
WM im Roboter-Fußball: Torgefährlich wie die Nationalelf
WM im Roboter-Fußball Der Ball ist rot, und das Spiel dauert 20 Minuten
Hamburg - Außer Atem ist Amy nie. Fast geräuschlos trippelt die Plastik-Fußballerin in Richtung Elfmeterpunkt. 21 Gelenke bewegen sich etwas ungeschmeidig über das grüne Filz-Spielfeld. Das rechte Bein schwingt nach hinten, Schuss, Tor - doch Amy bleibt völlig gelassen, bricht nicht in Jubel aus. Amy ist ein Roboter, Freudentänze sind nicht einprogrammiert.
Die papierkorbgroße Tormaschine tritt bei der Fußballweltmeisterschaft RoboCup in Mexico City an, noch bis zum 24. Juni wird gespielt. Ohne rund 20 Bremer Informatikstudenten, die Amy und ihre Mannschaftskollegen programmieren, wären die Roboter spielunfähig.
Vor der Abreise sitzen die Studenten an ihren Laptops im Roboter-Trainingslager des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen, überall liegen Kabel. "Im Durchschnitt gewinnen wir mit 7,5 Toren Vorsprung", sagt Michel Bartsch und tippt weiter Befehle in seinen Computer ein. Er arbeitet mit bei B-Human , einem Projekt der Informatikstudenten der Universität Bremen und des DFKI. Bei der WM in Mexiko gehen die Bremer als Favoriten ins Turnier. Die German-Open haben sie viermal in Folge gewonnen, die Weltmeisterschaft schon dreimal - jetzt soll auch hier Titel Nummer vier folgen.
Eine Cola-Dose irritiert die Soccerbots
20 Minuten dauert ein Spiel beim RoboCup, jeweils vier Roboter treten gegeneinander an. Amy, Priya, Wil Wheaton und Bernadette - benannt nach Charakteren aus der US-Sitcom "The Big Bang Theory" - reagieren auf Lichtverhältnisse und Farben. Deshalb muss sich im Spiel alles deutlich voneinander unterscheiden: Das Spielfeld ist grün, die Linien sind weiß - wie im normalen Fußball auch. Das Tor allerdings erstrahlt gelb, der Ball rot. "Wenn jemand neben dem Spielfeld eine rote Cola-Dose in der Hand hält, können die Robos schon irritiert sein", sagt Robin Wieschendorf, einer der Studenten.
Natürlich tragen die Roboter auch Trikots, um die Hüften haben sie farbige Schweißbänder. Zwei Kameras an Stirn und Kinn übertragen Bilder vom Spielgeschehen aus der Sicht der Mini-Kicker direkt auf die Laptops der Studenten. Ein Ultraschallsensor auf der Brust sorgt dafür, dass Hindernisse auf dem Spielfeld erkannt werden.
"Die Roboter können sich auch untereinander verständigen", sagt Robin Wieschendorf. Per W-Lan tauschen sie sich über ihre Positionen und die nächsten Spielschritte aus. An sich ist aber jeder von ihnen autonom, kann selbst entscheiden, wo er hinläuft und was er mit dem Ball anstellt. "Wir sind quasi wie Handwerker. Wir bauen auf dem Laptop etwas zusammen, später wird es dann physisch sichtbar", sagt Marcel Steinbeck vom Roboter-Trainerstab.
5000 Seiten Code
Über ein Kabel im Roboterkopf oder per Funk werden die Informationen weitergegeben. Wären die Daten, die die Studenten im Computer programmieren, in Buchform erschienen, hätte es über 5000 Seiten. Beim Turnier dürfen die Studenten dann nicht mehr ins Spielgeschehen eingreifen. Die Programmierung erfolgt vor Spielbeginn, dann müssen die Mini-Kicker von alleine wissen, was zu tun ist. Acht Spiele müssen sie in Mexiko bestreiten. "Unsere schärfsten Konkurrenten kommen aus Sydney, Irland und Texas", sagt Tim Laue, der das Projekt betreut. Und aus Dortmund. "Die Technische Uni hat auch ein sehr gutes Team."
Beim Training eine Woche vor Turnierbeginn läuft allerdings noch einiges schief. Sechs neue Roboter wurden erst eine Woche zuvor von der französischen Herstellerfirma geliefert, nun müssen sie zusammengesetzt und programmiert werden. "Lost, lost", knarzt die weibliche Roboterstimme von Amy. Wie ein Kleinkind, das gerade erst laufen gelernt hat, ist Amy zu schnell zum Ball getrippelt und verliert plötzlich das Gleichgewicht, landet unsanft auf ihrem Rücken. Die Augen leuchten in blau und rot, mit den Händen stützt sie sich ab und richtet sich wieder auf. "White balance set", sagt sie. Weiter geht's.
Trotz kleiner Trainingsschwächen sind sich die Studenten sicher, den Titel verteidigen zu können. Seit zwölf Jahren gibt es das RoboCup-Projekt, es ist Teil des Bachelor-Studiums. "Unser Vorteil ist, dass wir nicht jedes Jahr neu mit dem Schreiben der Programme anfangen müssen", sagt Laue. Die Software wird kontinuierlich weiterentwickelt.
Das RoboCup-Projekt ist eine kostspielige Angelegenheit: Rund 4000 Euro hat jeder der neuen Hightech-Roboter gekostet, finanziert werden sie von der Uni und Sponsoren. Die Reise nach Mexiko zahlen die Studenten selbst. Zu gewinnen gibt es neben einem Pokal lediglich Ruhm und Ehre.
Robo-Trainer Bartsch glaubt an die Überlegenheit der Maschinen. Heute schon könnten Computer jeden menschlichen Schachspieler schlagen. "Irgendwann besiegen unsere Roboter auch die Nationalmannschaft."