Hype um Taktik-Shooter Ist "Valorant" das neue "Counter-Strike"?

Schon vor dem Erscheinen bricht "Valorant" Streamingrekorde. Entwickler Riot Games hat seinen neuen Titel nicht nur geschickt in Szene gesetzt, sondern auch aus den Schwächen der Konkurrenz gelernt.
Shooter "Valorant": In der Gamerszene ein großes Gesprächsthema

Shooter "Valorant": In der Gamerszene ein großes Gesprächsthema

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Riot Games

In Zeiten der Pandemie verbringen viele Menschen viel Zeit zu Hause. Eine Folge: Die Gaming-Branche boomt. Das heißeste Thema im Bereich Multiplayer-Spiele ist aktuell "Valorant", ein Taktik-Shooter von Riot Games, den Entwicklern von "League of Legends". Dabei hat das Spiel bisher noch nicht einmal ein offizielles Erscheinungsdatum.

Seit dem 7. April läuft online eine geschlossene Beta-Version, ausgesuchte Spieler testen das Spiel dabei im Livebetrieb - und können währenddessen live streamen. Das befeuert den Hype um "Valorant", der bereits im Vorfeld groß war. Auf Twitch wurden allein am ersten Tag der Beta insgesamt 34 Millionen Stunden "Valorant" geschaut - ein neuer Rekord. Seitdem ist der Titel auf der Livestreaming-Plattform das mit Abstand beliebteste Spiel. Ein Erfolg, den Riot Games geschickt forciert hat.

Der Hersteller nutzt die Betaphase nicht nur wie in der Branche üblich dafür, sein Spiel durch einen kleinen Kreis aus der Community auf Kinderkrankheiten prüfen zu lassen, sondern er setzt sie als Marketing-Tool ein. Wer "Valorant"-Streams auf Twitch schaut, hat nämlich die Chance, ebenfalls für die Beta freigeschaltet zu werden und das Spiel selbst Probe zu spielen. Das Ergebnis: Reichweitenstarke Streamer aus aller Welt, die selbst vorab Zugänge bekamen, spielen nun "Valorant" anstatt anderer Titel, womit sie noch mehr Zuschauer anlocken als ohnehin schon - weil diese sich wiederum einen Zugang erhoffen.

Dieses Vermarktungskonzept ist bemerkenswert, zumal "Valorant" nach seinem offiziellen Erscheinen kostenlos spielbar sein wird. Erlöse sollen Verkäufe von "Skins" bringen, also kosmetische Änderungen an den Waffen. Dieses Modell hat sich für Riot Games bereits bei seinem Flaggschiff bewährt.

Revierkampf mit einem Klassiker

Das Spielprinzip von "Valorant" ist leicht zu verstehen. Fünf Angreifer sollen einen Sprengsatz, "Spike" genannt, an einem bestimmten Ort auf der Karte detonieren lassen und die fünf Verteidiger wollen das verhindern. Riot Games übernimmt damit ein erprobtes Spielprinzip aus dem Taktik-Shooter-Bereich, mit dem ein anderer Titel seit zwei Jahrzehnten vom Amateur- bis zum Profibereich den Markt beherrscht: "Counter-Strike".

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Jener Shooter-Klassiker von Valve ist derzeit so beliebt wie nie zuvor. Die aktuelle Ausgabe, das 2012 erschienene "Counter-Strike: Global Offensive" ("CS:GO"), spielen täglich rund 1,2 Millionen Menschen gleichzeitig - obwohl seine Optik veraltet ist und sich die Steuerung im Vergleich zu aktuellen Titeln eher hölzern anfühlt.

Die Beständigkeit von "Counter-Strike", der Königsdisziplin der kompetitiven Shooter, ergibt sich auch aus seiner Einfachheit: Man kann nicht sprinten, keine Fahrzeuge benutzen. Das Spiel ist reduziert auf das Wesentliche: Gewehr, Pistole, Messer und eine kleine Auswahl an Granaten. Entscheidend sind Positionsspiel, taktische Absprachen, einstudierte Manöver und vor allem Präzision. Nur wenige Treffer - oder sogar nur einer - reichen meist schon, um den Gegner auszuschalten.

"Valorant"-Matches haben die gleiche Struktur, das Schussverhalten der Waffen ist ähnlich gnadenlos. Der größte Unterschied sind die Werkzeuge abseits der Waffen. Bei "Valorant" wird zu Beginn jeder Runde ein "Agent" mit spezifischen Fähigkeiten ausgewählt. So bietet das Spiel nicht nur Blend- und Rauchgranaten à la "Counter-Strike", sondern auch Charaktere, die zum Beispiel Mauern hochziehen, Mitspieler wiederbeleben oder sich sogar teleportieren können.

Zurzeit gibt es zehn Charaktere mit jeweils vier Fähigkeiten, durch die sich verglichen mit "Counter-Strike" weitere taktische Komponenten ergeben und deutlich mehr Spielvarianten möglich sind. Dieses Konzept, ein First-Person-Shooter mit Fähigkeiten, wie man sie aus Spielen wie "League of Legends" oder "Dota 2" kennt, gibt es bereits bei "Overwatch". Aufgrund des langsameren Spieltempos und der Waffeneigenschaften ist "Valorant" spielerisch aber näher an "Counter-Strike".

Sanfter Shooter für Asien

Wie gefährlich "Valorant" dem bisherigen Platzhirsch werden kann, bleibt abzuwarten. Sicher scheint aber: Als einer der Ur-Titel im Multiplayer-Gaming wird sich "Counter-Strike" wohl nicht verdrängen lassen, zu tief sind seine Wurzeln, zu etabliert ist die professionelle "Counter-Strike"-Szene - und zu groß ist der Unterschied zum neuen Konkurrenten. Am wahrscheinlichsten ist wohl eine mehr oder weniger friedliche Koexistenz beider Titel.

Wenn es darum geht, einen Shooter für den weltweiten E-Sport-Markt zu kreieren, hat Riot Games allerdings von den Problemen des Konkurrenten gelernt: "Counter-Strike" etwa kämpft schon seit Langem gegen eine schlechte Reputation an. In der "Killerspiel"-Debatte etwa stand das Spiel im Mittelpunkt und wurde - teils im Kontext falscher Behauptungen - mit Amokläufen in Verbindung gebracht. In jeder Runde geht es um einen virtuellen Terroranschlag, der verübt oder eben vereitelt werden muss: Dieses Prinzip von "Counter-Strike", auch wenn es nur das Spielszenario ist, schreckt so manchen Werbepartner ab, es hemmt das Wachstum der Profiszene und bringt dem Titel auf einigen Märkten Probleme.

"Valorant" orientiert sich nun an weltweit erfolgreichen Titeln wie "Fortnite" und müht sich, das Thema Gewalt zu entschärfen. Es gibt keine Terroristen, die Bombe heißt "Spike", die Optik ist insgesamt eher comichaft. Bei künftigen Turnieren wird zudem die Blutanzeige ausgeschaltet sein müssen, wie Riot Games in seinen Richtlinien für professionelle Wettbewerbe bekannt gab. Diese Faktoren sind vor allem für die asiatischen Märkte wichtig, wo diesbezüglich deutlich strengere Gesetze gelten.

Ein Durchbruch in Asien könnte im Revierkampf zwischen "Valorant" und "Counter-Strike" womöglich den Ausschlag für den Neuankömmling geben. In China zum Beispiel kam "CS:GO", das vor allem in Europa sowie Nord- und Südamerika beliebt ist, erst 2017 auf den Markt und spielt seitdem kaum eine Rolle - in Asien erfolgreich sind eher "League of Legends", "Starcraft 2" und "Dota 2". Der Markt für einen erfolgreichen First-Person-Shooter ist dort somit weitgehend unbesetzt. Gut möglich also, dass sich Riot Games, das dem chinesischen Konzern Tencent gehört, diese Nische mit "Valorant" bereits in den kommenden Monaten erschließt.

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