Brexit Petition für zweites Referendum mit Bots manipuliert
Die von Gegnern eines Ausscheidens Großbritanniens aus der EU in den letzten Tagen favorisierte Petition ist offenbar manipuliert worden. Schon am Samstag postete ein Teilnehmer im als Hort der Anarchie bekannten Internetforum "4chan" die Behauptung, er stimme "gerade wie verrückt bei dieser Petition ab". Er selbst sei ein syrischer Hacker und wolle damit demonstrieren "dass eure 'Demokratien' ein Witz sind".
Als Beleg führte der angebliche Manipulator an, er habe dafür gesorgt, dass ein Prozent seiner künstlich, mithilfe eines kleinen Computerprogramms generierten Votes mit der Absenderadresse "Vatikan City" erscheinen würden. In der Tat waren unter den abgegebenen Stimmen am Wochenende der Vatikan und Nordkorea erstaunlich häufig vertreten.
Die Petition wirbt für ein zweites Referendum, mit dem die Brexit-Entscheidung der vergangenen Woche rückgängig gemacht werden könnte, und sorgte in den vergangenen Tagen für viele Schlagzeilen. Gestartet hatte die Petition ursprünglich ein Befürworte des Austritts aus der EU: Der Aktivist William Oliver Healey hatte sie im Mai ins Leben gerufen, als die Umfragen noch eine Mehrheit für ein Verbleiben in der Union voraussagten.
Im Netz kursierte unterdessen ein kurzes Video, das das angebliche Manipulationsskript am Werk zeigen soll. Darin werden E-Mail-Adressen angegeben und unter Namen wie "Kim Il Sung" augenscheinlich auf der Petitionsseite Stimmen abgegeben.
Dass dies überhaupt möglich ist, liegt auch an einer Schwäche des Petitionssystems - gängige Sicherheitsmechanismen, die solche automatisierten Manipulationen verhindern oder wenigstens erschweren können, gibt es dort nicht. Zum Beispiel enthält die Seite keine sogenannten Captchas, also Bilder oder verzerrte Zeichenfolgen, die jeder Nutzer identifizieren muss, um zu beweisen, dass er kein Bot, kein Softwareroboter ist.
Tatsächlich scheinen zumindest Zehntausende der Millionen abgegebenen Stimmen Fälschungen gewesen zu sein. Das Petitionskomitee des britischen Unterhauses erklärte am Sonntag per Twitter, man nehme "Betrug im Petitionssystem sehr ernst".
Read a statement from our Chair on the second referendum petition. pic.twitter.com/TzrtQXTwTE
— Petitions Committee (@HoCpetitions) June 26, 2016
Einige Stunden später gab das Komitee bekannt, man habe 77.000 offenbar gefälschte Stimmen gelöscht.
We have removed about 77,000 signatures which were added fraudulently. We will continue to monitor for suspicious activity.
— Petitions Committee (@HoCpetitions) June 26, 2016
In der Petition wird konkret gefordert, dass es ein zweites Referendum geben solle, wenn das Ergebnis der ersten Abstimmung knapper als 60 zu 40 Prozent ausfallen und die Wahlbeteiligung unter 75 Prozent liegen sollte. Beides ist eingetreten - 16,1 Millionen Wähler hatten gegen den Brexit gestimmt, 17,4 dafür.
Am Montagnachmittag hatte die Petition der Parlamentswebsite zufolge über 3,7 Millionen Stimmen erreicht. Damit das Parlament eine Petition für eine Debatte in Erwägung zieht, müssen 100.000 Stimmen erreicht sein - eine Zahl, die wohl auch ohne die Manipulationen mit Leichtigkeit erreicht worden wäre.
Ihr Ziel haben die Manipulatoren aber in jedem Fall erreicht: Die Anti-Brexit-Petition ist nun mit einem Makel behaftet.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels war zu lesen, die Petition sei von Austritts-Gegnern ins Leben gerufen worden. Tatsächlich hatte die Petition im Mai ein Befürworter eines Brexit gestartet. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.