"Pokémon Go"
Foto: DPADie Erklärung der Eindringlinge klang kurios. Als kürzlich Bundeswehrsoldaten drei junge Männer auf dem Truppenübungsplatz in Bergen stellten, konnten die ihre Straftat erst gar nicht begreifen. Sie haben nur auf ihren Handys gespielt, stammelten sie. Auf der Monsterjagd müssten sie dann wohl vom Weg in der Lüneburger Heide abgekommen sein, man verliere ja schnell den Bezug zur Realität, wenn man nur auf den Schirm starre.
Die Soldaten fanden das nur mäßig witzig, schließlich waren die jungen Leute bei ihrem "Pokémon Go"-Spiel im Wald unabsichtlich mitten in eine Schießübung mit scharfen Waffen hineingestolpert. Passiert ist zum Glück nichts. Doch seit dem Vorfall mit dem Handyspiel, bei dem man virtuelle Monster in realen Umgebungen jagt, brütete man im Ministerium über der Frage, welche Folgen der neue Game-Boom wohl für die Truppe haben könnte.
Was nun herauskam, liest sich dann auch weniger amüsant. In einer nüchternen Dienstanweisung, genauer gesagt dem "Sicherheitshinweis Nr. 02/2016", warnt das Ministerium seine Soldaten, dass bereits "mehrere Sicherheitsvorkommnisse in Liegenschaften der Bundeswehr aufgetreten" seien, sich also Spieler bei der Monsterjagd auf Militärgelände verirrt hätten.
Das Fazit in einem Text der "Süddeutschen Zeitung" klingt alarmierend: Durch das Spiel könnten sogar "die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr unmittelbar berührt werden".
Im Ministerium haben sich nach dem Vorfall in Bergen offenbar viele Experten ausführlich mit dem neuen Trendspiel befasst. So steuerte die Spionageabwehr zur Anweisung die Warnung hinzu, dass sich ja theoretisch feindliche Agenten als "Pokémon Go"-Spieler tarnen und so Fotos von militärisch geschützten Anlagen schießen könnten. Dies gelte es natürlich unbedingt zu unterbinden.
Auch für die eigenen Leute sieht das Ministerium Risiken. So seien Soldaten, die sich dem Spiel hingäben, über die GPS-Funktion ihrer Mobiltelefone zu orten. Ebenso sei es möglich, dass Fotos ihres Jagdreviers über das Internet verschickt würden.
All diese Gefahren nimmt die Bundeswehr sehr ernst. So sei das Spiel geeignet, "sowohl die militärische Sicherheit von Einrichtungen und Liegenschaften der Bundeswehr zu gefährden, als auch die persönliche Sicherheit der sie nutzenden Bundeswehrangehörigen".
Weil die Bundeswehr eine Armee ist, die strenge Regeln braucht, wurden solche sogleich auch für den Umgang mit dem neuen Feind erlassen. So wird das Wachpersonal im feinsten Bürokratendeutsch angewiesen, in der Nähe der Kasernen "handlungssicher das Film- und Fotografierverbot durchzusetzen". Wer sich nicht daran halte, solle "im Rahmen der gebotenen Maßnahmen" am Weiterspielen gehindert werden.
Bleibt zu hoffen, dass die Wachen nicht selbst vom "Pokémon Go"-Spiel abgelenkt sind.
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1) "Pokémon Go" ist ein neues Handyspiel, in dem Spieler in der echten Welt auf Pokémon-Jagd gehen - man muss sich also wirklich draußen bewegen, um voranzukommen. Monstern begegnet man beim Streifen durch die reale Umgebung, hilfreiche Extras wie Pokébälle zum Fangen der Monster findet man etwa an Denkmälern oder anderen Sehenswürdigkeiten. Diese wurden für das Spiel erfasst und heißen darin Poké-Stops.
2) Das Spiel ist tatsächlich laufintensiv. Wer zum Beispiel ein Ei findet, muss erst einige Kilometer damit laufen, damit daraus ein Monster schlüpft. Es ist also nicht unbedingt eine Ausrede eines Spielers, wenn er sagt, jetzt müsse er noch einmal unbedingt um den Block gehen. Wenn ein Monster wie hier mal im eigenen Badezimmer auftaucht, hat man schon Glück gehabt.
3) Wo sich ein Spieler befindet, merkt das Spiel über den GPS-Sensor seines Smartphones. Wer "Pokémon Go" spielt, sollte also im Hinterkopf haben, dass die Entwickler des Spiels prinzipiell und dann auch recht genau wissen, wo man sich aufhält. Aufpassen sollte man daher auch bei Screenshots: Wer im Internet postet, dass er auf Monsterjagd ist, verrät durch sein Bild mitunter auch, wo er sich gerade aufhält.
4) Das Spiel verlangt vom Spieler, fast durchgehend auf sein Smartphone-Display zu achten - genau so wichtig ist es aber, die echte Umgebung nicht aus den Augen zu verlieren. Nur weil auf der anderen Seite ein seltenes Monster auftaucht, sollte man nicht unbedacht über eine sechsspurige Straße laufen. Und nur, weil zum Beispiel eine Polizeistation ein Poké-Stop ist oder eine Arena zum Kämpfen, sollte man nicht einfach reinmarschieren.
5) Manchmal funktioniert die GPS-Verortung von Plätzen auch nicht perfekt. Dann scheint sich ein Monster zum Beispiel in einer Baugrube oder in einem See aufzuhalten. In solchen Fällen gilt: Lieber eins weniger fangen, dafür ist es dann vielleicht nicht das letzte vor dem Krankenhaus-Aufenthalt. Oft reicht es auch schon, nur ungefähr in der Nähe der Monster zu sein, um sie zu erwischen.
6) "Pokémon Go" kann man auch mit und gegen andere spielen, das funktioniert aber eher indirekt: Man setzt Monster in sogenannten Arenen ab, wo dann andere Spieler mit ihren Pokémon gegen diese Monster antreten können. Anders als manche Schlagzeile zum Spiel suggeriert, kann man nicht jederzeit und überall gegen andere kämpfen oder andere Spieler gezielt an x-beliebige Orte locken, etwa um sie auszurauben.
7) Zutreffend ist allerdings, dass sich einige Poké-Stops an abgelegenen Orten befinden - dorthin sollte man im Dunkeln oder allein vielleicht nicht unbedingt gehen. Andere Spieler, theoretisch auch Kriminelle, können bei "Pokémon Go" zwar nicht sehen, wo man sich gerade hinbewegt - sie können aber ahnen, dass an einem Poké-Stop eine gute Chance besteht, andere Spieler zu treffen, die mindestens ihr Handy dabei haben.
8) Ein Chatsystem oder ähnliches gibt es direkt im Spiel nicht, zumindest bisher nicht. Spieler können sich theoretisch also nur über andere Plattformen verabreden. Die einzige Möglichkeit, andere Spieler direkt über das Spiel "anzulocken", ist es, einen Poké-Stop durch einen virtuellen Gegenstand, ein sogenanntes Lockmodul aufzuwerten, sodass dort zeitweise mehr Pokémon auftauchen - und damit vielleicht auch mehr Spieler, die sie fangen wollen.
9) Freunde können aber auch gemeinsam auf die Jagd gehen. Bei einem Test zu zweit begegneten wir zum Beispiel ungefähr den selben Monstern am selben Ort. Man nahm sich die Pokémon also nicht gegenseitig weg, sondern hatte jeweils unabhängig voneinander die Chance, sie zu fangen. Und auch die Chance, sich in unbekannten Gegenden zu verlaufen, ist geringer, wenn man zu zweit ist. Ein wichtiger Tipp noch: "Pokémon Go" saugt eher am Akku als am Datenvolumen, man sollte daher darauf achten, dass einem nicht plötzlich das Handy ausgeht.
10) Grundsätzlich ist "Pokémon Go" ein kostenloses Spiel. Wer will, kann aber auch echtes Geld ausgeben, etwa für neues Equipment. Man sollte mit seinem Kind also am besten vorher über den Umgang mit dieser Funktion reden oder dessen App-Store-Account so einstellen, dass keine Ausgaben ohne Erlaubnis der Eltern möglich sind. Die App selbst bietet keine Möglichkeit, In-App-Käufe zu unterbinden oder Spielzeiten zu begrenzen. Aber auch ohne echtes Geld auszugeben, kann man das Spiel gut spielen.
11) Von der Aufmachung und dem Spielprinzip her ist das Spiel schon kindgerecht: Das Fangen von Monstern und die Kämpfe laufen darauf hinaus, dass man geschickt über sein Smartphone-Display wischen muss. Bei den Kämpfen hilft die Kamera des Geräts dabei, die Monster in die echte Welt einzubauen - die Funktion stellt man aber in der Regel schnell ab, weil das Fangen ohne den Effekt einfacher geht.
12) In Deutschland ist das Spiel erst am 13. Juli erschienen. Wer "Pokémon Go" davor schon gespielt hat, hat also zumindest keine Version genutzt, die es im deutschen Google Play Store oder Apples AppStore gibt. Und wer das Spiel aus solchen Drittquellen installiert hat, muss aufpassen, keine Trojaner-verseuchte Version erwischt zu haben - vor solchen warnen Sicherheitsexperten.
13) In den Datenschutzbestimmungen des Spiels wird darauf hingewiesen, dass eine Identifizierung des Nutzers für andere Spieler möglich ist, wenn man seinen echten Namen als Benutzernamen angibt. Es empfiehlt sich also, ein Pseudonym als Trainernamen zu wählen. Laut Hersteller Niantic können auch unter 13-Jährige das Spiel nutzen, wenn ein Elternteil über den sogenannten "Pokémon Trainer Club" seine Einwilligung dafür gibt.
14) Gesammelte Informationen über seine Nutzer kann Niantic laut den Bestimmungen unter bestimmten Umständen an Dritte weitergeben. So heißt es unter anderem: "Wir könnten jegliche Informationen über Sie (...), die sich in unserem Besitz oder Kontrollbereich befinden, an Regierungen oder Strafverfolgungsbehörden oder private Beteiligte offenlegen, wenn wir es nach unserem eigenen Ermessen für notwendig und angemessen erachten: (a) um auf Ansprüche, Gerichtsprozesse (einschließlich Vorladungen) zu reagieren; (b) um unser Eigentum, unsere Rechte und unsere Sicherheit, sowie das Eigentum, die Rechte und die Sicherheit von Dritten oder der allgemeinen Öffentlichkeit zu schützen; und (c ) um jegliche Aktivität, die wir als illegal, unethisch oder rechtlich anfechtbar erachten, aufzudecken und zu stoppen." Es lohnt sich also, die Datenschutzbestimmungen einmal in Ruhe durchzuarbeiten.
15) Der letzte Tipp ist der wohl wichtigste für Eltern: "Pokémon Go" macht Spaß, auch Erwachsenen. Statt sich also zu fragen, was im Spiel möglich ist und was nicht oder wie kindgerecht oder gefährlich es ist, ist es wohl das Beste, das Spiel einfach mit dem Nachwuchs gemeinsam anzugehen. So kann man zum Beispiel abschätzen, welche Poké-Stops ungefährlich sind und wie vielen anderen Spielern man im Alltag begegnet. Und vielleicht entdeckt man so ja auch ein Hobby, das einen mit seinen Kindern verbindet.