Blauer Engel Von 177 Rechenzentren des Bundes ist nur eines besonders umweltfreundlich

Der Bund will weniger Rechenzentren betreiben, die verbleibenden sollen umweltschonend arbeiten. Nach SPIEGEL-Informationen klappt das bisher nicht. Die Linke spricht von »zweifachem Versagen«.
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg: Keine andere Bundesbehörde betreibt ein Rechenzentrum, das den Blauen Engel verdient

Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg: Keine andere Bundesbehörde betreibt ein Rechenzentrum, das den Blauen Engel verdient

Foto: Rüdiger Wölk / imago images

Im April 2016 verkündete  das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) stolz, es erhalte als erste Bundesbehörde den Blauen Engel für energieeffizienten Rechenzentrumsbetrieb.

Bis heute ist sie auch die einzige geblieben.

177 Rechenzentren betreiben die Behörden und Einrichtungen der unmittelbaren Bundesverwaltung derzeit, nur eines davon trägt das Umweltzeichen. So steht es in der noch nicht veröffentlichten Antwort des Bundesinnenministeriums (BMI) auf eine Schriftliche Frage von Anke Domscheit-Berg, der netzpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Die Antwort liegt dem SPIEGEL vor.

Das Bundesumweltministerium betreibt neun Rechenzentren, keines davon schmückt sich mit dem Blauen Engel, ebenso wenig wie die 85 Rechenzentren des Innenministeriums. Das BSH als einziger Betreiber eines entsprechend zertifizierten Rechenzentrums gehört zum Geschäftsbereich des Verkehrsministeriums.

Dabei hatte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) zuletzt vor wenigen Wochen für den Blauen Engel für Rechenzentren geworben , im Rahmen des Digital-Gipfels der Bundesregierung. In der Umweltpolitischen Digitalagenda ihres Ministeriums  wird die »Anwendung der Kriterien des Blauen Engels für die im Aufbau befindlichen Rechenzentren des Bundes« auch angekündigt. Zu den Kriterien gehören ein reduzierter Energie­verbrauch, der Betrieb ohne klimaschädliche Kühlung und eine gut ausgelastete Technik.

»Dieses Milliardengrab funktioniert einfach nicht«

Domscheit-Berg wirft der Bundesregierung nun »gleich zweifaches Versagen« vor. Die müsse zum einen »endlich ihre Verantwortung für den eigenen CO₂-Fußabdruck übernehmen und nicht Schlusslicht, sondern Vorreiter sein«, sagte sie dem SPIEGEL. »Wenn wir die gemeinsamen Ziele der EU zur Begrenzung des CO₂-Ausstoßes erreichen wollen, braucht es nicht nur Appelle, sondern konsequentes Handeln – im eigenen Haus.«

Zum anderen hält sie die vom BMI genannte Gesamtzahl der Rechenzentren von 177 für irritierend. Vor wenigen Wochen hatte das BMI dem »Tagesspiegel« mitgeteilt , man habe die Zahl der Rechenzentren »in der Betriebsverantwortung von Ministerien und Behörden des Bundes« seit 2016 von 134 auf 107 reduzieren können. Der SPIEGEL hatte noch im September von »rund hundert Rechenzentren und 1245 Serverräumen« berichtet, diese Angaben stammen aus dem »Grobkonzept zur IT-Konsolidierung Bund« . Welche Zählweise dabei jeweils zugrunde lag, ist unklar.

Domscheit-Berg sagt: »Offenbar hat die Bundesregierung erst durch meine Schriftliche Frage ihre Rechenzentren durchgezählt und kam auf 177.«

Dabei lautet ein Ziel der 2015 von der Regierung beschlossenen, schleppend verlaufenden IT-Konsolidierung des Bundes: »Ende 2022 soll die Anzahl der Rechenzentren und Serverräume der unmittelbaren Bundesverwaltung erheblich reduziert worden sein.« Domscheit-Berg sagt: »Mehr als vier Jahre nach Beginn dieses Projektes bleibt nur die Feststellung: Dieses Milliardengrab funktioniert einfach nicht, nur zwei Ministerien haben die Anzahl ihrer Rechenzentren verringert, bei drei blieb die Zahl gleich, neun haben sie jedoch erhöht. Seit 2009 ist die Anzahl der Bundes-Rechenzentren um 65 Prozent gestiegen.«

Der SPIEGEL hatte zunächst am Montag dem BMU eine Anfrage geschickt, wurde aber dort ans BMI verwiesen. »Fragen rund um die Informationstechnik des Bundes« würden dort koordiniert. Das BMI wiederum teilte am Dienstagnachmittag mit: »Die Zuständigkeit für die Konsolidierung von Rechenzentren liegt nach Neuorganisation der IT-Konsolidierung Bund beim Bundesfinanzministerium« (BMF).

Das Finanzministerium habe als »oberste Prämisse für die IT-Betriebskonsolidierung Bund« ausgegeben, »so viele IT-Lösungen wie sinnvoll möglich in den zentralen Rechenzentren des Informationstechnikzentrums Bund zu konsolidieren«. Dadurch gehe die Fläche der Rechenzentren in den einzelnen Behörden zurück, es zahle also auf das Ziel ein, die Rechenzentren und Serverräume zu reduzieren. »Das genannte Zeitziel wird nach der Neuplanung allerdings nicht erreicht werden.«

Hinweis: Der Artikel wurde um die Antwort des BMI ergänzt.

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