Biometrie So werden Asylbewerber an der Grenze überprüft
Die Bundespolizei darf Flüchtlinge an der Grenze nun abweisen, wenn ein Einreiseverbot vorliegt. Dafür hat Bundesinnenminister Horst Seehofer mit einem Erlass gesorgt. Am Dienstag erteilte Seehofer die entsprechenden Anweisungen an die zuständige Bundespolizei. Bisher konnten Flüchtlinge nach Deutschland mit einem neuen Asylantrag zurückkehren, auch wenn sie bereits vorher abgewiesen worden waren.
An drei Grenzübergängen zwischen Deutschland und Österreich wird die Einreise kontrolliert. Doch woher wissen die Polizisten dort eigentlich, ob ein Einreiseverbot vorliegt? Und wie erfahren sie, ob ein Flüchtling nicht bereits in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt hat oder polizeilich gesucht wird?
Wir erklären, in welchen Datenbanken die Daten über Flüchtlinge abgelegt werden - und warum immer wieder Probleme auftauchen:
Welche Daten werden erfasst?
Um die Identität eines Flüchtlings an der Grenze festzustellen, überprüfen Bundespolizisten zunächst die Ausweisdokumente der Person, die Asyl in Deutschland beantragen will. Außerdem werden mitgeführte Papiere wie Zugtickets kontrolliert und die Person nach Name, Herkunftsland, Reiseroute und Grund des Asylantrags befragt.
Um jemanden eindeutig zu identifizieren, werden die Fingerabdrücke überprüft. Ist die Person noch nicht registriert, übernimmt dies das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Doch manchmal kümmern sich darum auch Grenzbeamte, sagt Ernst Walter, Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft im Gespräch mit dem SPIEGEL.
Die Maßnahme solle verhindern, dass Asylbewerber auf dem Weg zum Bamf untertauchen. Für die Beamten sei das ein großer Aufwand. "Teilweise übernehmen wir Aufgaben des Bamf bereits an der Grenze, stellen die Personalien fest und nehmen Fingerabdrücke. Das ist zusätzliche Arbeit, für die wir dringend mehr Personal benötigen."
Auf welche Asyl-Datenbanken greifen Grenzbeamte zu?
Die Grenzbeamten überprüfen vor allem die Einträge in zwei europäischen Datenbanken, um Informationen über Flüchtlinge an der Grenze zu finden. Um zu klären, ob die Asylsuchenden bereits in einem anderen europäischen Land registriert sind, greifen sie auf die Datenbank Eurodac zu. Dort werden europaweit die Fingerabdrücke von Asylbewerbern gespeichert, sofern sie älter als 14 Jahre sind.
Eurodac soll verhindern, dass eine Person in mehreren europäischen Ländern einen Asylantrag stellt. Seit etwa drei Jahren dürfen auch Strafverfolgungsbehörden auf die Einträge zugreifen, um nach schweren Straftaten wie terroristischen Anschlägen die Daten von Verdächtigen einzusehen.
In den Datenbanken des Schengener Informationssystems (SIS) wird hingegen vermerkt, ob ein Einreiseverbot gegen eine Person vorliegt. Wenn eine solche Wiedereinreisesperre im SIS hinterlegt ist, dann dürfen Grenzbeamte die Person an der Grenze abweisen. Zudem wird im SIS auch gespeichert, ob eine Vermisstenanzeige zu einer Person vorliegt oder Gefahr von ihr ausgeht. Zugriff auf das SIS haben unter anderem Strafverfolgungsbehörden in den Schengen-Ländern und Europol.
Wie zuverlässig sind die Biometrie-Datenbanken?
Die Bundespolizei verlässt sich auf die Biometrie-Scanner an der Grenze. "Fingerabdrücke sind das übliche Mittel der Identitätsfeststellung, das kann niemand fälschen", sagt Walter. "Welche Fehler unterwegs mit den Daten passieren, können wir nicht kontrollieren."
Perfekt arbeiten die Systeme offenbar nicht. Laut einem Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) gibt es hin und wieder technische Pannen. So werden unter anderem Namen mit falscher Schreibweise in Datenbanken gespeichert und Fingerabdrücke falschen Personen zugeordnet. Das komme zwar selten vor, könne aber dazu führen, dass Asylsuchende in andere Länder abgeschoben werden, weil ihre biometrischen Daten nicht richtig erfasst worden sind.
Die FRA kritisiert in einem Bericht aus dem März dieses Jahres vor allem die unterschiedlichen Qualitätsanforderungen der Datenbanken - und dass die Systeme nicht miteinander kompatibel seien. So sei es beispielsweise nicht möglich, die Eurodac-Fingerabdrücke mit dem Visa-Informationssystem VIS abzugleichen.
Komplizierte Abläufe und Sprachbarrieren bei der Erfassung der biometrischen Daten sowie IT-Systeme, die nicht zusammenarbeiten, könnten die betroffenen Personen "an ihren Rechten hindern, die Daten einzusehen, zu korrigieren und zu löschen".
Was soll sich in Zukunft ändern?
Die Eurodac-Datenbank soll erweitert werden. Verhandler von EU-Rat und -Kommission haben sich in dieser Woche auf einen Entwurf geeinigt, der besagt, dass in der Datenbank nicht nur mehrere Millionen Fingerabdrücke, sondern auch Daten aus der Gesichtserkennung gespeichert werden sollen. Außerdem müssten auch Kinder ab sechs Jahren ihre Fingerabdrücke abgeben.
Seit Jahren arbeitet die EU zudem daran, dass alle verfügbaren Datenbanken miteinander vernetzt werden. Neben Eurodac und SIS sind das unter anderem das Visa-Informationssystem VIS, die Reisedaten von EU-Ausländern aus den geplanten Entry-Exit- und Etias-Systemen sowie die Verbrecherdatenbank Ecris-TCN. Datenschützer befürchten, dass mit der massenhaften Datensammlung neben Asylsuchenden auch Touristen und Geschäftsleute unter Generalverdacht gestellt werden.
Video: Einsatz an der Außengrenze