
Zoo-Videospiel vom Profi getestet "Ein Loch im Zaun ist ganz schlecht"

Christian Gerken mit Elefantendame Jenny im Karlsruher Zoo: Ein Zirkus hatte sie ausgemustert
Foto: Timo Deible/Zoo Karlsruhe
Christian Gerken wischt sich den Schweiß von der Stirn. Eben hat der Tierpfleger noch straff verzurrte Heubrocken auf den betonierten Vorplatz des Dickhäuterhauses gewuchtet. Jetzt sitzt Gerken in einem kleinen Aufenthaltsraum vor einem Laptop, trinkt Leitungswasser aus einer Tasse und klickt sich durch das Videospiel "Planet Zoo".
Wir haben den Mitarbeiter des Zoologischen Stadtgartens aus Karlsruhe gebeten, für uns die gerade erschienene Tierparksimulation auszuprobieren. Sie kommt von den britischen Entwicklern von Frontier Developments, die im vergangenen Jahr bereits die Dinopark-Simulation "Jurassic World Evolution" auf den Markt gebracht hatten. Zu "Planet Zoo" heißt es von Entwicklern, dass sie für das Spiel zweieinhalb Jahre lang das Verhalten der Tiere beobachtet hätten.
Gerken kann einschätzen, ob sich das gelohnt hat. Der 32-Jährige kümmert sich im Karlsruher Zoo um Elefanten und Nilpferde. Daher beginnt er seine Spielrunde auch mit einem Gehege für die Dickhäuter: Gerken zieht einen Zaun, setzt Bananenpflanzen, baut ein Wäldchen aus Bambusstauden, klatscht Matschtümpel auf die Wiese und wirft Riesenfußbälle hinterher.
Christian Gerken mit Elefantendame Jenny im Karlsruher Zoo: Ein Zirkus hatte sie ausgemustert
Foto: Timo Deible/Zoo KarlsruheWohlfühlbalken auf grün
Das Experiment gelingt. Der indische Elefant, der in einer Kiste geliefert wird, lebt sich schnell ein. Im Menü wechselt der Wohlfühlbalken auf grün. Das heißt, dass Futtermischung, Unterhaltung und Pflanzenauswahl stimmen. Gibt es dagegen Probleme, werden die virtuellen Tiere krank oder sterben.
"Die Entwickler haben sehr gut recherchiert und mit Zoo-Experten gesprochen, das merkt man", sagt Gerken. "Beim Wohlbefinden der Tiere achten wir auf die gleichen Faktoren, die auch im Spiel wichtig sind."
Auch die Auswahl an rollenden Futterfässern, Früchte-Eisklötzen und Holzglockenspielen aus dem "Planet Zoo"-Menü ergibt Sinn, meint Gerken. So etwas werde auch im Karlsruher Zoo eingesetzt. Aber dann entdeckt der Profi doch ein paar Patzer. "Die Pflanzen müsste man eigentlich umzäunen, sonst würden die Elefanten einfach alles wegfressen", sagt er. Im Spiel ignorieren die Elefanten die Bäume einfach.
Kritik an Preisschildern für Tiere
Außerdem stört sich Gerken am Handelszentrum des Spiels. Dort gibt es Preisschilder für Kaffernbüffel, Tüpfelhyänen, sibirische Tiger und mehr als 70 weitere Tierarten. Das Shop-System sei unglücklich, sagt der Tierpfleger. "Wir kaufen hier keine Elefanten." Man nehme Tiere auf, um sie zu pflegen und ihre Art zu erhalten. Die beiden Elefantendamen im Karlsruher Zoo beispielsweise seien ausgemusterte Zirkustiere, die hier ihren Ruhestand verbringen. Mit einer Handelsbörse habe das nichts zu tun.
Dann entdeckt Gerken das Menü der Parkmitarbeiter - und dreht erst mal den Gehaltsregler der Tierpfleger bis zum Anschlag nach oben. "Schön, dass man auf die Mitarbeiter eingehen kann", sagt er. Sogar zu Fortbildungen schicken lassen sich Techniker, Ärzte sowie die Reinigungskräfte, die mit riesigen Kotsaugern durch den Park rennen. So ein Hilfsmittel hätte Gerken auch gern, sagt er. "Wir machen das immer noch mit der Schaufel."
Die Tierlaute und Hufgeräusche überzeugen den Profi. "Die Geräusche sind zwar künstlich erzeugt, aber sehr nah dran an der Realität", sagt er. Enttäuschend findet er, dass im Spiel Vögel und Fische weitgehend fehlen.
Schön sei aber, dass man im Spiel viel Zeit in die Pflege von Tieren investieren könne. In seinem Job mache er sich auch lange Gedanken darüber, wie er die besten Bedingungen für die Tiere schaffe, sagt Gerken.
Zäune ziehen ist ein Krampf
Die größten Schwächen zeigt "Planet Zoo" ohnehin nicht bei den Tieren. Es ist die platte Geschichte im Karrieremodus und der unausgereifte Aufbau von Zäunen und Gebäuden. "Vom Umfang her gibt es nichts zu meckern, lediglich die Bedienung ist ein wenig hakelig", sagt Christian Gerken. Die Steinwege krümmen sich in alle Richtungen, als er versucht, einen Pfad um sein Elefantengehege zu ziehen. Die Zaunelemente lassen sich nur stückweise aneinanderreihen und immer wieder entstehen Lücken. "Mein Insider-Tipp: Ein Loch im Zaun ist ganz schlecht", sagt der Tierpfleger.
Gerken geht davon aus, dass das Spiel bei Fans von Parksimulationen gut ankommen wird. Einige seiner Kollegen hätten schon damit begonnen, Zoos aus Deutschland nachzubauen, um sie zum Download anzubieten. Würde er "Planet Zoo" in seiner Freizeit spielen? Auf jeden Fall, sagt Gerken. Sein Job sei seine Leidenschaft. Neben den Tieren im Zoo habe er Haustiere und spiele nach Feierabend auch sehr gerne Zoo-Simulationen.
Nur die hohen Anforderungen, die das Spiel an die PC-Hardware stellt, findet Gerken abschreckend. "Die Grafik ist zwar toll", sagt er, "aber ein paar Abstriche hätte man schon machen können." Das Spiel sei schließlich auch für Kinder geeignet, und "die haben selten einen High-End-Rechner in ihrem Zimmer stehen".
"Planet Zoo" von Frontier Developments: für Windows-PC bei Steam, ca. 50 Euro
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Elefanten im Abendrot: Die Grafik von "Planet Zoo" beeindruckt. Die Tiere in ihren Gehegen sehen extrem realistisch aus. Die Effekte kosten allerdings enorm viel Rechenleistung.
Auch die Animationen sind liebevoll umgesetzt: Unter Wasser bewegen sich die Tiere anders als an Land.
Als Zoobetreiber muss man sich auch Kritik gefallen lassen: Aktivisten protestieren im Park, wenn die Tiere hungern oder falsch gehalten werden.
Nach einer Runde mit dem Kotsauger sieht alles gleich sauberer aus: Tierpfleger und Besucher im Comicstil muntern die ansonsten sehr ernste Spielgrafik ein wenig auf.
Die Mitarbeiter erledigen ihre Aufgaben in der Regel automatisch. Manchmal muss der Spieler aber schnell eingreifen. Etwa dann, wenn ein Tier ausgebrochen ist und ein Arzt mit Betäubungsgewehr anrücken muss.
Das Spiel bietet eine große Artenvielfalt mit zahlreichen Details: Jedes Tier hat verschiedene Futtervorlieben, Gehegewünsche und kommt nur mit bestimmten anderen Arten klar.
Auf solche Vorgaben sollte man als Zoobetreiber dringend achten. Wenn man verfeindete Arten in ein Gehege steckt, kann das ein böses Ende nehmen.
Statistik-Fans kommen auf ihre Kosten: Die Wünsche der Besucher lassen sich auf einer Übersichtskarte detailliert aufschlüsseln.
Straßen und Zäune errichten macht leider überhaupt keinen Spaß: Es ist eine mühselige Klickerei, bis ein Gehege gebaut ist.
Richtig anstrengend wird das Bauen bei hügeligem Gelände und mehrstöckigen Gebäuden: Generatoren schweben dann auch Mal in der Luft und Mitarbeiter stecken in Treppenhäusern fest.
Schlimme Dialoge und müde Story: Das Spiel scheitert beim Versuch, die einzelnen Aufgaben der Kampagne in eine Geschichte einzubetten. Dabei stößt man auf teils furchtbare Wortspiele wie: "Diese Löwen sind brüllant."
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