Geboren 1985 in Osnabrück, studierte Literatur- und Geschichtswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Schreibt als freier Journalist für verschiedene Medien über Videospiele, Oper und Gesellschaft.
Denkt man an Videospiele, denkt man nicht zuerst ans Weinen. Eher kommt einem Eskapismus in den Sinn, Spaß, Herausforderungen. Doch Videospiele rühren ihre Nutzer auch immer wieder zu Tränen. Sei es durch eine emotionale Geschichte, die von Verlust oder einem Neubeginn erzählt. Sei es durch Charaktere, von denen der Spieler Abschied nehmen muss. Oder sei es durch aufwändig erspielte Figuren, die plötzlich nicht mehr sind.
Auf der anderen Seite des Spektrums sind natürlich auch Freudentränen möglich. Oder gar Tränen der Wut, wegen unfairen Stellen oder einem knackigen Schwierigkeitsgrad.
Kurzum, Videospiele bieten viel Stoff für den berüchtigten Kloß im Hals. In unser Fotostrecke erzählen acht Gamer von besonderen Videospiel-Momenten und verraten, weshalb sie diese wohl so schnell nicht vergessen werden.
Demian D. Naftali, 32 Jahre, Medienpädagoge, über
Night in the Woods (Playstation 4, PC, Switch, Xbox One), von Finji
"Freunde hatten mir das Spiel schon länger ans Herz gelegt. Ich hatte aber gar keine Ahnung, was ich erwarten soll. Ist es ein Plattformer? Ein Adventure? Als es dann im Angebot war, schlug ich zu. In die Optik habe ich mich sofort verliebt, genauso wie in die Musik.
Und dann kommt die Geschichte ins Rollen: Das Leben von Teenagern in einer kleinen Stadt. Menschen, die ein schlimmes Leben führen, nicht mehr weiterwissen. Eine Szene, in der zwei Freunde sich aussprechen, weckte Erinnerungen in mir, die ich gern vergessen würde. In diesem Moment kamen mir die Tränen. Nachdem ich mit dem Spiel fertig war, habe ich ganz bewusst mehr mit meinen Freunden geredet. Und besser zugehört. Das ist wohl die große Lektion des Spiels."
Melanie Fritsch, 36 Jahre, Theaterwissenschaftlerin, über
Gears of War 3 (Xbox 360, Xbox One), Epic Games
"Im dritten Teil der 'Gears of War'-Reihe kam ich mit dem Charakter Dom, den ich bis dahin immer im Koop mit Freunden gespielt hatte, in eine aussichtslose Situation. Dom rettet in der Folge die anderen Charaktere durch eine Selbstmordaktion.
Es war keine stumpfe 'Held opfert sich, weiter geht's'-Nummer, sondern erzählerisch ziemlich gut aufgebaut: Ein Charakter, dem sowieso alles egal ist, weil er seine Familie verloren hat, nutzt die Chance, seinem sowieso anstehenden Selbstmord noch etwas Sinn zu verleihen. Ich hatte als Spielerin keine Entscheidungsmöglichkeit und konnte nur zusehen. Danach wurde mir ein anderer Charakter zugeteilt, der fühlte sich allerdings irgendwie leer an. Ich spürte da einen Verlust, es flossen die Tränen."
Matthias Kreienbrink, 32, Autor dieses Artikels über
What Remains of Edith Finch (Playstation 4, PC, Xbox One), Giant Sparrow
"Ich weine eigentlich nicht beim Videospielen. Ebenso bei Büchern und Filmen vielleicht analysiere ich zu sehr. Dieses Spiel jedoch hat es geschafft. Ich lief durch ein verlassenes Elternhaus, erlebte die Enden von lieben Verwandten. Jeden einzelnen Tod spielte ich in kurzen, teils fantastischen Episoden nach.
Ich verwandelte mich in ein See-Ungeheuer, in einen Papierdrachen oder einen depressiven Teenager. Das fand ich wunderbar, das Spiel inszenierte sich so interessant wie kaum eines zuvor. Am Ende war ich dann plötzlich ein Fötus, der gerade geboren wird. Das Spiel endet also mit dem Anfang des menschlichen Lebens. War es Trauer, war es Glück? In diesem Augenblick lief mir ein dicker Schauer über den Rücken. Für einen Moment war alles Analytische weg und dafür die Tränen da."
Lena R., 32, Sekretärin, über Assassin's Creed 2 (Playstation 3, PC, Xbox 360), Ubisoft
"27 Stunden hatte ich in das Spiel gesteckt. Teilweise frustrierte es mich: Mal sprang der Protagonist Ezio ins Leere, mal meuchelte er an Gegnern vorbei. Ich war wohl einfach etwas ungeschickt. Die Geschichte und die Rätsel gefielen mir aber so gut, dass ich weiterspielte. Als Wenigspielerin waren 27 Stunden schon eine Menge.
Doch dann passierte es. Ich kann es gar nicht mehr genau rekreieren. Plötzlich konnte ich nicht mehr 'Weiterspielen' auswählen, sondern nur 'Neues Spiel'. Ich hatte es geschafft, meinen Spielstand zu löschen. Ich habe geflucht und geheult vor Wut. Zum Glück kam mein Mitbewohner zur Hilfe. Bis auf wenige verlorene Spielstunden hat er den Speicherstand wiederhergestellt. Das Spiel habe ich dann noch durchgespielt. Ansonsten hätte ich es wohl nie wieder angefasst."
Nova Kleist, 25, über The Last of Us (Playstation 3, Playstation 4), Naughty Dog
"Bei diesem Spiel habe ich geweint, obwohl ich es nicht mal selbst gespielt habe. Als es erschien, habe ich mir ein Let's Play dazu angesehen. Am Anfang stolperte der Let's Player es war Markiplier noch so durch das Tutorial. Das fand ich ganz unterhaltsam, auch wegen der Art des Let's Players, dieses Gestolpere lustig zu kommentieren.
Doch dann begann die erste große Cutscene des Spiels. In dieser verliert Protagonist Joel seine Tochter. Er weint bitterlich um sie. Nicht nur die emotionale Inszenierung dieses Moments hat mich mitgenommen. Vielmehr musste ich mir vorstellen, wie ich in dieser Situation reagieren würde. Was, wenn ich meine Tochter verlieren würde? Das war dann zu viel für mich. Noch heute kann ich mir diese Szene nicht anschauen, ohne zu weinen."
"Alles lief super beim Spielen, dann wurde ich auf eine Plattform gesperrt und von immer neuen Gegnern überrannt. Dabei sollte ich die Prinzessin beschützen. Doch sie starb immer. Ich versuchte es so oft, tagelang. Scheiterte aber und gab dann auf.
Nach ein paar Wochen jedoch griff mich der Ehrgeiz. Ich konnte das nicht auf mir sitzen lassen, begann also ein neues Spiel. Diesmal hielt ich länger durch als vorher. Auch, weil ich mir ein Lösungsvideo angeschaut hatte. Dann passte ich kurz nicht auf, lief einem schwachen Gegner hinterher Prinzessin wieder tot. Ich saß da und konnte nicht glauben, dass es schon wieder nicht geklappt hat. Ich knallte den Controller auf das Sofa, lehnte mich zurück und fing vor Frustration an zu heulen. Es machte einfach keinen Spaß mehr. Das Spiel hat mich besiegt."
Christian Schönlein, 35, Account- und Projekt-Manager, über Valiant Hearts (Playstation 4, Playstation 3, Xbox One, Xbox 360, PC, Android, iOS), Ubisoft
"Der Erste Weltkrieg in niedlicher Bilderbuchoptik? Von diesem Spiel dachte ich ursprünglich, dass das gar nicht geht. Doch dann kam es anders: Am Ende des Spiels erlebte ich die Hinrichtung eines Hauptcharakters. Ich führte ihn selbst zum Schafott. Das war in seiner Unausweichlichkeit einfach kaum aushaltbar. Denn diese Figur wollte im Grauen des Krieges Gutes tun. Er verweigerte Befehle, wollte nicht gegen Verwandte kämpfen ein Kriegsverbrechen.
Diese Ungerechtigkeit hat mich sehr getroffen. Ein Moment der Ohnmacht, ich konnte nichts für ihn tun. Das hat mich fertiggemacht. Das war nicht nur ein Videospiel, das war Menschheitsgeschichte. Heute denke ich, dass dieses Spiel Teil des Geschichtsunterrichts an Schulen sein sollte."
Wolfgang Walk, 56, Spieleautor, über
In Between (PC), Headup Games
"Bei diesem Spiel habe ich nicht geweint. Ich habe es geschrieben. Es gelingt nur sehr selten, dass die Reaktionen der Spieler genau die sind, die ich mit meiner Geschichte hervorrufen will. Bei 'In Between' ist das so.
Von einem Spieler habe ich etwa erfahren, dass er noch nie wegen einer fiktionalen Geschichte geweint hat, selbst bei 'Titanic' nicht. Mein Spiel aber hat das geschafft. Auf Steam lese ich immer wieder Rezensionen von Nutzern, die davon berichten, dass das Spiel Tränen hervorgerufen hat, obwohl einige nur einen kniffeligen Plattformer erwartet hatten. Ich muss sagen, dass mich das schon ziemlich mit Stolz erfüllt. Es ist schön, wenn ich mit meinen Spielgeschichten die Menschen auch wirklich erreiche. Genau das will ich."
Kann Herrn Schönlein nur zustimmen. Ein bewegendes Spiel mit realem Hintergrund, das auch in Schulen im Geschichtsunterricht gezeigt/verwendet werden sollte.
Kann Herrn Schönlein nur zustimmen. Ein bewegendes Spiel mit realem Hintergrund, das auch in Schulen im Geschichtsunterricht gezeigt/verwendet werden sollte.
Kann man bei einem Computerspiel weinen? Seit "Journey" weiß ich, dass das geht. Journey ist ein kleines Spiel, das ganz anders daherkommt. Man ist eine Figur, die auf eine Reise geht, weitgehend gescriptet. Das Ziel [...]
Kann man bei einem Computerspiel weinen? Seit "Journey" weiß ich, dass das geht. Journey ist ein kleines Spiel, das ganz anders daherkommt. Man ist eine Figur, die auf eine Reise geht, weitgehend gescriptet. Das Ziel ist dabei ähnlich wie eine Erlösung und der Weg ist steinig. Unterwegs trifft man einen online zufällig zugeschalteten Compagnion, mit dem man sich nur über undefinierbare Zeichen und vor allem nur durch gemeinsames Weitergehen verständigen kann. Verstörend am Spiel ist, dass man unterwegs erfriert und daraufhin eine Art Wiedergeburt erlebt (wobei nicht klar ist, ob es das letzte ist, was die Figur empfindet oder tatsächlich eine Wiedergeburt). Diese Szene ist derartig phantastisch ausgemalt und mit feinster Musik unterlegt, dass man kaum davon unberührt sein kann.
Ich spiele nun schon etwas länger Videospiele, kann mich bewusst aber nur an ein einziges Mal erinnern, dass ich wegen einem Spiel wirklich geweint habe. Dies war in Formel 1 2006 für die PS2, das ich als kleines Kind wirklich [...]
Ich spiele nun schon etwas länger Videospiele, kann mich bewusst aber nur an ein einziges Mal erinnern, dass ich wegen einem Spiel wirklich geweint habe. Dies war in Formel 1 2006 für die PS2, das ich als kleines Kind wirklich rauf und runter gespielt habe. Als ich nun als ungefähr 7-9 Jähriger im Honda die Weltmeisterschaft um einen Punkt gegen Fernando Alonso verlor, sind bei mir wirklich alle Dämme gebrochen. Und trotzdem ist es doch eine sehr schöne Kindheitserinnerung, welche ich nicht missen möchte.
Gamer zeigen Gefühle? Gamer weinen, wenn sie in einem Spiel den Tod der Tochter der Hauptfigur miterleben müssen (Ich habe dabei auch geweint, selbst wenn ich daran nur denke, steigen mir die Tränen in die Augen. Ich mochte die [...]
Gamer zeigen Gefühle? Gamer weinen, wenn sie in einem Spiel den Tod der Tochter der Hauptfigur miterleben müssen (Ich habe dabei auch geweint, selbst wenn ich daran nur denke, steigen mir die Tränen in die Augen. Ich mochte die kleine Sarah, ich wollte sie unbedingt retten...ich konnte nicht. Es ging einfach nicht, wie ihr Vater war ich hilflos. Dieses "Trauma" macht den Wunsch später im Spiel Ellie zu beschützen noch viel stärker, das ist großartiges Storytelling.)? Wie kann das sein? Ich dachte wir Gamer wären allesamt gefühlskalte, semi-autistische Sexisten, die sich an der Darstellung von Gewalt gegen Frauen ergötzen? Anita Sarkeesian würde jetzt vermutlich wettern, dass diese dramatische Storywendung am Ende des Tutorials von "The Last Of Us" ganz übel sexistisch sei, weil Sarah eben nur eine "Damsel in Distress" sei, ein "Objekt" aus dem "Besitz" ihres Vaters, dass der Spieler so lernen würde, dass Frauen eben nur wehrlose, inkompetente "Anhängsel" der männlichen Hauptfiguren wären, aber das ist Quatsch. Es tut mir leid, Sarah. Ich konnte dich nicht beschützen, obwohl ich es dir versprochen hatte. Es tut mir so leid, bitte vergib mir, Sarah.
Wenn man nach den Credits einfach die Maus oder Controller ablegt und noch Minuten lang so dasitzt dann ist ein Spiel wirklich großartig.
Spec Ops: The Line war so ein Überraschungstitel. Der erste Eindruck ist der eines [...]
Wenn man nach den Credits einfach die Maus oder Controller ablegt und noch Minuten lang so dasitzt dann ist ein Spiel wirklich großartig.
Spec Ops: The Line war so ein Überraschungstitel. Der erste Eindruck ist der eines gewöhnlichen Shooters... doch das ändert sich und am Ende fragt man sich wer hier wen gespielt hat.