BGH-Urteil Gameforge darf digitales Spielzubehör nicht bei Kindern bewerben

Wenn dieses Urteil Bestand hat, ist das Geschäftsmodell Free-to-play in Deutschland in Gefahr - viele Eltern aber könnten aufatmen. Der Bundesgerichtshof hat einem Spielebetreiber verboten, im Online-Spiel für digitales Spielzubehör zu werben - wenn sich die Werbung an Kinder richtet.
Online-Spiel "Runes of Magic": Werbung, die sich an Kinder richtet, muss entfernt werden

Online-Spiel "Runes of Magic": Werbung, die sich an Kinder richtet, muss entfernt werden

Foto: gameforge

Karlsruhe - Dieses Urteil könnte für die gesamte Spielebranche weitreichende Folgen haben - mit der Betonung auf "könnte". Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Kinder in einem Online-Spiel nicht zum Kauf von digitalem Spielzubehör animiert werden dürfen. Der Schutz der Kinder gebiete es, dass auch im Internet eine gewisse Zurückhaltung gewahrt werde, begründete das Gericht seine Entscheidung. Der BGH gab damit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) Recht, der die Softwarefirma Gameforge wegen Werbung zu dem Fantasy-Rollenspiel "Runes of Magic" verklagt hatte.

Wenn es nicht zum Einspruch kommt, bedeutet das: Gameforge darf im Rahmen seines Online-Spiels "Runes of Magic" nicht mehr mit diesem Satz werben: "Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse 'Etwas' ". Unterlegt war der Satz mit einem Link, der zu einer Einkaufsmöglichkeit für digitale Spielzutaten führte.

Der Text sei eindeutig auch an Kinder gerichtet, entschied der BGH. Das sehe man an der Wortwahl sowie der Möglichkeit, per SMS zu bezahlen. Wie in einem Ladengeschäft seien Werbung und direkte Kaufmöglichkeit nah beieinander - hier durch den Link vermittelt. Gameforge verwies in einer Stellungnahme darauf, dass die Werbeaktion nicht wiederholt worden sei.

Potentiell katastrophale Folgen für die Free-to-Play-Branche

"Runes of Magic" funktioniert nach dem sogenannten Free-to-play-Modell: Spielen ist kostenlos, aber Zusatzsausstattung für die Spielcharaktere, etwa Waffen oder Zeitvorteile, kann man dazukaufen. 2009 bewarb Gameforge weiteres Spielzubehör mit dem besagten Aufruf. Das sei verbotene Werbung für Kinder, argumentierten die Verbraucherschützer und klagten.

Die bislang sehr knappe Mitteilung des Gerichts   bezieht sich konkret auf den zitierten Satz mit der "günstigen Gelegenheit". Das Urteil könnte immense Folgen für die Branche haben: Das boomende Geschäftsmodell Free-to-play basiert schließlich ausschließlich darauf, dass in Spielen kostenpflichtige Zusatzinhalte verkauft werden.

Wenn Gerichte Computerspiele, die eine Jugendfreigabe erhalten haben, per se als Produkte auch für Kinder einstufen würden und derartige Werbung im Spiel verböten, wäre das Free-to-play-Geschäftsmodell in seiner jetzigen Form in Deutschland gefährdet. Das könnte sich auch auf andere Bereiche mit ähnlichen Modellen auswirken - etwa Apps für Smartphones, die oft ebenfalls kostenlos sind und sich über innerhalb der App erhältliche Zusatzinhalte finanzieren.

Ein Versäumnisurteil, kein Grundsatzurteil

Doch ganz so klar, wie sich die Sache zunächst anhört, liegt der Fall nicht. Es gibt gewisse Spielräume", sagt der BGH-Anwalt Peter Wassermann, der den Bundesverband der Verbraucherzenralen vertreten hat, gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Verboten ist nur die unmittelbare Aufforderung zum Kauf - nicht aber etwa eine Aufforderung, sich über ein Produkt näher zu informieren." Eine Aufforderung wie "Schau Dir unser tolles Angebot an" wäre demnach in Ordnung.

Zudem hat der Senat formal zunächst noch nicht abschließend entschieden: Es handelt sich um ein sogenanntes Versäumnisurteil. Die Vertreter von Gameforge, der Spielefirma, gegen die der vzbv geklagt hatte, waren nicht zum entscheidenden Gerichtstermin erschienen. Binnen zwei Wochen nach Zustellung des schriftlichen Urteils könnte Gameforge noch Einspruch einlegen. Das Urteil ist deshalb vorläufig noch nicht rechtskräftig.

Theoretisch könnte sich das Urteil auch ändern: Sollte es tatsächlich zu einem Einspruch von Gameforge kommen, müsste nochmals verhandelt werden. Allerdings hat sich der Senat schon jetzt umfassend mit der Sache befasst und seine rechtliche Würdigung getroffen. "Es ist nicht zu erwarten", sagt Anwalt Wassermann, "dass der Senat von dieser Rechtsmeinung abrücken würde". Der Rechtsvertreter der Firma Gameforge kündigte an, man werde die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann über weitere Schritte entscheiden.

Auch beim Verbraucherzentrale Bundesverband erklärte man auf Nachfrage, dass man sich eine klare, schriftliche Begründung des Gerichteshofes wünsche, um die Tragweite der Entscheidung richtig einschätzen zu können.

(Aktenzeichen: I ZR 34/12)

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde nach seiner Veröffentlichung aktualisiert und um weitere Stellungnahmen ergänzt.

Mitarbeit: Dietmar Hipp; Mit Material von dpa
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