Horror-Games aus der Kindheit Wieso hatte ich davor Angst?

Nemesis aus "Resident Evil 3: Nemesis": Der ultimative Gegner
Foto: 'Screenshot via MobyGames or simila
Nemesis aus "Resident Evil 3: Nemesis": Der ultimative Gegner
Foto: 'Screenshot via MobyGames or similaMit Horrorgames verbindet mich eine Hassliebe. Begonnen hat sie mit "Resident Evil 3: Nemesis": Ende 2000 wurde das Spiel in Europa für Segas Dreamcast veröffentlicht, ein paar Monate später habe ich es auf dieser Konsole gespielt. Es war mein erstes Survival-Horrorspiel, ich war 15. Länger als eine Stunde konnte ich nicht am Stück spielen: Die Vorstellung, dass Nemesis - der ultimative Gegner - jeden Augenblick durch eine Mauer, Tür oder Scheibe brechen konnte, war permanenter Nerventerror.
Dieser Tage erscheint "Resident Evil 3: Nemesis" nun erneut als Remake mit pompöser Grafik und gewaltigem Sound. Die Zeiten der vorberechneten Hintergründe sind vorbei und auch spielmechanisch hat die Neuauflage nicht mehr viel mit dem Original zu tun. Doch so actionreich das Remake ist, sein Ursprung ist noch immer zu erkennen: in der Geschichte, dem Setting, den Figuren. Sie erinnern an das Original, das mich einst so schockte.
Beim Spielen fragte ich mich aber auch: Wie haben sich die frühen Survival-Horrorspiele wohl gehalten? Sind sie heute, mit angestaubter Grafik und betagter Steuerung, nur noch halb so gruselig? Um dieser Frage nachzugehen, habe ich auf einer Playstation und einer Playstation 2 drei Genre-Klassiker noch einmal gespielt: das alte "Resident Evil 3: Nemesis", "Dino Crisis 2" und "Silent Hill 3".
Die Tank-Steuerung? Viele Spielerinnen und Spieler von heute dürften mit diesem Begriff nichts mehr anfangen können. Wer aber das alte "Resident Evil 3: Nemesis" gespielt hat, der weiß, was gemeint ist: Je nach Position bewegt sich die Spielfigur mit dem Steuerkreuz nach oben, unten oder macht eine Drehung nach rechts oder links. Ich bin mit dieser Steuerung aufgewachsen, sie schien mir nie absurd - bis jetzt.
Im Jahr 2020 braucht es Eingewöhnung, bis ich mich in der Haut der Hauptfigur Jill Valentine zurechtfinde. Ich merke aber auch: Da ist noch Muskelerinnerung. Meine Finger scheinen die Steuerung noch in sich zu haben, das Manövrieren an Zombies vorbei. Es ist ein wenig wie Fahrradfahren, das man ja sprichwörtlich nicht verlernen kann - nur sehr viel weniger elegant.
Grafisch wirkt "Nemesis" derweil antiquiert, erst recht auf einem Flatscreenfernseher. Eine schaurige Atmosphäre erzeugen kann das Spiel aber immer noch. Vor allem, weil hier die meiste Zeit Stille herrscht, während das Stöhnen der Zombies in der Ferne zu hören ist. Und wenn plötzlich eine Tür aufknallt und vier Zombies auf mich zuwanken, dann habe ich auch heute noch kurz Panik, obwohl die Zombies aussehen wie Pixelhaufen.
Das Spiel lebt von der knappen Munition, den teils obskuren, aber charmanten Rätseln und, ja, auch vom Ekel angesichts von offenen Wunden und verfaulendem Fleisch. Es braucht ein wenig Anstrengung, definitiv, aber nach wenigen Stunden habe ich sogar wieder den Geruch dieses Fleisches im Kopf. "Resident Evil 3: Nemesis" ist zurück.
Die Neunzigerjahre waren das Dinosaurier-Jahrzehnt. Dem Hype um "Jurassic Park" folgten Spielzeuge, Serien und auch Videospiele. "Dino Crisis", das 1999 erschien, gehörte dazu. Ein Jahr später erschien der Nachfolger, den ich damals sehr gern spielte. Auch ich war begeistert von Dinos. Ich erinnere mich noch gut, wie ich schon bei der Werbung für eine Autofirma im Kino Angst bekam, als ich mir 1997 "Vergessene Welt: Jurassic Park" ansah. Dieser Grusel, so viel kann ich direkt verraten, ist heute nicht mehr da, auch nicht bei "Dino Crisis 2".
In dem Spiel wird bereits in der Einstiegssequenz einem T-Rex das Auge mit einer Bazooka herausgeschossen - und so geht es dann auch weiter. "Dino Crisis 2" ist stark auf Action ausgelegt. Die Velociraptoren hopsen am laufenden Band auf den Bildschirm und jeder Abschuss bringt mir 200 Punkte, dokumentiert in großer weißer Schrift. Der Suspense of Disbelief - also das Sich-Hingeben an eine fiktionale Welt - wird schwieriger, wenn alles "Ich bin ein Spiel" schreit.
Heutige Horrorspiele versuchen alles, um die Mechanismen und Anzeigen zu verstecken. Sie wollen die vierte Wand möglichst unsichtbar machen. Es ist eine Konditionierung, die auch mich geprägt hat. Das merke ich, während ich einen Saurier nach dem nächsten erschieße und mich frage, wie ich diese Dinosaurierschreie, die wie aus einer Blechdose klingen, jemals beängstigend finden konnte.
Mit meinem dritten Testspiel bin ich auf der Playstation 2 angekommen. Die Grafik ist hier ein weniger großes Hindernis, sie erfüllt ihren Zweck. Und bereits nach kurzer Zeit merke ich, dass "Silent Hill 3" auch heute noch funktioniert.
Anders als etwa in einem "Dino Crisis" geht es in "Silent Hill" seit jeher weniger darum, was auf dem Bildschirm passiert, als darum, was in meinem Kopf passiert. Die Bilder auf dem Screen können veralten, meine Gedanken und Ängste nicht.
So wie auch ein "Blair Witch Projekt" erschafft "Silent Hill 3" Räume des Ungewissen. Nichts ist in diesem Spiel gewiss, selbst Waffen bieten, anders als in einem "Resident Evil 3" nur selten Sicherheit. Der Schrecken kommt: und wenn er da ist, hilft nur die Flucht.
Sicherlich wirkt die Spielsteuerung von "Silent Hill" aus heutiger Sicht klobig, die Menüführung irritierend. Doch der Horror, er ist noch da. Das Spiel macht mir Angst, aber auch Spaß - genau wie damals.
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Für den Selbstversuch hat unser Autor sich eine Playstation und eine Playstation 2 gebraucht gekauft. Seine alten Geräte sind ihm bei diversen Umzügen sowie in Zeiten der Geldnot abhanden gekommen.
Szene aus "Resident Evil 3: Nemesis": Der titelgebende Nemesis wird in einer Zwischensequenz dargestellt. Solche Videosequenzen waren in den Nullerjahren noch beeindruckend. Sie wurden als Belohnung für Spielerinnen und Spieler eingesetzt, die bestimmte Etappen des Spiels überstanden haben.
Die Tür springt mit einem Knall auf und Zombies strömen heraus: Solche Jumpscares funktionieren auch heute noch, besonders, da sie rar gestreut sind. So erzeugen sie eine Atmosphäre der ständigen Bedrohung, ohne zu nerven.
In "Resident Evil" war es schon immer wichtig, Heilmittel und Munition sparsam einzusetzen. So entstehen viele Horror-Momente auch dadurch, dass die Spieler abwägen müssen, ob sie sich dem nächsten Zombie noch entgegenstellen oder flüchten.
"Dino Crisis 2" setzt seine Gegner nicht spärlich ein. Das Spiel versuchte, das Adrenalin hochzuhalten, die Spieler immer in Bewegung zu halten. Heute wirkt das Spiel, auch dank der antiquierten Soundkulisse, eher wie ein Fließband-Abschießen.
Für die damalige Zeit war "Dino Crisis 2" explizit in seiner Darstellung von Gewalt. Das Blut floss in rauen Mengen. Heute kann diese Inszenierung nicht mehr schocken, da die Spieler ganz andere, realistischere Darstellungen gewohnt sind.
Auch heute noch sorgt es für Spannung, dass in "Dino Crisis 2" nur an bestimmten Stellen gespeichert werden kann. Diese Mechanik ist in modernen Videospielen unüblich, kann jedoch zu brenzligen Überlebenskämpfen führen, wenn den Spielern bewusst ist, dass sie das letzte Mal vor einer Stunde gespeichert haben.
"Silent Hill 3" hat einen verlassenen Vergnügungspark als Kulisse. Allein dieses Szenario reicht, um gruselige Assoziationen zu wecken.
Treffen die Spieler auf die Wesen der Welt von "Silent Hill 3", handelt es sich nicht um übliche Zombies oder Dinosaurier. Es sind Wesen wie aus den schlimmsten Albträumen - verzerrt, verwachsen, verwunschen.
"Silent Hill 3" erzählt eine Geschichte, die die Spieler stets im Ungewissen lässt: Wie viel ist hier echt, was ist Einbildung? Diese Art der Narration funktioniert auch heute noch, da sie nicht explizit ist, sondern vieles im Vagen lässt.
Szene aus "Resident Evil 3: Nemesis": Der titelgebende Nemesis wird in einer Zwischensequenz dargestellt. Solche Videosequenzen waren in den Nullerjahren noch beeindruckend. Sie wurden als Belohnung für Spielerinnen und Spieler eingesetzt, die bestimmte Etappen des Spiels überstanden haben.
Foto: 'Screenshot via MobyGames or similaAuch heute noch sorgt es für Spannung, dass in "Dino Crisis 2" nur an bestimmten Stellen gespeichert werden kann. Diese Mechanik ist in modernen Videospielen unüblich, kann jedoch zu brenzligen Überlebenskämpfen führen, wenn den Spielern bewusst ist, dass sie das letzte Mal vor einer Stunde gespeichert haben.
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