Neues »Cell Broadcast«-System Panne beim Handyalarm nach Amoklauf in Hamburg

Nach der Bluttat von Hamburg gab es kurzzeitig den Verdacht, ein zweiter Täter könnte entkommen sein. Die Warnmeldung erreichte aber nicht alle Empfänger – ein Provider hatte Probleme.
Screenshot der Warnmeldung: Anwohner sollten nicht auf die Straße gehen

Screenshot der Warnmeldung: Anwohner sollten nicht auf die Straße gehen

Foto: Jonas Walzberg / dpa

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Es ist eine Bewährungsprobe für das erst kürzlich überarbeitete Notfall-Warnsystem: Nachdem Philipp F. am Donnerstag sieben Menschen und sich selbst tötete , scheint die Lage zuerst unter Kontrolle. Doch dann bekommt die Polizei ein Video zugespielt, in dem scheinbar ein zweiter Täter zu sehen ist – ein Irrtum, wie sich später herausstellen wird.

»Die Ereignisse überschlagen sich, Sie haben unfassbar viele Informationen, die sich nicht unbedingt immer decken, die nicht immer zusammenpassen«, erinnert sich Einsatzleiter Matthias Tresp am Tag darauf. Um sicherzugehen, entscheidet sich die Polizei dazu, nach einem zweiten Schützen zu fahnden und die Öffentlichkeit zu alarmieren.

Für Hamburg ist es das erste Mal, dass die neue Alarmtechnik Cell Broadcast zum Einsatz kommt. Gegen 22.30 Uhr geben zahlreiche Mobiltelefone im Umkreis des Stadtteils Alsterdorf Alarm: »Gefahr durch Lebensbedrohliche Lage«, steht auf den Displays der Handys. Auch stumm geschaltete Geräte senden den Alarmton aus. Die Anwohner werden aufgefordert, den Tatort zu meiden und sich nicht ins Freie zu begeben.

Allerdings bekommen nur die Kundinnen und Kunden in den Netzen von Telekom und Vodafone den Alarm zu sehen und zu hören. Im Telefónica-Netz bleiben die Mobiltelefone stumm.

Ursache unklar

Dem SPIEGEL bestätigt Telefónica die Panne: »Es tut uns leid, dass es vergangene Woche nicht zu einem Aussand einer Cell Broadcast-Meldung gekommen ist«, erklärt ein Unternehmenssprecher. Warum die Warnung nicht versendet wurde, teilt das Unternehmen allerdings nicht mit. Nur so viel: »Wir sind mit den zuständigen Behörden dazu im Austausch, wie wir die Abstimmung in solchen Notfällen weiter verbessern können.« Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe äußerte sich auf Anfrage des SPIEGEL nur sehr vage zu dem Vorfall: »Mit dem Übergang in den Wirkbetrieb von Cell Broadcast offenbaren sich nun noch notwendige Feinabstimmungen wie in diesem Fall Konfigurationsbedarfe technischer Komponenten mit den Mobilfunknetzbetreibern, die es untereinander abzustimmen gilt«, erklärte ein Behördensprecher. Ein enger Austausch aller Beteiligten erfolge bereits.

Der Fall zeigt auch, auf welch unterschiedliche Weise die Warnungen verteilt werden. Cell Broadcast nutzt die Funkzellentechnik der Mobilfunkanbieter, Alarmmeldungen lokal begrenzt aussenden zu können. Das heißt, dass nur jene Nutzerinnen und Nutzer den Alarm empfangen, deren Handys in bestimmten Funkzellen eingeloggt sind. Am vergangenen Donnerstag entschied sich die Polizei dafür, einen solchen lokalen Alarm auszusenden. Dafür wurden etwa im Vodafone-Netz etwas mehr als hundert Funkzellen in und um Alsterdorf in den Alarmmodus versetzt.

Cell Broadcast ist nur einer von vielen Kanälen, über die die Bevölkerung in Notsituationen gewarnt wird. Je nach Art des Vorfalls gehören auch Sirenen und Rundfunkdurchsagen zur Alarmierungskette, elektronische Werbeflächen tragen die Warnung weiter. Im Falle von Sturmfluten werden Böllerschüsse als Alarmsignale genutzt. Auch Internetkonzerne wie Google zeigen die Warnmeldungen in ihren Apps an.

Die Alarm-Apps NINA und Katwarn ermöglichen es zudem, auch dann Warnungen für den Heimatort zu empfangen, wenn man gar nicht im Gefahrengebiet ist. Hier kann man abonnieren, welche Alarmmeldungen angezeigt werden sollen – mit einem wichtigen Unterschied: Während NINA im Falle eines lokalen Alarms alle Bewohner eines Stadtgebiets warnt, muss man sich bei Katwarn für einzelne Postleitzahlenbezirke entscheiden.

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