Queere Charaktere in "The Last of Us Part 2" Kein Verstecken, kein Relativieren

Szene aus "The Last of Us Part 2": Es geht nicht nur um Hass und Rache
Foto: Sony Interactive EntertainmentSpoiler-Hinweis: Wer vor dem Selbstspielen lieber nichts über die Figuren in "The Last of Us Part 2" erfahren möchte, sollte diesen Artikel erst zu einem späteren Zeitpunkt lesen. Das Spiel erscheint am Freitag, 19. Juni, für die Playstation 4.
Nachdem der Joint entzündet ist und das THC zu wirken beginnt, löst sich die Stimmung. Auf einem ranzigen Sofa in einem Keller voller Cannabispflanzen kommen sich Ellie und Dina näher. Sie sprechen über ihren ersten Kuss vor wenigen Tagen, küssen sich noch einmal. Und dann noch viele weitere Male.
"The Last of Us Part 2" erzählt von Hass und Rache (unseren Test zum Spiel finden Sie hier), aber auch Geschichten von queerem Begehren. Die Spieler und Spielerinnen steuern Ellie, eine von zwei Protagonistinnen, und erleben aus ihrer Perspektive die komplizierte und komplexe Beziehung zu ihrer Begleiterin Dina. Für ein Videospiel ist das ungewöhnlich. Queere Erzählungen und Charaktere haben gerade in Blockbuster-Produktionen selten einen Platz - "The Last of Us Part 2" ändert diesen Umstand auf mehr als eine Weise.

"The Last of Us Part 2": Liebe und Überlebenskämpfe
Ein Kuss und seine Auswirkungen
Bereits im ersten Teil konnten Spieler erfahren, dass Ellie sich zu Frauen hingezogen fühlt. Damals wurde diese Geschichte noch in die Zusatzstory "Left Behind" ausgelagert, die gesondert gekauft werden konnte. Nach einem Trailer für "The Last of Us Part 2", der 2018 auf der Spielemesse E3 präsentiert wurde und der in Großaufnahme zeigte, wie zwei Frauen sich küssen , gab es auf der einen Seite homophobe Äußerungen von Gamern und auf der anderen Seite die Sorge queerer Spieler, dass es sich um Queerbaiting handeln könnte - also um die Praxis, queere Geschichten anzudeuten, aber nicht auszuerzählen.
In "The Last of Us Part 2" ist das Begehren zwischen Ellie und Dina zunächst sprachlos. Beide müssen die richtigen Worte für ihre Gefühle finden, müssen Gesten und Andeutungen lesen lernen. Ähnlich wie im Leben queerer Menschen gilt es für beide, eine Sprache zu finden, eine eigene Narration für ihre Beziehung. Dies ist ein zentraler Teil des Spiels. Immer wieder gibt es darin auch stille Momente. Auf dem schäbigen Sofa etwa, in einer Synagoge oder auch in der vermeintlichen Sicherheit einer selbst geschaffenen Heimat, in der dem Erzählen dieses Begehrens Raum gegeben wird.
Alle Spieler werden damit konfrontiert. Das Geschehen lässt sich nicht ausblenden, da es fester Teil der Handlung ist. Was in vielen anderen Medien längst üblich ist, wird durch das Entwicklerteam von Naughty Dog hier nun zum ersten Mal in einem Blockbuster-Videospiel versucht: das Erzählen einer queeren Geschichte, die deutlich als solche lesbar ist und die zur DNA des Spiels gehört.

"The Last of Us Part II": Eine queere Geschichte, die deutlich als solche lesbar ist
Foto:Sony Interactive Entertainment
Vor allem für heterosexuelle Spieler
Es wird kein Zufall sein, dass sich dieser Versuch, eine queere Geschichte ins Zentrum zu rücken, um zwei attraktive Frauen dreht. In der Spielebranche ist es praktisch Tradition, mit Games vor allem auf ein heterosexuell-männliches Publikum abzuzielen. Über die Jahre wurde es zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung, dass sich nur Männer für Spiele interessieren. Spuren dieses Denkens existieren bis heute, und mit ihnen wohl auch der Glaube, dass ein queerer Mann als Protagonist jenes Publikum abschreckt, während eine queere Frau anziehend wirken könnte.
Geschichten um marginalisierte Menschen haben es schwer, wenn Spielemacher Verkaufszahleneinbrüche befürchten und deshalb nicht heterosexuellen oder auch nicht weißen Charakteren kaum Platz einräumen - was es wiederum schwer macht, ein Publikum aufzubauen, das diese Geschichten erleben möchte. Der Launch-Trailer von "The Last of Us Part 2" fokussierte sich übrigens auch wieder ganz auf die Gewalt, keine Spur mehr vom Begehren zweier Frauen.
Queeres Glück?
Wer das Spiel spielt, wird trotzdem überrascht sein: Denn in "The Last of Us Part II" wird sogar mehr als eine queere Geschichte erzählt. Im Laufe des Plots begegnen die Spieler auch noch Lev, einem Transjungen. Auch seine Geschichte wird zentral, seine Belange und Sorgen werden zu denen der Spieler. Etwa dann, wenn sie sich daranmachen, ihn davon abzuhalten, seine Mutter zu besuchen, die ihn wohl misshandeln würde - weil er trans ist. Und Lev möchte auch nicht gefragt werden, wieso er früher einen anderen Namen, den Deadname, hatte . Lev will nicht hinterfragt werden, sondern einfach nur existieren. Und dieses Ziel wird auch zum Ziel der Spieler - von denen sich manche mutmaßlich noch nie zuvor mit Transpersonen auseinandergesetzt haben.
"The Last of Us Part 2" von Sony, für Playstation 4, ca. 60 Euro; USK: Ab 18 Jahren
So ist das bestimmende Thema in "The Last of Us Part 2" zwar sicherlich die Gewalt. Sie legt sich über jedes Begehren, jede Liebe, jede aufkeimende Hoffnung. Das ist der Rahmen, in dem alles erzählt wird. Dennoch wird das queere Begehren nicht relativiert, nicht versteckt. Und für einige Spieler dürfte der größte Schock des Spiels daher der sein, dass es sie mit Geschichten konfrontiert, denen sie sonst aus dem Weg gehen.
Egal ob lesbisch, pansexuell oder trans: Das Spiel lässt die Spieler Identitäten erleben, die fern sind von dem, was sonst in Mainstream-Videospielen konstruiert wird. Der strahlende, weiße, heterosexuelle Held, er existiert hier nicht.
Ein weiterer Schritt für die Branche wäre es nun, dass queere Geschichten in einem Blockbuster-Videospiel auch mal ein gutes Ende finden. Dass sie nicht nur im Kontext einer zerfallenen Welt mit ständig lauernden Gefahren erzählt werden können. Sondern auf die Art, dass diese Figuren glücklich werden.