EU-Parlament zu Artikel 13 Konservative wollen Urheberrechtsabstimmung vorziehen

Demonstration des Bündnisses "Berlin gegen 13" gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform
Foto: Christoph Soeder/ dpaDie Konservativen im Europaparlament von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) möchten am liebsten schon in der kommenden Woche das Plenum über die geplante Urheberrechtsreform abstimmen lassen. So steht es auf einem Antrag der Fraktion vom 4. März für die Runde der Fraktionschefs am kommenden Donnerstag, den die Piraten-Abgeordnete Julia Reda am Montag veröffentlicht hat . Und es steht auch in einer Entscheidungsvorlage für die Runde, die der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken am Dienstag auf Twitter gepostet hat. Angepeilt wird demnach der 12. März.
Für die anderen Fraktionen kommt das überraschend. Bisher schien es Konsens, dass die Abstimmung erst in der zweiten Sitzungswoche des Monats, also ab dem 25. März stattfinden würde. Reda, die schärfste Kritikerin der Reform, schloss daraus, der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber wolle die Abstimmung "vorverlegen, um den #SaveYourInternet-Protesten zuvorzukommen" .
Die Proteste sind europaweit für den 23. März geplant. Die Kampagne "Rette dein Internet" kündigte 17 Demonstrationen in Deutschland an, sechs in Polen und fünf weitere in verschiedenen europäischen Städten. Die Kampagne "StopActa2" hat noch einige weitere auf ihrer Website aufgelistet. Auch die Veranstalter waren bisher davon ausgegangen, dass die finale Entscheidung im EU-Parlament in der Sitzungswoche danach fällt. Eine Vorverlegung würde ihre Proteste ins Leere laufen lassen.
EVP will offenbar doch nicht auf Übersetzer warten
Entsprechend groß war der Aufschrei besonders auf Twitter. "Undemokratisch" war noch der harmloseste Vorwurf gegen die EVP. Wölken sagte dem SPIEGEL: "Die Abstimmung vorzuziehen, ist ein Schlag ins Gesicht aller, die am 23. März demonstrieren wollten. Ich halte es für einen Skandal, die Entscheidung mit allen Tricks durchzupeitschen".
Die EVP betonte, schon unmittelbar nach der Abstimmung im Rechtsausschuss am 27. Februar beantragt zu haben, die Plenums-Entscheidung so schnell wie möglich herbeizuführen - nämlich sobald die Übersetzungen des Gesetzestextes in allen EU-Sprachen vorliegen. Das teilte die Fraktion auf Twitter mit , und ein Mitarbeiter von Weber bestätigte es am Montagabend im Telefongespräch mit dem SPIEGEL.
Der Mitarbeiter sagte dem SPIEGEL und der dpa aber auch, man habe erfahren, dass die Übersetzungen nicht rechtzeitig für eine Abstimmung in der kommenden Woche fertig würden. Deshalb werde es kein Vorziehen der Entscheidung auf den 14. März geben.
Der Eintrag in der Entscheidungsvorlage mit dem Wunsch, die Abstimmung auf den 12. März zu legen, widerspricht nun der Aussage des Mitarbeiters.
Geschäftsordnung des EU-Parlaments verlangt Übersetzungen
Weder die EVP-Fraktion noch Manfred Weber haben die Fragen des SPIEGEL zu diesem Vorgang bisher beantwortet. Dafür schrieb der Sprecher der Fraktion, Pedro López, in einer E-Mail an "Golem.de", man sei "abhängig von den Technischen Diensten", aber "wenn es zur nächsten Plenarsitzung möglich ist", wolle man die Abstimmung auf die Agenda der Runde der Fraktionsvorsitzenden setzen. Kurz: Die EVP will schon nächste Woche im Plenum abstimmen, sofern die Übersetzungen rechtzeitig fertig werden.
Anders wäre es auch kaum zu rechtfertigen. Die Geschäftsordnung des Parlaments besagt in Artikel 156 : "Außer in den Artikeln 135 und 154 vorgesehenen Dringlichkeitsfällen können die Aussprache und die Abstimmung über einen Text nur stattfinden, wenn dieser den Mitgliedern mindestens 24 Stunden zuvor zur Verfügung gestellt wurde". Und in Artikel 158 steht: "Alle Schriftstücke des Parlaments sind in den Amtssprachen abzufassen." Eine Abstimmung ohne die übersetzten Texte würde demnach der Geschäftsordnung widersprechen. Allerdings heißt es in Parlamentskreisen, dass die Übersetzer womöglich doch rechtzeitig fertig werden, weil sie längst eine Deadline gesetzt bekommen hätten: den kommenden Freitag.
Die EVP bräuchte für ihren Antrag allerdings einen Konsens in der Runde der Fraktionsvorsitzenden, oder zumindest eine Mehrheit entsprechend der Mitgliederstärke jeder Fraktion. Ob sie die bekommt, ist offen. Eine unmittelbare Folge ihres Vorstoßes: Es gibt noch mehr Demonstrationen , allein am heutigen Dienstag in mindestens fünf deutschen Städten.
Hinweis: Der Artikel wurde korrigiert mit der Datumsangabe 12. März und aktualisiert mit der Aussage des EVP-Fraktionssprechers López sowie mit Details zur Runde der Fraktionsvorsitzenden.