Sprachchats in Spielen Schweigen kann so schön sein

Blizzards "Overwatch"
Foto: Blizzard Entertainment
"Zwei auf Bombenplatz B."
"Aufteilen, Flanken sichern."
"Go go go."
In meiner Erinnerung klingen die ersten Runden mit "Counter-Strike" im Voice-Chat, damals rund um die Jahrtausendwende, noch genau so. Eine Horde von 16- bis 19-Jährigen, die pseudocoolen Militärsprech in Mikrofone brüllt, um Angriffe auf ihre Gegner zu koordinieren. Rückblickend ist das peinlich, damals war es cool.
Cool war es vor allem, weil wir auch mit Mitspielern sprechen konnten, die nicht nur einen Rechner weiter saßen. So ließen sich nicht nur die vielen Zwangspausen bei "Counter-Strike" überbrücken, die Sprachübertragung war auch für sich neu und aufregend.
Die ersten Tools wie TeamSpeak oder Roger Wilco waren zwar kein Musterbeispiel für intuitive Bedienung, die Sprachqualität dank mieser Headsets und langsamer Verbindungen oft grausam. Aber trotzdem fühlte es sich an, als seien wir die Vorhut einer kleinen Spielerevolution.
Die Xbox 360 machte Voice-Chat zum Massenphänomen
Zugänglich für die meisten normalen Spieler wurde der Voice-Chat erst mit dem Start von Xbox Live. Schon bei der ersten Xbox hatte Microsoft mit Online-Verbindungen erfolgreich experimentiert, bei der Xbox 360 rückte man das gemeinsame Spielen in den Mittelpunkt. Herzstück dieser Strategie war die simple Idee, jeder Konsole ein Headset beizulegen. Und plötzlich hatten nicht nur ein paar Hochmotivierte, sondern schlicht alle Spieler die Möglichkeit, sich auszutauschen. Oder zu beschimpfen.
Denn schlechte Verlierer und schlechtere Gewinner gab es natürlich von Anfang an. Aber die schlimmsten Beleidigungen waren in der Anfangszeit von Voice-Chat und Xbox Live noch harmlose Begriffe wie "Noob" oder "Lucker". Spieler ohne Manieren waren damals klar in der Minderheit. "Killer-Kevin" nannten wir solche Leute spöttisch. Kein besonders netter Begriff all den vernünftigen Kevins gegenüber, aber wenigstens ein griffiger.

Sprachaustausch: Voice-Chat in Spielen
Vom Noob zum Opfer: Die Stimmung kippt
"Killer-Kevins" konnte man damals prima an ihren Namen voller "xXx" oder "420" erkennen. Solange sie in der Unterzahl waren, ließ sich ihr Getöse gut ignorieren oder auslachen. Aber irgendwann kippte die Balance. Der Tonfall wurde toxisch - aus dem Noob wurde das Opfer, aus dem Lucker eine Litanei nicht enden wollender sexistischer, homophober oder rassistischer Beleidigungen. Übrigens nicht nur von Kindern und Pubertierenden, wie viele Spieleveteranen gerne behaupten, sondern oft genug von Menschen weit jenseits des Stimmbruchs.
Dazu sei gesagt, dass ich zu den ein Stück weit privilegierten männlichen Spielern gehöre. Die Liste an Beschimpfungen, die ich im Laufe der Jahre gehört habe, ist nicht gerade kurz. Sie ist aber auch kaum zu vergleichen mit der Lawine an Schmutz, die manche Spielerinnen ertragen mussten und müssen. Kein Wunder, dass die sich oft als erste in die private Umgebung von Clan- und Party-Chats zurückzogen. Andere vernünftige Spieler folgten wenig später.
Auf der Konsole ist von der Utopie des offenen Spielens und Sprechens so kaum etwas übrig geblieben, zumindest, soweit ich das erlebe. Und viele PC-Spiele bieten gleich gar keine eigene Voice-Chat-Funktion mehr, sondern verlassen sich auf Drittprogramme wie Mumble und Ventrilo.
Und wenn sie wie Blizzards neuer Multiplayer-Shooter "Overwatch" doch eine eigene Lösung an Bord haben, entsteht dort innerhalb kürzester Zeit die gleiche schimpfende, anfängerfeindliche Community wie in anderen Titeln.
Ping und Emotes: Kommunikation auf anderen Wegen
Doch heutzutage zeigt sich eben auch: Durch das fehlende Gespräch mit Fremden geht kaum etwas verloren. Selbst komplexe Titel wie "League of Legends" oder "Dota 2" lassen sich ohne Voice-Chat ordentlich spielen, weil es dort Tools wie das Ping-System gibt, mit dem Spieler für ihre Teammitglieder Orte auf der Karte markieren.
Im Kartenspiel "Hearthstone" oder in "Clash of Kings" ersetzen Emotes wie "Well played" das direkte Gespräch. Und Nintendos familienfreundlicher Shooter "Splatoon" verzichtet fast ganz auf Kommunikationsmöglichkeiten - und funktioniert trotzdem wunderbar.
Der beste Beweis dafür, dass Schweigen oft besser ist als Sprechen, liefert für mich aber das Spiel "Journey". Auf seiner Reise durch die Wüste begegnet man dort anderen Spielern, mit denen man ein Stück des Weges gemeinsam zurücklegt.
Selten habe ich mich fremden Mitspielern so verbunden gefühlt, obwohl oder weil ich nur über eine Art Klageruf mit ihnen kommunizieren konnte. Das Erwachen kam erst am Ende, als "Journey" die Namen meiner stummen Begleiter einblendete. Da waren sie nämlich wieder, die "xXx" und "420". Die "Killer-Kevins". Ganz still, und so sogar ganz sympathisch.
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