Nokia vs. Sony Ericsson Armdrücken der Foto-Giganten

Mit UMTS, 3,2 Megapixeln und einer nicht enden wollenden Ausstattungsliste treten Nokias N93 und das K800i von Sony Ericsson den Kampf um den Handy-Thron an. Wer hat den Spagat zwischen Multimedia und Telefonkomfort besser gelöst?
Von Michael Peuckert

Ein Blick auf das Ranking der "connect"-Bestenliste spricht eine mehr als deutliche Sprache: Auf den ersten zehn Plätzen tummeln sich jeweils fünf Modelle aus dem Hause Nokia und Sony Ericsson, wobei der schwedisch-japanische Hersteller mit dem W550i seit Heft 12/2005 den begehrten Platz an der Sonne einnimmt. Mit den brandneuen UMTS-Modellen N93 und K800i läuten die beiden Platzhirsche nun eine neue Runde im Kampf um die Nummer eins ein – und das wird ein hartes Ringen.

Bei beiden Testkandidaten steht dabei die integrierte Kamera an vorderster Front: Sowohl Nokia als auch Sony Ericsson werfen echte Leckerbissen mit 3,2 Megapixeln in die Waagschale. Zudem bietet das Nokia als Besonderheit einen dreifachen optischen Zoom und das Sony Ericsson eine clevere Serienbildfunktion für Schnappschüsse sowie einen Xenon-Blitz.

Ob sich dieser Aufwand auch in guter Bildqualität auszahlt und was die beiden Newcomer in Sachen Mobiltelefonie und Datenmanagement zu bieten haben, das bringt der ausführliche Labortest ans Licht.

Nokia N93

Die erste Kontaktaufnahme mit dem N93 sorgt für hochgezogene Augenbrauen: Mit 182 Gramm Lebendgewicht und mehr als üppigen Maßen passt das 799 Euro teure Flaggschiff der N-Serie so gar nicht zum aktuellen Trend "flacher, leichter, kleiner". Die anfängliche Skepsis weicht jedoch schnell einer gesteigerten Neugier, sobald man das Schwergewicht erst einmal in der Hand hat. Denn dann fokussiert sich die Aufmerksamkeit auf das clevere Scharniersystem des Displays.

Drehbares Display erleichtert das Handling

Der 2,4 Zoll große, brillante QVGA-Monitor (240 x 320 Pixel) lässt sich nämlich nicht nur wie üblich hochkant nach oben, sondern auch quer sowie zur Seite aufklappen. Die Menüs und Bildinhalte drehen sich dabei je nach Displaystellung in die Vertikale oder in die Horizontale. Das sorgt für eine Menge Komfort: So kann man das Riesenhandy wie ein Mini-Notebook auf den Tisch legen, den Screen nach oben kippen und in aller Ruhe Termine checken, im Internet surfen oder die Bildergalerie betrachten.

Die wird von der 3,2-Megapixel-Kamera befüttert, die mit einem hochwertigen Carl-Zeiss-Objektiv ausgestattet ist, das zusätzlich zum digitalen auch einen bei Handy-Cams seltenen optischen Zoom bietet. Der Autofokus sorgt für scharfe Bilder, allerdings auch für eine Auslöseverzögerung von knapp einer Sekunde – so ist es fast unmöglich, gelungene Schnappschüsse in den Chip zu bannen; hier bietet die "BestPic"-Funktion des K800i von Sony Ericsson die bessere Lösung. Ansonsten kann die Bildqualität des Nokia überzeugen, auch wenn der Signal-Rauschabstand nicht optimal ausfällt.

Profi in Sachen Foto, Video und Business

Das Highlight ist jedoch die Videofunktion, die diesen Namen auch wirklich verdient. So kann man das Nokia beim Filmen in schönster Camcorder-Manier bequem mit quer nach außen gedrehtem Display halten, wobei die Bedienung über seitliche Tasten erfolgt, die einfach mit dem Daumen zu erreichen sind; lediglich die beiden Softkeys für Sonderfunktionen am Rand des Displays sind hier etwas schwerer zu erwischen. Obendrein verwöhnt das N93 mit einer brillanten Videoauflösung von 640 x 480 Pixeln bei 30 Bildern pro Sekunde – und zeichnet sogar Stereoton zum Bewegtbild auf. Auch eine rudimentäre Schnittfunktion ist an Bord.

Deutlich bequemer geht das Bearbeiten der Filme aber am heimischen PC vonstatten, eine entsprechende Software von Adobe findet sich ebenso im Karton wie ein Daten- und ein Signalkabel, mit dem man Bilder und Filme auch direkt am TV anschauen kann. Bei aller Begeisterung für den Quantensprung in der Handy-Historie darf man aber nicht vergessen, dass Videos in dieser Qualität wahre Speicherfresser sind und mit der mitgelieferten 128 MB großen Mini-SD-Karte nur etwa fünf Minuten Aufnahmezeit drin sind.

Und weiter geht’s im Feature-Reigen: Das N93 beherrscht UMTS und WLAN samt UPnP-Unterstützung. So kann man selbst größere Mediadaten wie Bilder oder Videos etwa per E-Mail versenden oder in Heimnetzwerken zugänglich machen. Auch die üblichen Goodies wie Sprachanwahl und -steuerung sowie umfangreiche Organizer-Funktionen hat das Serie-60-Modell an Bord, wobei die sehr gute Termin- und Adressverwaltung heraussticht. In der Summe stellt das Nokia mit 140 Punkten sogar einen neuen Ausstattungsrekord auf. Die Bedienung der zahlreichen Features gelingt Nokia-typisch einfach, auch wenn das N93 etwas verzögert auf Tasteneingaben reagiert.

Guter Auftritt im Labor

Im Labor ließ das N93 ebenfalls nichts anbrennen. Mit über 15 Tagen Standby- und über sechs Stunden Gesprächszeit in D- und E-Netz stimmt die Ausdauer. Auch mehr als drei Stunden Gesprächszeit im UMTS-Betrieb sind gut. Die Sende- und Empfangsqualität ist in allen Netzen Durchschnitt, die Akustik fällt im direkten Vergleich mit dem K800i etwas ab – den Testsieg und den Platz an der Spitze kann letzteres dem N93 dennoch nicht streitig machen.

Weiter: Wie schlägt sich das K800i von Sony Ericsson?

Sony Ericsson K800i

Kaum ein anderes Handymodell wurde von Sony-Ericsson-Fans – und nicht nur von diesen – mit solcher Spannung erwartet wie der Bruder des fast schon legendären K750i. Nun ist er endlich da, hört auf den Namen K800i und geht ebenfalls im klassischen Candybar-Design an den Start. Rein optisch ist das 489 Euro teure UMTS-Modell jedenfalls ein Siegertyp: Mit seiner schwarz eloxierten und gebürsteten Aluminiumfront samt silberfarbenen Applikationen versprüht es jede Menge Charme.

Das Gehäuse ist an den Seiten sanft abgerundet und liegt gut, wenn auch etwas schwer in der Hand: 114 Gramm sind beileibe kein Pappenstiel. Ohnehin ist das K800i kein kleiner Fisch: Zwar ist es nicht ganz so üppig dimensioniert wie Nokias N93, streckt sich mit stolzen 9,5 Zentimetern aber deutlich mehr in die Länge als das Gros der aktuellen Kollegen.

Cybershot-Kamera mit Geling-Garantie

Wie aufgesetzt wirkt das ausgeformte Kameragehäuse samt Objektivabdeckung auf der Rückseite. Hier prangt stolz das "Cybershot"-Label, das das Handy-Joint-Venture von der bekannten Digicam-Marke aus dem Mutterhaus Sony geborgt hat. Wird die Abdeckung nach unten bewegt und somit die Linse freigelegt, erscheint auf dem Display automatisch das Sucherbild der 3,2-Megapixel-Knipse. Dabei wechselt die Darstellung von der im Alltag üblichen vertikalen zur horizontalen Ansicht.

Sinn der Sache: Zum Fotografieren kann man das Handy wie eine Digitalkamera im Querformat halten. Das befördert auch die seitlich sitzende Auslösetaste an die Oberseite, die auf leichten Druck den Autofokus aktiviert und auf stärkeren ein Foto schießt.

Auch die Tasten für den digitalen Zoom sitzen gut erreichbar oben, während zwei zusätzliche Buttons am Rande des Display für die Szenenwahl und den Aufnahmemodus zuständig sind. Im Handyalltag dienen diese Drückerchen zum Öffnen der Einzelbildansicht und der Bildergalerie.

Mit Goodies wie einem optischen Zoom kann das K800i zwar nicht aufwarten, aber mit anderen Schmankerln. So nimmt der helle Xenon-Blitz dunklen Szenerien ihren Schrecken, ein Bildstabilisator schützt vor verwackelten Fotos und die clevere Serienbildfunktion namens "BestPic" erlaubt es trotz der recht langen Auslösezeit von 1,29 Sekunden scharfe Schnappschüsse zu machen.

Wie das geht? Ganz einfach: In diesem Modus werden insgesamt neun Fotos einer Szene geschossen – vier vor dem Durchdrücken des Auslösers, vier danach. Anschließend kann der User das beste Bild der Serie oder auch alle neun speichern. Die Qualität der Aufnahmen ist beeindruckend, auch wenn ein leichter Grünstich über den Bildern liegt. Der Signal-Rauschabstand, volkstümlich Bildrauschen genannt, ist dafür gering.

Tolles Display, umfangreiche Ausstattung

Einen weiteren Trumpf im Kampf mit dem Nokia spielt das Sony Ericsson beim Display aus: Mit einer Auflösung von 240 x 320 Pixeln und 262.144 Farben kann dieses zwar keine technischen Vorteile ins Feld führen und ist sogar etwas kleiner als das des Kontrahenten. Dafür kann das K800i mit einer fast schon plastischen und gestochen scharfen Darstellung begeistern, sodass auch Spiele richtig Laune machen. Apropos: Dank einer 3-D-Grafik-Engine wird das Zocken auf dem Handy zum echten Erlebnis. Zu guter Letzt komplettieren der Musicplayer und das Radio die umfangreiche Multimedia-Ausstattung.

Gespart hat Sony Ericsson allerdings beim Speicher. So stehen dem User gerade mal 64 MB zur freien Befüllung zur Verfügung. Ein Wechselspeicherslot ist zwar vorhanden, allerdings legt Sony Ericsson keine Speicherkarte bei und als Medium kommt zudem das unübliche und recht teure Memorystick-Micro-Format zum Einsatz. Dafür können die Organizerqualitäten des K800i überzeugen. So erlaubt der Kalender sogar die Suche nach Terminen, und die Aufgabenverwaltung gefällt mit einer Erinnerungsfunktion. Positives gibt es auch aus dem Bereich Messaging zu berichten, der mit etlichen innovativen Features aufhorchen lässt. So kann der K800i-Besitzer Bilder nicht nur via Infrarot und Bluetooth an andere Geräte versenden, sondern auch vom Fleck weg in einen Fotoblog hochladen, was im UMTS-Netz recht flott vonstatten geht.

Komfort bietet auch der E-Mail-Client (POP3 und IMAP), der den Posteingang auf Wunsch automatisch auf neue Nachrichten prüft. Und damit einem keine Schlagzeile durch die Lappen geht, informiert der RSS-Reader bei Bedarf ständig über das Weltgeschehen. Allerdings sollte man insbesondere vor dem Fotoblogging seinen Datentarif prüfen, sonst weicht der Spaß schnell blankem Entsetzen.

Vorbildlich gestaltet sich die Bedienung des talentierten Fotoboliden: Das Hauptmenü sowie die unteren Ebenen sind mit attraktiven Icons aufgehübscht und lassen den User nie im Zweifel über die damit aufzurufende Funktion. So fällt die Einarbeitungszeit erfreulich kurz aus, zumal auch der Support bei Sony Ericsson groß geschrieben wird: Das K800i kann nach Geräte-Updates suchen und diese direkt installieren, der umständliche Weg über den PC ist Geschichte.

Ernüchternde Ergebnisse im Labor

Lag das K800i in der Summe von Ausstattung und Handhabung noch deutlich vor dem Nokia und damit im direkten Duell auf der Siegerstraße, verspielte es diesen Vorsprung leichtfertig im Labor. Speziell die indiskutable und von der Testfactory mit einem "ungenügend" abgestrafte UMTS-Sende- und Empfangsqualität kostete den Fotostar die entscheidenden Punkte.

Aber auch die Ausdauer bei eingeschaltetem Display ist mit lediglich knapp neun Stunden keine Glanzleistung. Hier muss das K800i wohl Tribut für seinen hellen Screen zollen. Schade, denn die Ergebnisse für die Standby-Zeit liegen mit über 16 Tagen im D- und E-Netz sogar noch leicht über der Performance des Nokia N93. Auch beim Klang hat das K800i die Nase vorn.

Fazit

Das Testergebnis darf als kleine Überraschung gelten, haben doch die meisten Kenner dem Sony Ericsson K800i beste Chancen auf den Platz ganz vorn in der "connect"-Bestenliste vorhergesagt. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das Nokia N93 überzeugte im Test auf ganzer Linie und teilt sich fortan mit dem W550i von Sony Ericsson den Platz an der Sonne.

Bis auf das etwas gewöhnungsbedürftige Handling gibt es keine einzige Disziplin, in der das finnische Handy nicht überzeugen konnte. In puncto Ausstattung erzielte das N93 mit 140 Punkten sogar einen neuen "connect"-Rekord. Trotz allem wird das N93 wahrscheinlich eher ein Exot bleiben. Dazu trägt nicht nur sein extravagantes Äußeres und eher unhandliches Format, sondern vor allem auch der mit 799 Euro doch sehr hohe Preis bei.

Anders Sony Ericssons K800i, das beste Chancen hat, zum Verkaufsschlager zu avancieren: Das gefällige Design, die einfache Handhabung und die umfangreiche Ausstattung werden es wohl zum Liebling der Massen machen – zumal die Preisempfehlung von 489 Euro wirklich fair ist. Den bereits sicher geglaubten Testsieg hat der neue Shootingstar aber auf der Zielgeraden vertändelt und muss sich am Ende sogar noch hinter seinem älteren Bruder K750i einreihen. Der Grund für diesen Einbruch liegt vor allem in der schwachen UMTS-Performance begründet. Auch schluckt das Display beim Zappen durch die Feature-Vielfalt jede Menge Strom, besticht aber mit exzellenter Darstellung.

Weiter zur Tabelle mit den Testergebnissen

Testergebnisse

Marke Nokia Sony Ericsson
Modell N93 K800i
Ausdauer max. 100 sehr gut (85) befriedigend (73)
Gesprächszeit max. 60 51 45
Standbyzeit max. 20 16 16
Betrieb bei eingeschaltetem Display max. 20 18 12
Ausstattung max. 150 sehr gut (140) sehr gut (131)
Grundfunktionen max. 30 28 28
connectivity max. 40 36 32
Messaging max. 20 20 17
PDA-Funktionen max. 20 18 18
Multimedia max. 40 38 36
Handhabung max. 150 befriedigend (111) sehr gut (131)
Menüführung max. 30 23 28
Grundfunktionen max. 30 22 28
PDA, Multimedia Messaging max. 40 36 35
Display-Lesbarkeit max. 15 11 15
Größe und Gewicht max. 10 0 5
Tastatur max. 10 7 8
Verarbeitungsqualität max. 10 9 9
Bedienungsanleitung max. 5 3 3
Messung Send/Empf. max. 50 gut (38) mangelhaft (23)
Sende/Empf.-qualität, Handy am Kopf max. 35 34 17
Sende/Empf.-qualität ohne Kopf max. 15 4 6
Messung Akkustik max. 50 befriedigend (36) gut (38)
Akustik, Senderichtung (Sprechen) max. 20 18 17
Akustik, Empfangsrichtung (Hören) max. 20 8 12
Akustik, Echo- und Störgeräusche max. 10 10 9
Urteil max. 500 gut (410) gut (396)

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