Breitband-Pläne der Regierung Deutschland lahmt beim Netzausbau

Mobilfunkantennen: Kann LTE das Breitbandproblem lösen?
Foto: Carsten Rehder/ dpaHamburg - Im September 2011 schickten diverse Telekom-Branchenverbände einen Brandbrief nach Berlin. Es ging um die bevorstehende Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG), und eine aus Sicht der Verbände drohende staatliche Gängelung. Abgeordnete aus dem ländlichen Raum, auch aus der CDU/CSU, wollten durchsetzen, dass der Gesetzgeber die Anbieter verpflichtet, endlich überall in Deutschland schnelle Internetverbindungen bereitzustellen. Den Verbänden und ihren Lobbyisten war das ein Graus.
Der Appell hatte Erfolg - der sogenannte Breitband-Universaldienst flog kurz vor Verabschiedung aus dem Gesetzestext. Zwei Sätze aus dem Brandbrief von damals sind entlarvend. Sie betreffen die Frage, was in Deutschland als Breitband gelten soll und sagen einiges darüber, wie hierzulande im Hinblick auf die Versorgung damit geheuchelt wird. Sollte man, wie in der Novelle damals vorgesehen, allein "auf die verfügbare Bandbreite" abstellen, dann werde dies dazu führen, dass "rein definitorisch fast 50 Prozent der Bürger und weite Teile Deutschlands als unterversorgt gelten". Dies, so die Verbandsvertreter, "kann aus Sicht der Telekommunikationsbranche politisch nicht gewollt sein".
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Zum Mitschreiben: Die Definition von Breitband in Deutschland wird bewusst niedrig angesetzt, weil die traurige Realität "politisch nicht gewollt" sein kann.
Die Definition, die die Verbände gerne pflegen möchten, und auf die auch das Bundeswirtschaftsministerium abhebt: Ein Megabit pro Sekunde (Mbit/s) sei schon so etwas wie eine Breitbandverbindung. Legt man diese Zahl zugrunde, sind nach einem neuen Expertenbericht zum Breitbandatlas des Wirtschaftsministeriums inzwischen 39,4 Millionen oder 98,7 Prozent der Haushalte mit einer Breitbandverbindung ausgestattet. Diese Ziel habe man 2011 "mit leichter Verspätung" erreicht, heißt es jetzt aus dem Wirtschaftsministerium.
Ein Megabit pro Sekunde als Breitbandverbindung zu bezeichnen, dürfte in den Ohren derer, die tatsächlich mit einer solchen Anbindung leben müssen, wie Hohn klingen. Mit derartigen Download-Geschwindigkeiten etwa Internet-Videoseiten flüssig zu benutzen, ist kaum möglich. Wenn mehrere Menschen gleichzeitig über so einen Anschluss online gehen, geht schon das normale Surfen quälend langsam.
Ganze Regionen scheiden als Standort für viele Branchen aus
Dazu kommt, dass DSL-Verbindungen in der Regel keine symmetrischen Datenraten für Up- und Download bieten. Videotelefonie beispielsweise ist mit einer derartigen Verbindung für den Gesprächspartner oft nur als Diashow zu genießen. Und wer als Grafikdesigner, Fotograf, Architekt oder in einem anderen Beruf arbeitet, in dem regelmäßig größere Dateien über das Netz verschoben werden, wird an einer solchen Anbindung verzweifeln. Ganze Regionen in Deutschland scheiden derzeit für viele Branchen aufgrund mangelnder Infrastruktur als Standort aus. Das gilt gerade für Gebiete, in denen wirtschaftlich ohnehin wenig vorangeht.
Mancherorts hilft man sich inzwischen selbst: Der Hochsauerlandkreis und der Kreis Olpe etwa sind gerade dabei, sich ihren eigenen Internetzugang zu bauen. Die Kreise errichten eine eigene Infrastruktur und vermieten sie dann an Provider.
In der obigen Grafik mit Daten aus dem Breitbandatlas des Bundeswirtschaftsministeriums kann man die buchstäbliche Schönfärberei der Bundesregierung gut erkennen. Exemplarisch sind hier die Zahlen für Verbindungen größer oder gleich 2 Mbit/s dargestellt (die Zahlen stammen von Ende 2010). Die weist der Atlas für Gegenden aus, in denen "mehr als 50 Prozent der Haushalte" Zugriff auf solche Leitungen haben. Der nächste Datenpunkt ist "mehr als 95 Prozent der Haushalte". Was zwischen 50 und 95 Prozent genau passiert, bleibt unklar. Wie die Versorgung tatsächlich aussieht, lässt sich kaum ablesen - so bringt man die tatsächlich vorhandenen weißen Flecken zum Verschwinden. Kombiniert man die 50-Prozent und die 95-Prozent-Flächen, sieht Deutschland flächendeckend versorgt aus. Das aber ist Augenwischerei.
Außerdem verweist der Atlas auf den schnellen neuen Datenfunk LTE - doch der ist längst nicht überall verfügbar.
Weder Internetverbindung noch Handyempfang
Lässt man nur die grünen Bereiche für wirklich flächendeckende Versorgung (mehr als 95 Prozent 2-Mbit/s-Verfügbarkeit) und die orangefarbenen Flächen (für theoretische LTE-Verfügbarkeit) stehen, zeigt sich deutlich: Es gibt in Deutschland gewaltige Lücken, was den Netzzugang angeht. De facto gibt es Experten zufolge Tausende von Ortschaften, in denen es weder akzeptable Internetverbindungen noch Mobilfunkempfang gibt. Digitales Niemandsland.
Nun sagt selbst die Bundesregierung, dass der von ihr selbst stets als ausnehmend wichtig bezeichnete Breitbandausbau in Deutschland nicht schnell genug vorangeht. Wirtschaftsstaatssekretär Stefan Kapferer sagte am Mittwoch, bis 2014 rund 75 Prozent der Haushalte mit Hochgeschwindigkeitsnetzen (gemeint sind Netzverbindungen mit 50 Mbit/s und mehr) zu versorgen, sei zwar theoretisch noch möglich. Er gestand aber ein: "Wenn sie die Quote vom ersten Halbjahr 2011 hochrechnen, dann sehen wir, dass wir dann nicht 75 Prozent geschafft haben bis 2014." Die Regierung kündigt also jetzt schon mal an, man werde das eigene Ziel verfehlen. De facto wären viele Deutsche schon mit 5 statt 50 Mbit/s zufrieden, bekommen aber nicht einmal das. Die Regierung sorgt sich um die Versorgung mit Ferraris, während mancherorts schon Mofas Erleichterung bringen würden.
Noch ein "Breitbandgipfel" soll es richten
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wolle Anfang nächsten Jahres mit Vertretern der Telekommunikationsunternehmen und der Bundesländer bei einem "Breitbandgipfel" darüber sprechen, wie die Entwicklung noch zusätzliche Impulse bekommen könne, sagte der Staatssekretär. Geredet aber wird darüber schon seit Jahren.
Ritualisiert beschwört beispielsweise Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jährlich zur Cebit die Bedeutung von Breitbandzugängen für die deutsche Wirtschaft. Erst am Dienstag, beim "nationalen IT-Gipfel" beschwor Merkel wieder die wirtschaftsfördernde Kraft schneller Internetverbindungen. Die Provider aber lassen sich mit dem Ausbau Zeit, denn gerade ländliche Regionen mit schnellen Verbindungen zu versorgen rentiert sich für sie kaum. Die Regierung aber beschränkt sich aufs Mahnen.
Die Branche verweist in diesem Zusammenhang stets auf den tatsächlich sehr schnellen Datenfunk LTE, der die Versorgung im ländlichen Raum schon bald richten werde. Doch auch die LTE-Karten haben noch viele weiße Flecken, wie die obige Grafik zeigt. Und was passiert, wenn in einem ländlichen Gebiet das Funknetz wirklich intensiv genutzt wird, weiß noch niemand, denn Funk-Bandbreiten sind in der Summe begrenzt. Die Internetnutzung aber wird, Dank vernetzter TV-Geräte, Blu-ray-Player, dank Tablets und anderen Geräten, massiv zunehmen.
Wolle man das 75-Prozent-Ziel erreichen, müssten Hochgeschwindigkeitsnetze für weitere rund 13 bis 14 Millionen Haushalte bis 2014 verfügbar werden, sagte der Staatssekretär. Gleichzeitig sprach er sich dagegen aus, jetzt ein neues Ziel für die Breitbandentwicklung über 2014 hinaus zu formulieren. Auf jeden Fall aber müsse der Netzausbau "im Wesentlichen über Marktprozesse, über den Wettbewerb, laufen".
Alles wie gehabt also.