Baden-Württemberg Journalisten schreiben Transparenzgesetz

Die grün-rote Regierung in Stuttgart wollte den Behörden im Ländle eigentlich Transparenz verordnen. Weil bisher nichts passiert ist, hat die Journalistenorganistation Netzwerk Recherche nun ein Gesetz vorgelegt. In Hamburg hat diese Strategie funktioniert.
Koalitionspartner Kretschmann und Schmid (2011): Wo bleibt die Transparenz?

Koalitionspartner Kretschmann und Schmid (2011): Wo bleibt die Transparenz?

Foto: Uwe Anspach/ dpa

In Baden-Württemberg regiert nun schon seit zwei Jahren ein Ministerpräsident der Grünen. "Der Wechsel beginnt", steht auf dem Koalitionsvertrag, den Winfried Kretschmann und sein Koalitionspartner Nils Schmid von der SPD unterschrieben haben. In dem Papier versprechen sie eine "transparente Verwaltung", wollen Daten und Dokumente der Verwaltung "weitestmöglich öffentlich zugänglich machen".

Doch ein dazu nötiges Landesgesetz lässt weiter auch sich warten, die Verwaltung arbeitet trotz der Ankündigung weiter hinter verschlossenen Türen. Am Donnerstag präsentierte deswegen der Journalistenverein Netzwerk Recherche in Stuttgart ein Transparenzgesetz . "Unser Entwurf ist eine Art zivilgesellschaftliche Notwehr", sagt Manfred Redelfs, der sich bei der Journalistenorganisation Netzwerk Recherche engagiert.

Dass sich die Ministerialbürokratie schwer damit tue, ein solches Gesetz vorzulegen, sei verständlich. "Sie muss damit ja Privilegien aufgeben, mit denen sie in den letzten Jahrzehnten gut gelebt hat", sagt Redelfs. "Das ist so, als wenn man die Fleischerinnung bittet, eine Aufklärungskampagne zur vegetarischen Ernährung zu organisieren."

Radikales Transparenzgesetz in Hamburg

Auf Bundesebene und in elf anderen Bundesländern gibt es bereits Gesetze, mit deren Hilfe Bürger den Behörden Informationen abtrotzen können. Auch wenn das meist noch bedeutet, dass man Anträge stellen und oft Kosten übernehmen muss, ist das ein Anfang. Vor allem ist es eine Abkehr vom Amtsgeheimnis, der in Deutschland lange gepflegten Tradition, dass den Bürger die Akten auf dem Amt höchstens dann etwas angehen, wenn er selbst betroffen ist.

Einen Schritt weiter ist das SPD-regierte Hamburg gegangen. Dort hat die Bürgerschaft im vergangenen Jahr ein radikales Transparenzgesetz beschlossen: Die Bürger sollen nicht erst fragen müssen, Daten der Verwaltung sollen grundsätzlich im Internet veröffentlicht und weiter verwendet werden dürfen. Bis 2014 soll das Informationsregister stehen, für die Behörden eine Mammutaufgabe.

Von selbst ist die Politik aber nicht drauf gekommen. Hinter dem Gesetz steckt maßgeblich eine Initiative , die der Verein Mehr Demokratie, Transparency International und der Chaos Computer Club gegründet haben. Sie wollten einen Volksentscheid organisieren und der Stadt Transparenz verordnen. Einen ersten Entwurf schrieben sie in einem Wiki, starteten im Oktober 2011 mit der Sammlung von Unterschriften, um die erste Hürde zum Volksentscheid zu nehmen.

Gesetz nicht der Verwaltung überlassen

Die Hamburger unterschrieben - und die Parteien merkten auf, wohl auch, weil der Volksentscheid sonst in die Zeit des Bundestagswahlkampfs dieses Jahr gefallen wäre. Zusammen mit der SPD arbeitete die überparteiliche Initiative einen zweiten Entwurf aus. Ziemlich genau ein Jahr nach der ersten Unterschriftensammlung trat das Transparenzgesetz in Kraft, ohne Volksentscheid, beschlossen von SPD, CDU, Grünen, FDP und der Linken. Seitdem hat die Stadt zum Beispiel Verträge zum Millionengrab Elbphilharmonie öffentlich gemacht.

Die Zivilgesellschaft legt vor, die Parteien ziehen mit: Das könnte auch ein Modell für Baden-Württemberg sein. Manfred Redelfs von Netzwerk Recherche sagt: "Die Erfahrung aus allen Ländern und beim Bund lehrt: Es klappt nicht, wenn sich die Politik darauf verlässt, dass die Verwaltungsebene ein gutes Gesetz zur Informationsfreiheit ausarbeitet." Ein Entwurf, zugeschnitten auf Baden-Württemberg, liegt nun vor . Auch hier sollen Daten der Verwaltung grundsätzlich öffentlich zugänglich sein und nicht erst abgefragt werden müssen.

Fehlt nur noch das überparteiliche Bündnis im Ländle, das den Entwurf in den Landtag bringt. Rund 1,2 Millionen Unterschriften wären dazu notwendig. Oder aber die grün-rote Landesregierung schaut noch mal in ihrem Koalitionsvertrag auf Seite 78  nach und erinnert sich an das "umfassende Informationsfreiheitsgesetz".

Innenminister verspricht Gesetzentwurf

Innenminister Reinhold Gall (SPD) kündigte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE an, im Laufe dieses Jahr einen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vorzulegen. Gall sagte: "Das Innenministerium hat 76 Aufträge aus der Koalitionsvereinbarung abzuarbeiten, das geht natürlich nicht von heute auf morgen." Man könne nicht einfach ein Gesetz aus einem anderen Bundesland übernehmen - und müsse auch Personal- und Sachkosten berücksichtigen.

Es wird höchste Zeit: Mittlerweile hat sogar die FDP einen solchen Entwurf vorgelegt  - die sich als Regierungspartei jahrelang davor gedrückt hatte.

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