahezu ein Synonym für die Verrohung der Jugend geworden. Kein Wunder, wenn man mit Freunden diskutieren konnte, ob es einfacher ist, einen Mafiaboss per Scharfschützengewehr zu erledigen oder ein paar Busse vor seiner Garage zu parken und dann eine Bombe zu zünden. Schiefe Blicke waren immer einkalkuliert.

Gleichzeitig hat es Rockstar Games mit seinen drei Titeln geschafft, Spiele aus der Nerd-Nische zu holen und sie mit Zitaten aus der Popkultur, aus Film, Musik, Radio und Fernsehen zu einem Gesamtkunstwerk zu machen. Kaum ein Spiel der vergangenen beiden Jahrzehnte ist unbeeinflusst davon. Spiele wurden durch die »GTA«-Reihe erwachsener, vielseitiger und für neue Zielgruppen geeigneter. Kaum ein Actionspiel kann heute noch auf offene Welten und verschiedene Lösungswege verzichten.

Eines aber waren die drei Spiele der Trilogie nie: gut aussehend und problemlos spielbar. Jedes einzelne von ihnen versuchte das Maximum aus der Playstation 2 herauszuholen. Die Games loteten Grenzen aus und verzichteten lieber auf Grafikglanz als auf Spielideen. In der Playstation-2-Ära funktionierte das, weil das Spielsystem so neu und umwerfend war – und weil die Entwickler die Schwächen kannten und sie mit Stil übertüncht haben. Spieler konnten das fehlende Quäntchen Grafik so durch Fantasie ausgleichen.

Es stockt, wo es früher stockte

Umso ärgerlicher, dass in den neuen Versionen vieles verschlimmbessert wurde. Natürlich: Die Modelle sind detaillierter geworden, die Schatten besser, die Autos realistischer. Doch immer wieder sind Gesichter zu sehen, die gruselig verzerrt wurden oder Animationen, die den comicartigen Animationsstil der Originale ins Groteske ziehen. Es gibt Regen, der einem nahezu die komplette Sicht nimmt und Tropfen in die Blitze eines Mini-Gewitters umdeutet. Die neblig-verwaschene Welt der Originalspiele ist einer Weitsicht gewichen, die hässliche Ecken und Kanten offenlegt. Gerade die Städte in »GTA III« und »San Andreas« haben viel ihrer unverwechselbaren Optik verloren.

Dennoch: Wer die Spiele früher durchlebt hat, kann auch mit den Remastern viel Spaß haben und sich an die Gefühle von damals erinnern lassen. Daran, wie großartig es sein kann, mit »Atomic« von Blondie im Hubschrauber in einen Sonnenuntergang zu fliegen oder wie gut es ist, Dub von Scientist zu hören, wenn man durch das Neonlicht-beschienene Liberty City fährt oder wie toll es ist, sich mit Chuck D in »San Andreas« durch Hip-Hop-Klassiker zu hören.

Die Spiele waren kleine Führer durch verschiedene Stränge von Popkultur und sind auch heute noch groß darin, eine Ära zu beschreiben – auch wenn einige Titel wohl aus Lizenzgründen aus dem Spiel geflogen sind. Gerade das die Stimmung setzende »Billie Jean« von Michael Jackson in »Vice City« wird schmerzlich vermisst.

Auch andere Erinnerungen werden wach. So kann man sich kurz darüber amüsieren, dass »San Andreas« an genau den gleichen Stellen wie im Original stockt und nachlädt. Oder sich darüber freuen, dass die Gegner-KI immer noch so schlecht ist, dass dadurch der Nachteil der miesen Zielfunktion ausgeglichen wird. Die Spiele wurden damals genauso genossen wie durchlitten, bei diesen Remastern ist es noch immer so.

Definitiv keine tollen Versionen

Es spricht dabei für die ursprüngliche Qualität der Spiele, dass sie immer noch Spaß machen können. Für die Mühe, die sich die Entwickler von Rockstar vor zwanzig Jahren gemacht haben. Und es spricht gegen die Arbeit, die in die neuen Versionen geflossen ist.

Letztlich kann nämlich alle Nostalgie nicht über ein paar unangenehme Fragen hinwegtäuschen: Wie kann es eigentlich sein, dass zwanzig Jahre alte Spiele auf neuen, superschnellen Spielkonsolen genauso schlecht laufen wie auf der Playstation 2? Welche Qualitätskontrolle hat diese lieblosen Portierungen – die zudem wohl nicht auf den Originalen, sondern auf den Mobilversionen der Spiele basieren – abgenickt? Und auch: Warum tritt Rockstar eigentlich seine eigenen Klassiker, seine Geschichte mit Füßen, anstatt sie liebevoll zu restaurieren und sie einer neuen Generation wirklich zu zeigen?

Man kann nur hoffen, dass es irgendwann eine wirklich definitive Ausgabe der Trilogie geben wird und dass diese definitiv hingeschluderte Sammlung nicht der Schlusspunkt bleibt.

»GTA: The Trilogy – Definitive Edition« von Rockstar Games, für Playstation 4/5, Xbox One/Series X/S, Nintendo Switch und PC, ca. 60 Euro, USK: Ab 18 Jahren

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