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Analoge und digitale Spiele: Der Tod ist ein Spielverderber

Foto: Digital Leisure Inc/ Dragon's Lair LLC.

Sterben in Spielen Game over, du bist tot

Schach, "Pac-Man", "Mortal Kombat" - in der Welt der Spiele ist Sterben ein Synonym für Verlieren. Das frühe Ausscheiden wird jedoch seltener, heute animieren Designer zum Weiterspielen.
Von Fabian Mauruschat

Sterben ist demütigend. Zumindest im Ego-Shooter. Als Leiche liegt man auf dem Boden der monsterverseuchten Raumstation und wird selbst tot noch von Mutanten und Zombies traktiert. Im schlimmsten Fall muss man im Multiplayer-Modus ein sogenanntes Teabagging erdulden. Dabei stellt sich ein Gegenspieler auf die Leiche und geht immer wieder in die Hocke. Symbolisch drückt er dem Besiegten seine Hoden aufs Gesicht. Dieses pubertär anmutende Ritual der Shooterszene soll sich zum ersten Mal im Multiplayermodus von "Halo" (2001) abgespielt haben. Die Bezeichnung Teabagging stammt dabei aus einem Film von Trash-Regisseur John Waters. Er soll diese Praxis angeblich in einem Strip-Club in Baltimore gesehen haben.

Sterben ist langweilig. Wer bei "Mensch ärgere Dich nicht" rausgeschmissen wird, muss auf die nächste gewürfelte Sechs warten, beim Western-Kartenspiel "Bang!" ist man erst einmal raus und kann nur hoffen, dass die Mitspieler bald fertig sind mit ihrem Shoot-out.

Sterben ist frustrierend. Das Ableben in den Jump-'n'-Run-Spielen der Achtziger bedeutete tatsächlich ein Game-over. Nach fünf Toden durch die kleinen braunen Killerpilze namens Gumbas oder Piranha-Pflanzen musste Super Mario wieder ganz von vorne anfangen. Wie beim Vorbild der Arcade-Automaten, den Flippern. Da gab es auch nur fünf Kugeln.

Eine Geschichte von Tod und Wiedergeburt

Endgültig war das Ableben in der Urgeschichte der Games. Mit "Spacewar!" kam es 1962 zum ersten Tod auf einem digitalen Spielfeld. Zwei Raumschiffe nahmen sich gegenseitig unter Beschuss. Bei einem Treffer explodierte das getroffene Schiff - die erste Todesanimation.

Dieses Alles-ist-vorbei-Prinzip namens Permadeath findet sich auch in den ältesten Analogspielen. Eine unrettbare Gruppe von Spielsteinen beim "Go" wird "tot" genannt. Beim Schach ist die geschlagene Figur für immer vom Brett, oder jedenfalls bis zur nächsten Partie. Aber hier gibt es schon einen Ausweg aus dem Reich der Toten: Überquert ein Bauer das Brett komplett, kann er durch eine andere Figur ersetzt werden, auch wenn sie schon aus dem Spiel genommen wurde: Wiedergeburt, womöglich als Dame.

Eine Wiedergeburt erkennt der ungarische Spieleforscher András Lukácsy auch bei "Mensch ärgere Dich nicht". Schon das Vorbild, das indische "Pachisi", sei von der hinduistischen Lehre der Reinkarnation beeinflusst. Stirbt ein Mensch bei seiner Reise durch die Welt, wird er wiedergeboren und beginnt die Reise erneut. Erst nach dem Erreichen des Nirwanas ist der ewige Zyklus beendet.

Die Arcade-Titel der Siebziger schaffen den Permadeath als geschäftsschädigend ab. "Street Fighter" und andere Beat'em-ups zeigten nach dem verlorenen Kampf einen Todescountdown, der durch den Einwurf von frischen Münzen abgebrochen werden konnte.

Savegames ermöglichten in den Achtzigern immer komplexere Spielwelten für Konsole und PC, da Spiele nicht mehr an einem einzigen Tag oder in wenigen Stunden durchgespielt werden mussten. Vorreiter war wahrscheinlich das Text-Adventure "Zork I" von 1980.

Mit Evolution dem Tod ein Schnippchen schlagen

Endgültig war der Tod im Dungeon-Erkundungsspiel "Rogue" von 1981. Trotz simpler Grafik hat es ein ganzes Subgenre, die Rogue-likes, begründet. Die müssen nach jedem Pixeltod neu begonnen werden. Bei Spielen der neueren Rogue-like-Generation wie" Rogue Legacy" kann man sich aber auch mit jedem Tod verbessern, andere Klassen freischalten oder sich bessere Startbedingungen erspielen. Die Weitergabe von Eigenschaften an die nächste Generation von Pixelmännchen erinnert an den uralten Trick der Natur, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen: Evolution.

Heute haben die Designer analoger und digitaler Spiele dem Tod die Endgültigkeit entzogen. Frühes Ausscheiden wie beim modernen Klassiker "Risiko" ist heute ein No-Go. Beim Brettspiel "Village" von 2011 steuert man die Geschicke einer ganzen Familie von Dorfbewohnern. Irgendwann beißt auch hier die erste Generation ins Gras - und sichert Siegpunkte durch das Eingehen in die Dorfchronik.

Digitale Games bieten Vermeidungsstrategien. Das reicht vom Respawn (wörtlich übersetzt: Wiedererzeugung), einer spontanen Wiedergeburt meistens im Multiplayer-Modus bis zum Zurückversetzen an den letzten Checkpoint. Das frustrierende "Game over" ist einem "Gleich geht's weiter" gewichen. Der Tod ist nur noch eine kleine Hürde, die möglichst wenig Frustration aufkommen lassen soll.

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