BND-Affäre Österreichischer Abgeordneter zeigt Telekom und BND an

Neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND): Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom
Foto: Paul Zinken/ dpaIn Frankfurt findet sich eine der wichtigsten Schaltstellen des globalen Internets: Der Internetknoten De-Cix, an dem viele unterschiedliche Netzbetreiber Daten aneinander weiterreichen. Auch die Deutsche Telekom betreibt dort einen mächtigen Knotenpunkt. Entsprechend begehrt waren die Glasfaserkabel beim US-Geheimdienst NSA, der sich beim Anzapfen der Dienste des Deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) bedient hat.
Dieses Zusammenspiel im Rahmen der sogenannten Operation "Eikonal" hat der österreichische Grünen-Abgeordnete Peter Pilz zum Ziel eigener Recherchen gemacht. Der Wiener Politiker ist in den Besitz von E-Mails gelangt, mit deren Hilfe er glaubt, die Architektur dieses Lauschangriffs auf den Internetverkehr nachzeichnen zu können. Mindestens seit 2005 soll die Aktion im Gange gewesen sein.
Datenverkehr aus Moskau, Ankara und Prag
Zunächst stieß Pilz auf eine Datenverbindung zwischen Wien und Luxemburg, in einer E-Mail eines Mitarbeiters der Telekom an den BND vom 3. Februar 2005. Darin verkündete der Mitarbeiter im Frankfurter Internetknoten, dass "heute wieder eine STM1 zugeschaltet" worden sei. Dabei handelt es sich um eine Transit-Glasfaserverbindung zwischen Österreich und Luxemburg, die durch Deutschland führt. Die Leitung scheint strategisch interessant, weil sie Datenverkehr aus Moskau, Ankara und Prag transportiert, der über Wien fließt.
Die österreichische Regierung hat wegen Medienberichten über Spionagetätigkeit "zum Schaden Österreichs" bereits Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Man wolle "volle Aufklärung", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner Anfang Mai. Pilz dagegen ist sich sicher, Schuldige klar benennen zu können.
Er will allerdings ein viel größeres Netzwerk nachzeichnen, das über Europa hinausreicht. Mit den Unterlagen, die ihm vorlägen, ergebe sich "ein Netz, das sich über die Kontinente spannt", sagte er SPIEGEL ONLINE. Am Dienstag will er Details zu diesem Spionageverbund auf einer Pressekonferenz in Berlin vorlegen. Offenbar hat der BND mit einer "großen Umschaltaktion", so die interne Bezeichnung, im Jahr 2005 versucht, das Ausspähen von deutschen Zielen durch die NSA zu unterbinden. Seitdem haben es BND und NSA bei der Telekom verstärkt auf Transitleitungen durch Deutschland abgesehen - und damit auf die unmittelbaren Nachbarn.
"Spionageziele sind unter anderem Frankreich, die Niederlande, Luxemburg, aber natürlich auch Österreich", sagt Pilz und erinnert dabei an die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wonach Ausspionieren unter Freunden "gar nicht geht".
Was mit den Daten passiert, weiß man bei der Telekom nicht
Pilz fordert nun einen Untersuchungsausschuss im Wiener Bundesparlament. Er will in Österreichs Bundeshauptstadt zudem Strafanzeige stellen gegen Mitarbeiter des BND und der Telekom, und zwar wegen Spionage gegen die Republik Österreich.
Die Telekom weist die Vorwürfe von Pilz zurück. Man habe nach Recht und Gesetz der Bundesrepublik Deutschland gehandelt und lediglich die Weiterleitung des gesamten Internetverkehrs der betreffenden Leitung an den BND technisch sichergestellt. Was mit den Daten passierte, ob sie also etwa an die NSA weitergeleitet wurden, davon habe man keine Kenntnis, so ein Telekom-Sprecher.
In dem betreffenden Zeitraum war für das Anzapfen von Transitleitungen offenbar keine Anordnung der G10-Kommission nötig, einem geheimen Gremium, das vom Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags für jeweils eine Wahlperiode berufen wird. Ab 2008 hat sich dies geändert. Seitdem muss die G10-Kommission eine solche Anordnung genehmigen, auf deren Grundlage die Telekom Datenverkehr an den BND weiterleitet.
Die Initiative zum Ausspähen der Leitungen über Wien, glaubt der Grünen-Parlamentarier Pilz, kam aus dem Bundeskanzleramt. Der Abgeordnete, der in der Vergangenheit schon eine Reihe von österreichischen Affären wie jene um den Kauf von Eurofightern aufgedeckt hat, verspricht, auch dazu neue Ergebnisse zu präsentieren.