Web-Projekt Zehntausende schauen interaktivem "Pokemon"-Spiel zu

Massenjagd auf Nintendos Gameboy-Monster: Auf der Plattform Twitch verfolgen Zehntausende die Live-Übertragung eines "Pokemon"-Spiels. Das Besondere: Die Zuschauer können an dem Spiel teilnehmen, gleichzeitig.
"Twitch Plays Pokemon": Mitspielen per Live-Chat

"Twitch Plays Pokemon": Mitspielen per Live-Chat

"Twitch Plays Pokemon" ist ein Projekt, das sich nur schwer einordnen lässt. Geht es um Chaos und Anarchie? Um Schwarmintelligenz oder Crowdsourcing? Ist es das "soziale Experiment", als das es der anonyme Initiator vermarktet? Den besten Eindruck jedenfalls liefert ein Klick auf die Projektseite  - auch auf die Gefahr hin, dort minutenlang hängenzubleiben. Denn bei "Twitch Plays Pokemon" hatte jemand eine so absurde Idee, dass sie schon wieder fasziniert.

Grundsätzlich ist "Twitch Plays Pokemon" ein Livestream - Nutzer können den Spielverlauf der hierzulande 1999 erschienenen roten Edition des Gameboy-Spiels "Pokemon" verfolgen. Der Clou ist aber das Chatfenster neben dem Video: Hier können alle eingeloggten Nutzer per Texteingabe Tastendrücke wie "a" oder "select" übermitteln. Eine Software übermittelt die Eingaben anschließend an das Spiel, das in einem Emulator läuft. "Twitch Plays Pokemon" ist also auch interaktives Fernsehen, ein origineller Versuch, Spielern aus aller Welt das gemeinsame Zocken zu ermöglichen.

Start-Button zeitweise gesperrt

Praktisch macht es natürlich einen Unterschied, ob ein Spieler die acht Gameboy-Tasten bedient oder mehrere hundert dies gleichzeitig tun. So kommt es vor, dass die Spielfigur minutenlang durch einen Raum läuft, mit abrupten Richtungswechseln. Anschließend wird das Spiel gespeichert - einmal, zweimal, dreimal hintereinander.

Damit auf Dauer überhaupt ein Spielfortschritt möglich ist, sperrt der Initiator zwischenzeitlich immer wieder den Start-Button. "Spammer haben diesen Button zu oft gedrückt", heißt es in der FAQ-Sektion unter dem Videofenster . Dienstagvormittag wurde auch das Eingabesystem dahingehend angepasst, dass fünf Sekunden lang alle Tastendrücke gesammelt werden. Anschließend wird der jeweils beliebteste Befehl ausgeführt.

50.000 Zuschauer an einem Dienstagvormittag

Mit Unterbrechungen läuft die Übertragung nun seit fünfeinhalb Tagen. Selbst an einem Dienstagvormittag kommt er auf knapp 50.000 Zuschauer, von denen sich zumindest ein Teil aktiv beteiligt. Mit "RNG Plays Pokemon"  gibt es bereits eine Parodie, in der ein Zufallsgenerator die Tastendrücke vorgibt.

Wie gut das Web-Projekt ankommt, zeigt sich, wenn der Stream hin und wieder für einige Minuten ausfällt und zahlreiche Chat-Nutzer um dessen Rückkehr flehen - in dieser Zeit fallen Sätze wie "Gebt uns unser Fossil zurück".

Von Nintendo oder der Entwicklerfirma Game Freak sind bislang keine Reaktionen auf "Twitch Plays Pokemon" bekannt. Möglich, dass die Firmen das Projekt tolerieren, schließlich könnte es dem ein oder anderen Spieler Lust auf die aktuellen Teile der Serie machen. Die kann man dann auch ganz allein spielen.

mbö
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