Kräftemessen in Australien Darum blockiert Facebook Nachrichtenseiten

In Australien ist der Streit über ein neues Gesetz eskaliert: Facebook verbannt dort nun alle Medieninhalte aus seinem Netzwerk. Auch für deutsche Nutzerinnen und Nutzer hat der Vorstoß Konsequenzen.
Sonderregel für Australien: Facebook verbannt Medieninhalte von seiner Plattform

Sonderregel für Australien: Facebook verbannt Medieninhalte von seiner Plattform

Foto: Brendon Thorne / Getty Images

Für den Fall, dass es kriselt, lässt sich auf Facebook beim »Beziehungsstatus« die Angabe »Es ist kompliziert« kaum toppen. Die nächst schlimmeren Kategorien lauten »Getrennt« und »Geschieden«, im Grunde also aus und vorbei.

Soweit ist Scott Morrison noch nicht. Seinen Facebook-Account jedenfalls nutzt Australiens Premierminister noch. Doch sein Verhältnis zu dem Internetkonzern wirkt maximal angespannt.

Facebooks Aktionen, »um sich von Australien zu entfreunden«, seien »so arrogant wie enttäuschend«, teilte er am Donnerstag über das Netzwerk mit und kritisierte, dass Facebook auf seiner Plattform wichtige Informationsdienste zum Thema Gesundheit sowie Notfalldienste blockiert habe. Große IT-Unternehmen wie Facebook mögen die Welt verändern, wetterte Morrison, »aber das bedeutet nicht, dass sie sie regieren«.

Die Nachrichtenblockade trifft auch deutsche Nutzer

Wer wissen will, was der Anlass für Morrisons Posting ist, muss dafür nur irgendeine größere Nachrichtenseite aufrufen – ein drastischer Schritt Facebooks macht nämlich gerade weltweit Schlagzeilen. Vermutlich gibt es derzeit nur eine einzige Onlineplattform, auf der einem keine einzige dieser Schlagzeilen begegnen wird: das australische Facebook.

Denn Facebook erlaubt es Nutzerinnen und Nutzern aus Australien seit Mittwoch nicht mehr, in seinem Netzwerk Medieninhalte zu teilen – egal, ob es sich dabei um Artikel australischer Zeitungen handelt oder um Inhalte ausländischer Redaktionen. Australische Medien selbst können sogar gar keine Postings mehr absetzen. Und wer in Deutschland oder einem anderen Land versucht, auf Facebook einen Artikel eines Mediums aus Australien zu posten, bekommt nun eine Fehlermeldung: »Dieser Beitrag kann nicht geteilt werden.«

Facebook schneidet seine Nutzer aus aller Welt also mal eben von allen Nachrichten direkt aus Australien ab – und seine australischen Nutzer direkt von Nachrichten aus aller Welt.

Diese Meldung kommt, wenn man in Deutschland versucht, einen australischen Pressebericht zu teilen

Diese Meldung kommt, wenn man in Deutschland versucht, einen australischen Pressebericht zu teilen

Foto: Facebook

Schon das allein dürfte in Australien viele Menschen irritiert haben. Internetnutzer hatten zudem bemerkt, dass Facebooks neue Blockade zunächst nicht nur Inhalte von Medienhäusern traf, sondern zum Beispiel auch die Facebook-Seiten von mindestens drei Gesundheitsbehörden, auf denen aktuelle Informationen zur Corona-Pandemie veröffentlicht wurden. Auch Meteorologie- und Feuerwehr-Seiten waren zeitweise gestört. Facebook sprach mit Blick auf solche Probleme später von Versehen.

Es geht um ein neues Gesetz

Facebooks Vorstoß, den unter anderem die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch scharf kritisiert , ist der bisherige Höhepunkt eines Streits zwischen den großen Internetfirmen und der australischen Regierung. Dabei geht es um ein geplantes und schon lange umstrittenes Mediengesetz, das vorsieht, dass Internetriesen wie die Google-Konzernmutter Alphabet und Facebook künftig örtliche Medienunternehmen bezahlen sollen, wenn sie deren Inhalte verbreiten. Werden sich die Internetkonzerne und Medienunternehmen nicht einig, soll es zu Schiedsverfahren kommen.

Die US-Konzerne hatten lange betont, sie hielten dies für nicht umsetzbar. Alphabet etwa drohte noch im Januar , angesichts der Pläne sei es denkbar, dass die Google-Suche auf dem ganzen Kontinent abgeschaltet werde.

Diese Woche jedoch einigte sich Google doch noch unter anderem mit Rupert Murdochs News Corp auf Zahlungen für journalistische Inhalte des Medienkonzerns. Die Vereinbarung laufe über drei Jahre, teilte Murdochs Konzern mit, der in Australien Zeitungen wie »The Australian«, »The Daily Telegraph« und »The Herald Sun« besitzt. Geplant seien »bedeutende Zahlungen« von Google an News Corp. Der große Google-Blackout dürfte australischen Nutzern so erspart bleiben.

Facebook hingegen probt nun den Aufstand gegen die Pläne aus Canberra. Am Mittwoch teilte das Unternehmen mit , das Gesetzesvorhaben würde das Verhältnis zwischen den Plattformen und den Verlagen, die sie nutzten, um nachrichtliche Inhalte zu teilen, missverstehen: »Es stellt uns nun vor eine harte Wahl: zu versuchen, ein Gesetz zu befolgen, dass die Realität dieser Beziehung verkennt, oder Nachrichteninhalte in unseren Diensten in Australien nicht länger zu erlauben.« »Schweren Herzens« habe man sich für Letzteres entschieden. Australische Verlage profitierten davon, ihre Beiträge auf Facebook zu teilen, begründete das US-Unternehmen seinen Widerstand gegen Zahlungen an die Medienhäuser.

Seinen möglichen Konter, Medieninhalte in Australien einfach ganz aus seinem Dienst zu verbannen, hatte Facebook bereits im August angedeutet. Bei einer Senatsanhörung im Januar war die Drohung noch einmal erneuert worden. Nach Angaben von Facebook sind nur rund vier Prozent aller Inhalte, die australische Nutzer in ihren Newsfeeds sehen, journalistische Inhalte.

Das Gesetz muss noch durch den Senat

Australiens Social-Media-Welt steht nun unter besonderer Beobachtung. Mike Isaac , ein Technologiejournalist der »New York Times«, kommentierte auf Twitter, er sei gespannt, »welche Art von Informationen – Fehlinformationen? – die Lücke in den Ländern füllt, die das Teilen von Links der Nachrichtenverlage nicht mehr erlauben«.

Denkbar ist allerdings auch, dass Facebooks Nachrichtenblockade nicht von Dauer sein wird. Noch jedenfalls gibt es Gespräche zwischen Facebook und Vertretern der australischen Regierung, die laut Schatzkanzler Josh Frydenberg auch noch zu Ergänzungen und Klarstellungen zu dem umstrittenen Gesetz führen könnten. Dieses hat das Repräsentantenhaus passiert, den Senat jedoch noch nicht .

Premierminister Scott Morrison kündigte in seinem Posting an, man werde sich von den Internetunternehmen, die das Parlament vor der Abstimmung zum Gesetz unter Druck setzen wollten, nicht einschüchtern lassen. Facebook ermutigte er aber mit einem Verweis auf Google dazu, »konstruktiv mit der australischen Regierung zusammenzuarbeiten«.

Campbell Brown, bei Facebook für das Thema News zuständig, sprach am Mittwoch  von einer »unglaublich schwierigen Entscheidung«, die Facebook habe treffen müssen. Sie hoffe, das Unternehmen werde den Menschen in Australien in Zukunft auch wieder Nachrichten bieten können.

Nach Trennung oder Scheidung klingt das alles noch nicht. Aber vorerst bleibt es wohl sehr kompliziert.

mit Material von dpa und Reuters
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