Friedhofs-MySpace Handys vernetzen Grabsteine

Ein japanisches Bestattungsunternehmen bietet Grabsteine mit Strichcode an. Sie sollen die Handys der Hinterbliebenen via Barcode mit einem virtuellen Trauerprofil verbinden. Dort können Fotos, Texte und Videos gesammelt werden, die an den Toten erinnern.

Handy-Nutzung auf Friedhöfen gilt allgemein als pietätlos. Schließlich soll dort Verstorbener gedacht werden, die bestimmt nicht per SMS zu erreichen sind. Und angesichts der Endgültigkeit des Todes sollte man meinen, dass sich an dieser Konstellation auch künftig kaum etwas ändern dürfte.

Dass Handys auf Friedhöfen dauerhaft nichts zu suchen haben, scheint im Mobilfunk-verrückten Japan allerdings nicht akzeptabel. Die Lösung für dieses Dilemma könnte jetzt das Beerdigungsunternehmen Ishinokoe gefunden haben, dessen Idee etwa folgendermaßen lautet: Wenn man schon einsehen muss, dass Tote keine Telefonnummer haben, sollte wenigstens der Grabstein per Handy zu erreichen sein.

Um Grabsteine zu vernetzen, verwendet Ishinokoe die Barcode-Weiterentwicklung "QR Code". Im Gegensatz zum klassischen Barcode bestehen diese nicht aus einer Strichgrafik sondern aus einem quadratischen Pixel-Mosaik. Hierzulande noch selten genutzt, sind die QR-Codes in Japan bereits fest etabliert, vor allem weil sie problemlos mit der Handy-Kamera gelesen werden können. Die Pixelquadrate kommen heute vor allem in Zeitschriften oder auf Plakaten zum Einsatz, um Nutzer direkt zu Websites von Werbetreibenden zu führen.

Auf den neuesten Grabsteinen von Ishinokoe fungiert der QR-Code dagegen als Schnittstelle zum digitalen Gedenken. Dieses besteht aus einem Online-Speicherplatz, auf dem Bilder, Erinnerungstexte oder auch Videos abgelegt werden können. Salopp gesagt erhält der Verstorbene posthum so etwas wie ein MySpace-Profil. Dieses soll den Friedhofsbesuch aber nicht ersetzen, sondern mittels Multimedia-Trauer übers Handy zeitgemäß ergänzen.

Besuchslisten

Damit nicht jeder Vorbeikommende im Online-Fotoalbum des Verstorbenen blättern kann, sind die QR-Codes der Ishinokoe-Grabsteine ganz analog hinter einer Marmorabdeckung verborgen, die mit einem Schloss gesichert ist. So sollen nur Verwandte und Freunde Zugang erhalten, sozusagen die Grab-Community. Diese kann sich natürlich auch in einem Forum austauschen, in dem auch jeder Besuch am Grab registriert wird - jedenfalls jeder Aufruf des Grab-Profils mit dem Handy, wofür eigentlich auch ein gespeicherte Foto des QR-Codes reichen dürfte.

Ob sich die Handy-Grabsteine durchsetzen, bleibt abzuwarten. Denn neben den praktischen Problemen der Community-Verwaltung dürften auch in Japan kulturelle Traditionen gegen High-Tech auf dem Friedhof sprechen. Bislang hat der Kontakt zwischen Netz und Jenseits jedenfalls noch keinem Unternehmen rechtes Glück gebracht.

So ging der US-Dienst Finalthoughts.com, über den man nach dem eigenen Ableben Abschieds-E-Mails verschicken konnte, nach großspurigen Ankündigungen 2001 sang- und klanglos pleite. Bislang scheinen Mobiltelefone nur in Südafrika eine ernsthafte Rolle bei Beerdigungen zu spielen - als zeitgeistige Grabbeilage.

Sascha Koesch / Fee Magdanz / Robert Stadler

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