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"Tomb Raider" Lara zwischen Leichenbergen

Lara Croft ist wieder da - und diesmal hat man ihr ein Spiel gebaut, das der berühmtesten Game-Heldin tatsächlich würdig ist. Das neue "Tomb Raider" ist spannend, abwechslungsreich, grafisch prächtig. Einfach gelungen, wären da nicht ein paar wirklich eklige Szenen.

Am Ende ist Lara Croft die Abenteurerin geworden, die Spieler seit langem kennen. Sie hat eine Insel erforscht, hat gegen Wölfe, Sektenmitglieder und Dämonen gekämpft. Sie hat Schätze gefunden, Rätsel gelöst und Höhlen erforscht. Sie hat Freunde verloren und Narben bekommen, ist durch Matsch gewatet, in Blut geschwommen und hat sich Wunden mit glühenden Pfeilspitzen ausgebrannt.

Ein Reboot soll "Tomb Raider" sein, deshalb auch der reine Name ohne Zusatz. Ein Neustart einer Serie, die wie kaum eine andere die jüngere Spielegeschichte geprägt hat. Das englische Spielestudio Core Design hat mit Lara Croft den ersten wirklichen Spiele-Superstar erschaffen, die Reihe aber später in Chaos und Mittelmäßigkeit versinken lassen. Inzwischen wird Lara Croft bei Crystal Dynamics in Kalifornien entwickelt. Zuletzt mit soliden Spielen, die sich spielerisch noch sehr an den ersten Teilen orientierten. Sie waren gut, wirkten aber etwas altbacken. Seit dem letzten sind vier Jahre vergangen.

"Tomb Raider" dreht das Alter von Lara Croft zurück, nicht aber die Zeit. Das mag auf Hüter einer Croft-Chronik etwas verstörend wirken, erdet das Spiel aber im Hier und Jetzt. Lara Croft ist hier auf ihrer ersten Mission, der Reise also, die sie zu dem macht, was sie in älteren Spielen schon war.

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Actionspiel: So sieht das neue "Tomb Raider" aus

Foto: Square Enix

Die Story wirkt - für ein "Lara Croft"-Spiel - wenig überraschend: Schiffbruch auf einsamer Insel, Stürme, die keine Flucht zulassen, übersinnliche Phänomene, verlassene Tempel, eine Sonnenkönigin, durchgedrehte Priester, Dämonen, größenwahnsinnige Wissenschaftler, das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Doch weil man von "Tomb Raider" wie auch vom großen Vorbild "Indiana Jones" keine realistische Geschichte erwartet, funktioniert das Gemisch gut. In den richtigen Momenten weckt es die Neugier, lässt einen weitermachen.

Eine Art pazifisches Bermuda-Dreieck

Das funktioniert, weil das Spielprinzip radikal erneuert wurde, aber in jedem Moment die Wurzeln der Serie erkennen lässt. Immer ging es in "Tomb Raider" ums Klettern, Schießen und das gelegentliche Lösen von Rätseln. All das ist nun an die heutigen Standards angepasst, einfacher als damals, aber nicht weniger packend. Wenn Lara Croft im Fels hängt und der Wind sie wegzutragen droht, stockt einem kurz der Atem, man fiebert mit.

Variationsmöglichkeiten ergeben sich durch einen Bogen. Der ist erst einmal nur dazu da, Pfeile zu verschießen, wird aber durch verschiedene Zusätze zu einem Multifunktionswerkzeug, das immer neue Areale der Insel erschließt. Seile können damit gespannt, Barrieren durch Brandpfeile abgefackelt werden. Das ist alles nicht unbedingt neu, zitiert die Bewegungsfreiheit eines "Assassin's Creed", die Erforschungsmöglichkeiten eines "Metroid"- oder "Zelda"-Spiels und bezieht sich immer wieder auf sich selbst. Doch "Tomb Raider" bringt all das mit einer Selbstverständlichkeit zusammen, die Spaß macht und funktioniert. Besser, als es der große Konkurrent "Uncharted" bisher gemacht hat.

Überflüssige, unangenehme Gewaltszenen

Gut tut dem Spiel auch der Schauplatz. Lara Croft jettet nicht um die Welt, um Schätze zu suchen, sondern bleibt an einem Ort, der mit Abstrichen frei erkundbar ist: eine Insel, im Meer weit vor der japanischen Ostküste. Doch weil die wie eine Art pazifisches Bermuda-Dreieck funktioniert, geben die Schiffswracks verschiedener Epochen vielfältige Schauplätze ab. Dazu kommen Tempelanlagen, Forts aus dem Zweiten Weltkrieg und Forschungsstationen, sehr unterschiedlich, aber doch zusammengehörend. Zudem gehört die Grafik zum Besten, was im Augenblick auf Konsolen zu sehen ist.

Gerne aber hätte ich eine Erklärung dafür, warum nach all diesen guten Entscheidungen die Gewaltdarstellungen drastischer wurden. Warum es Todessequenzen gibt, in denen Lara gepfählt wird, ihr Kopf aufgespießt. Warum Gegner verbrannt werden können und Lara zwischen Leichenbergen in einem Blutsee schwimmt. Während sie sonst tatsächlich als junge Frau auftritt, die sich in einer feindlichen Umwelt behaupten muss, sie ihre Rolle als Sexobjekt der Spieler mit Selbstbewusstsein zur Seite wischt, wirken diese Szenen anders. So, als müsste Lara Croft ob ihres neuen Auftretens noch einmal extra erniedrigt, in Dreck und Blut getaucht werden. Überflüssig und unangenehm ist das.

Ignorieren kann man diese Momente nicht, sie hallen nach und werfen einen Schatten auf ein Spiel, das spektakulär aussieht und es schafft, eine der Ikonen der Spielewelt grandios wiederzubeleben. "Ich gehe nicht nach Hause!" Das ist nach diesem Spiel keine Drohung, sondern ein Versprechen.

"Tomb Raider" von Square Enix, für PC, Playstation 3 und Xbox 360, ab 45 Euro; USK: Ab 18 Jahren

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