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"Need for Speed"

Klassiker-Neuauflage In "Need for Speed" geht nie die Sonne auf

Blanke Karosserien, abgesperrte Strecken: Rennspiele zelebrieren heute oft die seelenlose Ästhetik des Autokatalogs. Das neue "Need for Speed" steuert gegen: mit halbstarken Helden, illegaler Raserei - und ein paar Stars.
Von Tobias Hanraths

"Wir wollen nicht, dass uns irgendjemand sagt, was wir zu tun haben. Wir wollen frei sein und Spaß haben." Den aktuellen Trailer zu "Need for Speed" eröffnet Publisher Electronic Arts mit einem Zitat aus "Die wilden Engel", einem Trash-Klassiker, in dem Peter Fonda einen Rocker spielt. Dazu läuft "Gangsta's Paradise", und getunte Autos liefern sich Verfolgungsjagden mit der Polizei. Nach einjähriger Pause kehrt "Need for Speed" als wildromantische Raserfantasie auf die Xbox One und die Playstation 4 zurück.

Dabei geht der Trend auf dem Markt für Rennspiele gerade genau in die andere Richtung: Die große Zeit bunter Arcade-Racer wie "Burnout", die Spielspaß vor Realismus stellen, ist vorbei. Stattdessen regieren von "Forza Motorsport" bis "Driveclub" Rennspiele mit Autokatalog-Ästhetik. Millionenteure Sportwagen sind hier anbetungswürdige Wunder der Technik, keine Spielzeuge für Anarcho-Abenteurer.

Um sich davon abzusetzen, hat der schwedische Entwickler Ghost Games für das neue "Need for Speed" einige mutige Entscheidungen getroffen: Anders als bei der Konkurrenz gibt es hier eine Story, die das Spiel wieder einmal in Videosequenzen mit Schauspielern erzählt. Für mehr Glaubwürdigkeit spielen darin sogar echte Tuning- und Motorsport-Stars wie Gymkhana-Pilot Ken Block mit. Und für die richtige Untergrundstimmung geht in "Need for Speed" nie die Sonne auf: In der Spielwelt ist immer Nacht.

Das Grundgerüst stimmt: Das neue "Need for Speed" sieht mit funkelnder Leuchtreklame und stets regennassen Straßen fantastisch aus, dazu gibt es einen gut zusammengestellten Soundtrack mit aktueller Popmusik. All das ist erfreulich konsequent, umso tragischer erscheint es, dass Ghost Games bei der Umsetzung an ein paar wichtigen Stellen scheitert.

Plumpe Werbung und peinliche Sprüche

Die Filmsequenzen sind grausig schlecht gespielt, vollgestopft mit plumper Werbung und peinlichen Sprüchen. Dank der aufwendigen Inszenierung und etwas Selbstironie haben sie aber wenigstens einen gewissen Trash-Charme. Und die sogenannten Charaktere sind zwar laufende und sprechende Klischees. Mit der Zeit wächst die Clique pseudocooler Möchtegern-Raser dem Spieler aber trotzdem irgendwie ans Herz. Eine richtige Geschichte entsteht dabei aber nie: Konflikte, Spannung oder irgendeine andere Form von Drama gibt es im Verlauf des Spiels kaum.

Gut gelungen ist das Fahren an sich: Mit den richtigen Einstellungen driften die Autos nach nur einem kurzen Druck auf die Handbremse dramatisch durch Haarnadelkurven. Und wer es gerne etwas realistischer mag, braucht in der virtuellen Garage nur ein paar Schieberegler in die andere Richtung schieben, um das Fahrverhalten zu verändern. Eine präzise Simulation wird "Need for Speed" so nie, das will es aber auch gar nicht sein. Nicht einmal eine manuelle Gangschaltung gibt es. Dafür lassen sich die eigenen Autos aber massiv tunen und umbauen. Aus dem lahmen Honda Civic ohne Extras wird so irgendwann ein hochgezüchtetes PS-Monster mit Heckspoiler und Frontschürze.

Keine Interaktion mit anderen Spielern

Das schönste Auto nützt aber nichts, wenn es im Spiel nicht genug zu tun gibt. Auf dem Papier bietet "Need for Speed" zwar jede Menge an verschiedene Arten von Events. Eigentlich verbergen sich dahinter aber nur Rennen und Driftwettbewerbe mit ein paar Unterschieden im Detail. Für etwas mehr Nervenkitzel sorgen nur gelegentliche Verfolgungsjagden mit der Polizei, bei denen sich die Ordnungshüter aber meistens viel zu leicht abschütteln lassen.

Am meisten leidet "Need for Speed" aber unter seinem Online-Zwang. Denn ohne Verbindung zu den Servern von Electronic Arts startet das Spiel gar nicht erst. Eine klar ersichtlichen Grund dafür gibt es nicht: In der Spielwelt sind so zwar ein paar andere menschliche Fahrer unterwegs, interagieren kann der Spieler mit ihnen aber kaum. Stattdessen sorgt der Online-Zwang dafür, dass sich die Raserei nicht einmal pausieren lässt. Klingelt im echten Leben das Handy, landet das virtuelle Auto schnell im Gegenverkehr. Das ist vielleicht realistisch - Aber eigentlich wollte "Need for Speed" ja ganz anders sein.


"Need for Speed" für Playstation 4, Xbox One und PC (PC-Version im Frühjahr 2016), circa 60 Euro, USK: ab 12 Jahren

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