Open-World-Spiel »Elden Ring« im Test Eine Umarmung im Elend

Spielwelt von »Elden Ring«: Kein Ort, der zum Verweilen einlädt
Foto: Bandai NamcoDrastischer als jeder Kampf, jedes Blutlassen, als die ganze Schmach und der Verdruss ist: eine Umarmung. In einer Festung voll zwielichtiger Menschen sitzt da eine Frau in einem Schleier und möchte nur eines wissen: »Soll ich Euch halten?«.
Nichts an diesem abscheulichen Ort wirkt so fehl am Platz wie diese Frage. Und genau deshalb erzählt die Berührung viel mehr über »Elden Ring« als manch ellenlanger Dialog. Sie zeigt auf, was in der verfallenen Welt des Spiels fehlt, in der alle Wesen nur eines wollen – ihren Niedergang.
»Elden Ring« ist das neueste Spiel aus dem Hause From Software, einem Games-Studio, das durch Titel wie »Dark Souls« oder »Bloodborne« weltbekannt wurde. Es ist ein ambitioniertes Spiel, mit einer Open World, einem fordernden Schwierigkeitsgrad und einer unkonventionellen Erzählweise. Ein Spiel, für das sich From Software die Dienste von George R.R. Martin sicherte, dem Autor von »Das Lied von Eis und Feuer«, das die Vorlage für »Game of Thrones« lieferte.
Es ist eine große Wette auf ein großes Spiel, die aufgehen könnte. Denn »Elden Ring« macht eine Digitalwelt erlebbar, die so dicht gewebt ist wie kaum eine andere. Eine melancholische Welt, die vom ständigen Scheitern zeugt.
Game of Rings
Schon als »Elden Ring« 2019 erstmals angekündigt wurde, machten einige Ideen der Macher Schlagzeilen. Der Open-World-Ansatz etwa. Oder dass man im Spiel auf einem Tier reiten kann. Und dann war da natürlich noch die Mitarbeit von George R.R. Martin.
Wer allerdings erwartet, in »Elden Ring« eine Art Fortsetzung oder Vorgeschichte von »Game of Thrones« spielen zu können, dürfte enttäuscht werden. Denn der Autor hat nicht die Story selbst geschrieben, sondern die Welt kreiert, in der sich »Elden Ring« abspielt. »Was sie von mir wollten, war nur ein bisschen Worldbuilding: eine tiefe, dunkle, resonante Welt, die als Grundlage für das Spiel dienen sollte, das sie erschaffen wollten«, erklärt Martin in seinem Blog .

So spielt sich »Elden Ring«
Nun verhält es sich aber so, dass Hidetaka Miyazaki, der Kopf hinter »Dark Souls«, schon immer ein großes Interesse an Mythen, Sagen und der Literatur des europäischen Mittelalters zu haben scheint – ähnlich wie George R.R. Martin. Insofern ähnelt die Welt von »Elden Ring« in Setting und Narration den anderen Spielen von From Software, dem prominenten Helfer zum Trotz.
Ein Makel ist das ohnehin nicht. Die Spielwelt schafft es binnen kürzester Zeit, die Spielerinnen und Spieler in eine mythische Zeit zu versetzen, in der alles in seiner Fremdheit grausam und logisch zugleich ist.
Die Geschichte ist schnell umrissen: Der einst mächtige Elden Ring ist in fünf Stücke zerbrochen, die nun von fünf Herrschern gehalten werden. Die Welt ist verfault, die Hoffnung dahin. Es ist die Aufgabe der Spielerinnen und Spieler, die Teile wieder zusammenzufügen.
»Elden Ring« wurde auf der Playstation 5 getestet und läuft auf dieser Plattform technisch ordentlich, Ähnliches ist auf Microsofts Xbox Series X zu erwarten. Das Spiel erscheint jedoch auch für die Last-Gen-Konsolen Playstation 4 und Xbox One. Wie gut das Spiel auf diesen Plattformen läuft, konnten wir nicht überprüfen. Auch die PC-Version des Spiels haben wir nicht ausprobiert.
Ein bisschen Schmerz muss sein
Neue Wege geht »Elden Ring« vor allem durch die offene Spielwelt. Sie macht das Spiel zugänglicher. Anstatt sich jedem Gegner stellen zu müssen, wie es in den schlauchigen Levels von »Dark Souls« der Fall war, können die Spieler und Spielerinnen sich diesmal auf ihr Spektralross setzen und davonreiten. Am freien Erkunden der wirklich gigantischen Welt werden sie kaum gehindert. Auch das Schleichen bietet neue Möglichkeiten, sich nicht jedem Gefecht zu stellen. (Mehr zum Gameplay lesen Sie in unserer Fotostrecke.)
Zugleich füllt das Besiegen von Feindesgruppen einen Teil der verbrauchten Flaschen auf, mit denen die Spieler sich heilen können. »Elden Ring« ist so zwar erwartungsgemäß ein anspruchsvolles Spiel, das Unaufmerksamkeiten sofort bestraft. Aber die Open World gibt Spielerinnen und Spielern Raum, anders zu spielen: weniger konzentriert, weniger intensiv. Nur in den geschlossenen Gebieten kommt man so an seine Grenzen.

Landschaft aus »Elden Ring«: Die Erwartungen an das Spiel waren hoch
Foto: Bandai NamcoWenn es einen Nachteil der Open World gibt, dann den, dass sie dazu einlädt, jeden Zipfel zu erkunden. Die Spieler können sich so schnell verlieren. Es ist schwieriger denn je, nachzuvollziehen, wo das nächste Ziel liegt. Dabei kann auch das Kämpfen und damit Aufleveln und Besserwerden in den Hintergrund treten.
Spätestens wenn es dann aber gilt, die Geschichte fortzuführen und etwa eine Burg voller strategisch platzierter Gegner zu besiegen, um dann vor einem Endboss zu stehen, wird so ein Versäumnis drakonisch bestraft.
Über den Schwierigkeitsgrad der Spiele von From Software ist schon viel geschrieben worden. »Elden Ring« ist zwar kompromissbereiter. Schlussendlich will aber auch dieses Spiel mit seiner Unerbittlichkeit etwas erreichen. Seine Schwierigkeit ist kein Selbstzweck: Sie überträgt das überall präsente Gefühl der Ausweglosigkeit auf die Spielerinnen und Spieler.
Die Melancholie des Untergangs
Ist das ein Gebirgszug oder ein schlafender Drache? Hat das knorrige Gewächs ein Gesicht oder ist das Einbildung? Und wieso singt das geflügelte Monster eigentlich geistliche Gesänge im schönsten Falsett? Es sind Fragen wie diese, die sich Spieler und Spielerinnen stellen sollen und werden, wenn sie die Welt von »Elden Ring« erkunden. Auf vieles bekommen sie nur eine Antwort, wenn sie das Wagnis eingehen, den Controller fester greifen und sich der Gefahr stellen.
Andere Fragen bleiben für immer unbeantwortet, oder zumindest scheint es so. Denn »Elden Ring« gibt seine Geschichte nicht freimütig preis. Es erzählt sie in den Lücken zwischen dem Gesagten, in den Gräben, die sich durch die Lande ziehen. Die Beschreibung einer Waffe, eine faulige Steintafel am Wegesrand oder die letzten Worte einer dahinscheidenden Fürstin – sie zeugen von einer Welt, in der alles von einer tiefen Melancholie erdrückt wird. Viele Geschichten des Spiels erschließen sich aber nur denen, die solche Versatzstücke zusammenzusetzen vermögen.
»Elden Ring« vermischt den »Ring des Nibelungen« mit dem »Parzival«, erzählt von siechenden Gesellschaften, die sich bekriegen und gar nicht mehr wissen, warum. Es lässt Bilder aus der biblischen Apokalypse auferstehen: »Sie hörten nicht auf, sich niederzuwerfen vor ihren Dämonen, vor ihren Götzen aus Gold, Silber, Erz, Stein und Holz, den Götzen, die weder sehen noch hören noch gehen können.«
Die Welt des Spiels ist voller Gewalt und Erbarmungslosigkeit. Darum ist in all dieser Groteske, die auch durch den Schwierigkeitsgrad transportiert wird; in jener Melancholie, die niemanden entrinnen lässt und die jedes Flehen erstickt, eben eine Geste die radikalste von allen: eine Umarmung.