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Abenteuerspiel: "Rayman" ist zurück

Spiele-Entwickler Michel Ancel "Die großen Games sehen alle gleich aus"

Er erfand den gewaltlosen Shooter und den sanften Game-Helden Rayman, jetzt macht er Spiele in Guerilla-Manier: Der Spieldesigner Michel Ancel ist ein Brachenrebell. Im Interview erklärt er, warum viele Games trotz riesiger Budgets langweilig sind und wie das iPad den Markt verändert.

SPIEGEL ONLINE: Ihr neues Spiel "Rayman Origins" wird von einem relativ kleinen Team erstellt, wenn man sich zum Vergleich das Spiel zum Film "King Kong" ansieht, das auch von Ihnen entworfen wurde. War die Verkleinerung der Produktion eine bewusste Entscheidung?

Michel Ancel: Ja, wenn sie ein Jahr zurückgehen, bestand das Team aus fünf bis zehn Leuten. Ich wollte eine Person für die Hintergründe, eine für die Musik, eine für die Charaktere, damit der kreative Prozess intensiver und persönlicher ist. Wenn wir mit einem kleinen Team arbeiten, können wir uns auf Überraschungen und einen besonderen Touch konzentrieren.

SPIEGEL ONLINE: Wie wichtig ist es für Sie, etwas Persönliches einzubringen und die Kontrolle über das Spiel zu behalten?

Ancel: Es gibt eine Menge persönlicher Ideen. In diesem Spiel sind viele kulturelle Elemente, die von der Kunst beeinflusst sind, besonders von der französischen. Wir arbeiten mit Künstlern zusammen, die aus den besten Kunstschulen Frankreichs kommen, und wir sorgen dafür, dass sie Einfluss auf das Gameplay haben.

SPIEGEL ONLINE: Sind Games für Sie eine Kunstform?

Ancel: Das ist schwer zu bestimmen, aber ich denke ja, denn wie jeder Künstler beginnen wir mit einer leeren Seite. Wir sehen Games als eine Möglichkeit, Gefühle auszudrücken und eine Geschichte zu erzählen, anstatt nur Highscores zu knacken oder eine gute Leistung zu erzielen. Es ist ein Weg, um die Phantasie zu erforschen. Im Spiel müssen Sie nicht alles zeigen. Sie können Geräusche erzeugen, die die Menschen dann hören und sich etwas vorstellen. All diese Elemente, die man in Filmen oder Büchern findet, können Sie auch in Games finden.

SPIEGEL ONLINE: Die Industrie als Ganzes scheint einen anderen Weg einzuschlagen, mit immer größeren Teams und höheren Budgets. Sind diese Blockbuster-Titel auch noch Kunst?

Ancel: Kommt darauf an. Selbst die größten Spiele können kreativ sein. Bei einem Film zum Beispiel sind viele Menschen beschäftigt, aber Drehbuchautor und Regisseur bestimmten am Anfang die Richtung. Zwischen der Anzahl der Personen und der künstlerischen Gestaltung besteht kein direkter Zusammenhang. Wenn Sie selber etwas verwirklichen wollen, ist es am Anfang sehr wichtig, dass sie etwas Persönliches machen und keine Kompromisse gegenüber dem Marketing und solchen Dingen eingehen. Bei der Produktion eines Games geht es nicht darum, den Prozentanteil an Fantasy oder Science Fiction zu berechnen.

SPIEGEL ONLINE: Es sieht so aus, als wäre seit einiger Zeit aber genau das die Methode, um Spiele zu produzieren.

Ancel: Ich glaube nicht, dass das auf lange Sicht Erfolg haben kann. Kurzfristig ist es sicher cool, das kann funktionieren, weil es in der Spiele-Industrie bis vor einigen Jahren noch nicht so viele Blockbuster und hohe Budgets gab. Aber die großen Games sehen alle gleich aus. Das ist pure Mathematik, die Addition von Elementen. Ich glaube, dass die Menschen langfristige eher nach eingehenden Spielerlebnissen suchen als nach Knalleffekten.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben sich vor acht Jahren mit "Beyond Good & Evil" an einem tiefgründigen Game versucht, sind aber zumindest kommerziell gescheitert. Glauben Sie, dass sich seitdem etwas geändert hat?

Ancel: Ich weiß nicht, ob sich seitdem so viel getan hat, aber ich denke, dass wir heute mehr Möglichkeiten mit anderen Plattformen haben. Mit einem solchen Spiel könnte man heutzutage experimentieren: Man könnte es als Download anbieten oder etwas für das iPad daraus machen.

SPIEGEL ONLINE: In den vergangenen zwei Jahren haben sich Western und Detektiv-Abenteuer gut verkauft. Solche Games hatten bis dahin kaum eine kommerzielle Chance.

Ancel: Aber auch diese Spiele setzen auf Waffen oder haben eine brutale Handlung. Solche Games sind gut und interessant, aber "Beyond Good & Evil" war noch einmal anders: Die Hauptfigur ist eine Frau, sie hat keine Waffe, sie ist eine Journalistin. Und das lässt die Menschen vorsichtig werden. Auf der Packung trägt sie eine Kamera und kein Gewehr. Wir haben zum Spaß die Kamera durch eine Waffe ersetzt und es sah aus, als könnten wir so mehr Spiele verkaufen. Es kann die gleiche Geschichte sein, mit einem bewaffneten Mann auf der Box würde es noch besser laufen. Aber ich wollte meine Vorstellung von dem Game nicht dafür opfern.

SPIEGEL ONLINE: Wie verändern neue Geräte wie das iPad den Markt und vor allem die Produktion von Spielen?

Ancel: Ich vergleiche das immer mit Filmen: Einerseits gibt es die großen Kinos, andererseits Fernseher, mittlerweile auch noch Computer und Angebote wie YouTube. Ich glaube, dass es immer Games für HD-Konsolen und für Handhelds geben wird. Gleichzeitig wird die Frage nach dem Inhalt wichtiger als die nach der Plattform, auf der man ein Game spielt.

SPIEGEL ONLINE: Kommt mit den neuen Geräten die Kreativität zurück?

Ancel: Ich glaube, dass kleine Spiele wieder kreativer werden und dass diese Sparte bisher zu kurz kam. Es gibt neue Ideen auf dem Spielemarkt, aber es ist genau wie mit Fernsehen und Kino, die schaden sich auch nicht gegenseitig. Ein Game wie "Rayman Origins" könnte nicht auf dem iPad funktionieren, weil ein wichtiger Teil das gemeinsame Spielen ist. Das geht nur auf einer Wohnzimmerkonsole. Ein "Rayman"-Spiel für das iPad würde ganz anders aussehen.

SPIEGEL ONLINE: Sie scheinen eine einzigartige Position in der Branche zu haben. Sie und Ihr Team arbeiten in einer alten Villa am Mittelmeer, die Konkurrenz arbeitet in großen Studios, die in Bürogebäuden untergebracht sind. Wie erreicht man so eine Unabhängigkeit?

Ancel: Ich kann nur für mich sprechen, die Produktion eines Games kann sehr schwierig sein, es gibt eine Menge Druck. Denn die Spieler wollen einerseits Dinge, die sie schon kennen, und trotzdem wollen sie überrascht werden. Diese Ansprüche müssen Sie in Einklang bringen. Das ist so, wie wenn Sie das neue Album Ihrer Lieblingsband anhören: Wenn es wie das letzte Album klingt, ist es langweilig, aber wenn die Band etwas ganz Neues ausprobiert, dann ist es nicht mehr Ihre Band. Sie müssen ein Gleichgewicht zwischen alt und neu finden.

SPIEGEL ONLINE: Was war das letzte Spiel, das Sie wirklich überrascht hat?

Ancel: Das war wohl " Limbo". Gerade freue ich mich auf "The Last Guardian", das neue Spiel von den Machern von " Ico". Das ist das, was ich meinte: Wir wissen etwas über diese Spielewelt, weil wir "Ico" und "Shadow of the Colossus" gespielt haben, gleichzeitig wollen wir überrascht werden. Und das ist die Art von Game, die ich auch machen will.

Das Interview führte Carsten Görig

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