
Browserspiel: So sieht "The Curious Expedition" aus
"The Curious Expedition" im Test Mit Darwin den Dschungel überleben
Es war ein Fehler, auf die Nonne zu verzichten. Am 63. Tag ihrer Reise durch die Wüstenlandschaft droht eine Gruppe mutiger Entdecker wahnsinnig zu werden. Mit Schwester Aericha an ihrer Seite hätte sie in der unwirtlichen Umgebung länger bei Verstand bleiben können.
Weil die Nonne trinkt, war ihr der Journalist Tim Timster vorgezogen worden. Seine Reportage würde außerdem Ruhm für die Anführerin der Expedition, Marie Curie, bedeuten. Jetzt aber drohen alle Expeditionsteilnehmer Alkoholiker zu werden, so schwach ist ihr Geist. Und von Heldentaten kann nur berichten, wer überhaupt wieder im Heimathafen landet.
Gamer sind Abenteurer. Ob raffiniertes Rollenspiel oder stumpfer Shooter - nichts motiviert so sehr wie die Frage, was als nächstes passiert. Von Neugier getrieben, können Spieler virtuelle Welten etwa als Touristen bereisen. Doch die Abenteuer, die der Tourismus bietet, sind in der Regel durch All-Inclusive-Komfort und geführte Touren gezähmt. Den Urlaubermassen gingen in der Regel wagemutigere Menschen voraus.

Virtuelle Orte: So schön sind Spielewelten
Ein Vorzeigetitel
Das Berliner Indie-Studio "Maschinen-Mensch" veröffentlicht mit "The Curious Expedition" eine spielerische Hommage an die großen Entdecker. Das Spiel hatte bereits vorab den Deutschen Entwicklerpreis für das beste Indie-Game 2015 gewonnen und wurde für den Deutschen Computerspielpreis nominiert. Zudem erhielten die Entwickler für ihre Idee eine Förderung vom Medienboard Berlin-Brandenburg.
Nun verlässt ihr Spiel die Early-Access-Phase und schickt einen im Zeitalter des Kolonialismus auf Forschungsreise in eine Welt, die den Abenteuerromanen von Jules Verne entsprungen sein könnte. Doch nicht nur das Staunen über die Fremde lockt: Auch eine Dunkelheit wie aus Joseph Conrads Erzählung "Herz der Finsternis" bedroht die Reisenden (siehe Fotostrecke).
Wie in Vernes Roman "In 80 Tagen um die Welt" beginnt alles mit einem Wettstreit der feinen englischen Gesellschaft, die sich in elitären Klubs trifft. Status erlangt hier, wer im Namen der Krone die Welt bereist und mit abenteuerlichen Geschichten, vor allem aber mit kostbaren Schätzen zurückkommt. Also eifert man um den Thron der Entdecker.
Vielfältige Auswahl für die Spieler
Die Spieler können zwischen Persönlichkeiten des späten 19. Jahrhunderts wählen, die jeweils spezielle Ausrüstung und Charakterzüge besitzen. Die Entwickler würdigen mit ihrer Auswahl die Pioniere der damaligen Zeit. Sie berücksichtigen dabei herausragende Männer, aber auch Frauen. Und auch an zwei schwarze Hauptfiguren hat man gedacht.
In Videospielen ist eine solche Vielfalt nicht selbstverständlich. Auch angesichts der Umgebung des europäischen Kolonialismus, in dem das Spiel stattfindet, wirkt es wie ein selbstbewusstes Statement, neben Charles Darwin und Sir Francis Burton etwa auch Freya Stark und Harriet Tubman spielbar zu machen.
Spielerisch hat man die Wahl: Nimmt man sich als Kolonialist, was immer man will, oder bemüht man sich um ein gutes Auskommen mit den Ureinwohnern? Jede kleine Entscheidung hat großes Gewicht. Madame Curie gelang es im Test gerade noch, die Kapelle eines Missionars zu erreichen. Der verlangt zwar einen Preis für die Unterkunft, da keine Nonne in der Gruppe ist, aber immerhin kann man dort rasten. Verrückt werden die Spielfiguren nicht mehr.
Munition einpacken - oder wertvolle Schätze?
Sie können sogar ihre bisher gesammelten Schätze dort ablegen und nach Hause transportieren lassen. Ein guter Service, denn der Platz im Inventar ist sehr knapp. Doch an der nächsten Ruine wird die Gier des Spielers zum Verhängnis.
Wer die alten Artefakte der Ureinwohner stiehlt, löst meistens eine Katastrophe aus. Diesmal öffnet sich eine Schlucht. Die Abenteurer entkommen gerade noch. Das Haus des Missionars aber und mit ihm die dort gelagerten Schätze verschwinden im Nichts. Wie gewonnen, so zerronnen.
Nicht nur Personalentscheidungen müssen die Spieler treffen. Sie müssen auch abwägen, welche Ausrüstung mitgenommen wird. Ein paar Pistolenkugeln können bei der Begegnung mit einem wilden Tier oder schlimmeren Monstern den Unterschied ausmachen. Die Kämpfe sind Würfelrunden, je nach Zusammensetzung der Gruppe und ihrer Ausrüstung hat man andere Würfel.
Aber wer Munition mitnimmt, hat vielleicht keinen Platz mehr für einen Schatz, den man später dem Museum vermachen kann, um Ruhm zu erhalten. Oder den man verkaufen kann, um die nächste Expedition zu finanzieren. Oder schlimmer: Es bleibt dann kein Raum mehr für dringend benötigtes Wasser und Essen.
Das Spiel mit der Gier
"The Curious Expedition" ist weniger literarisch als etwa der interaktive Roman "80 Days", der sich ebenfalls auf Jule Vernes Abenteuer beruft. Die Dialoge wirken mechanischer und sind weniger vielseitig, sodass Spieler bald erahnen können, welche Sätze ungefähr welche Konsequenzen bedeuten. Dafür ist "The Curious Expedition" kein reines Textspiel, sondern setzt auf Pixel-Nostalgie und die sehr freie Navigation auf Landkarten.
Bemerkenswert ist, dass das Spiel komplett in HTML5 geschrieben ist und so in den meisten modernen Browsern läuft. Das beweist, dass Browsergames heute nicht nur "Farmville"-Klone sein müssen.
Befriedigend an "The Curious Expedition" ist noch, dass sich ein Game over hier selten nach Pech und meistens nach eigener Schuld anfühlt. Man müsste schließlich nicht so eitel sein, der tollste Entdecker von allen sein zu wollen. Man hätte auf der Karte gleich in Richtung der Kompassnadel gehen können, statt eine Höhle auf der anderen Seite zu erkunden.
In "The Curious Expedition" steckt viel Liebe für Abenteuergeschichten und Respekt vor den Entdeckerinnen und Entdeckern. Vor allem aber ist es ein Spiel mit der Gier, das geschickt die Psychologie seiner Spieler ausnutzt.
"The Curious Expedition", für PC, circa 15 Euro, curious-expedition.com