Bundesweite Umfrage Warum viele die Corona-Warn-App nutzen – und viele andere nicht

Ältere Version der Corona-Warn-App: Verfügbar ist sie seit Mitte Juni
Foto: Michael Kappeler / DPAViele Menschen nutzen die deutsche Corona-Warn-App nicht, weil sie an ihrem Nutzen zweifeln. Dies ist ein Ergebnis einer Ende November durchgeführten, bundesweiten und repräsentativen Umfrage im Auftrag des Staatsministeriums Baden-Württemberg. Bei der Telefonumfrage der Marktforschungsfirma Kantar gaben 36 Prozent der etwas mehr als 1000 Befragten an, die App installiert und aktiviert zu haben. 58 Prozent verneinten das. Sechs Prozent teilten mit, kein Smartphone zu besitzen.
Grundsätzlich haben jüngere Smartphonenutzer die App häufiger auf dem Gerät als ältere, bei Männern und Frauen ist die Akzeptanz auf ähnlichem Level. In den westdeutschen Ländern ist die App tendenziell weiter verbreitet als in den ostdeutschen.
33 Prozent der Nichtnutzer gaben an, dass die App aus ihrer Sicht nichts bringe. »Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir die Funktionalität erhöhen«, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu den Ergebnissen der Umfrage. Die App schöpfe ihr Potenzial bei Weitem nicht aus.
Darum nutzen Menschen die App nicht
Die Gründe, warum Menschen auf das Programm verzichten, sind der Umfrage zufolge vielfältig. Nichtnutzer äußerten sich folgendermaßen, wenn sie nach den für sie dafür ausschlaggebenden Gründen gefragt wurden (Mehrfachantworten waren möglich):
33 Prozent der Menschen zweifeln allgemein am Nutzen der App bei der Pandemie-Bekämpfung
17 Prozent wollen die App schlicht nicht nutzen
16 Prozent besitzen nach eigenen Angaben ein Smartphone, auf dem die App nicht installiert werden kann
15 Prozent sagen, die App funktioniere technisch nicht oder brauche zu viel Speicherplatz
13 Prozent nennen als Grund, sich noch nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigt zu haben
10 Prozent gaben an, auf die App zu verzichten, weil sie auch im eigenen Umfeld keiner nutze
4 Prozent sehen den Stromverbrauch der App als größeres Problem
7 Prozent der Nichtnutzer geben an, der App, der Bundesregierung oder dem Robert Koch-Institut nicht zu vertrauen
Und immerhin 19 Prozent nennen die Sorge um den Datenschutz und die Privatsphäre oder ein Überwachungsgefühl als ausschlaggebenden Grund
Der letzte Punkt ist bemerkenswert, da die Corona-Warn-App öffentlich zuletzt eher dafür in der Kritik stand, angeblich zu viel Wert auf den Datenschutz zu legen. Vor allem im Vergleich zu den Apps anderer Länder erfasst die deutsche App sehr wenige Daten, zudem werden sie nur auf dem Smartphone des Nutzers gespeichert, nicht etwa auf einem zentralen Server.
Verfügbar ist die Corona-Warn-App für Smartphones seit Mitte Juni. Neben Hygiene- und Abstandsregeln gilt die Software als ein wichtiger Faktor im Kampf gegen Infektionsketten. Nach Angaben von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) haben bis Anfang November 22 Millionen Menschen die App heruntergeladen.
Vereinfacht dargestellt kann die Anwendung auf Grundlage der Bluetooth-Technologie messen, ob sich die Handys von App-Nutzern über eine längere Zeit näher als etwa zwei Meter gekommen sind. Ist eine Nutzerin positiv auf das Coronavirus getestet worden und teilt diese Information über die App, warnt die Software andere Anwender, dass sie sich in der Nähe einer Infizierten aufgehalten haben. Der infizierte Nutzer muss zuvor aktiv zustimmen, dass seine Risikokontakte über die App informiert werden.
»Die App hilft uns in der Pandemie sehr«, sagte kürzlich Helge Braun, der Chef des Bundeskanzleramtes, der »Welt am Sonntag«. Die Gesundheitsämter würden durch die Software bisher unbekannte Infektionscluster entdecken. »Bisher haben über 100.000 Nutzer einen positiven Corona-Test in der App geteilt«, so Braun Anfang Dezember. »Bei 15 relevanten Kontakten je Nutzer wären das über anderthalb Millionen Menschen, die bis heute von der App gewarnt wurden.«
Darum haben Menschen die App installiert
Menschen, die die App nutzen, führen der Umfrage zufolge als ausschlaggebenden Grund vor allem den Gesundheitsschutz an (erneut waren Mehrfachantworten möglich):
72 Prozent haben demnach die eigene Gesundheit im Blick
Damit rangiert der Selbstschutz noch deutlich vor dem Schutz von Familie, Freunden und Bekannten, auf den 55 Prozent der befragten App-Nutzer verwiesen
33 Prozent der Befragten wollen mit der App-Nutzung die Gesundheitsämter entlasten und die Kontaktnachverfolgung erleichtern
Nicht unerheblich ist auch der soziale Druck als Motivationsfaktor: 30 Prozent der Nutzer geben an, die App zu nutzen, weil sie jeder nutzen sollte beziehungsweise weil viele im eigenen Umfeld das tun
21 Prozent nutzen die App, weil sie von der Bundesregierung, vom Robert Koch-Institut oder von Experten empfohlen wird
19 Prozent nennen als einen Faktor, dass die App sicher sei beziehungsweise gut die Daten oder die Privatsphäre schütze
15 Prozent hoffen auf baldige Zusatzfunktionen wie zum Beispiel Impfhinweise
14 Prozent nutzen die App aus Neugier, etwa um herauszufinden, ob sie von ihr Hinweise bekommen
Braucht die App mehr Funktionen?
Die baden-württembergische Landesregierung hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Corona-Warn-App initiiert. Aus Sicht von Regierungschef Kretschmann zeigt die Umfrage, wie wichtig es ist nachzusteuern – indem etwa die Funktionalität erhöht oder die App auch für ältere Mobiltelefone kompatibel gemacht wird (was bei iPhones gerade geschieht). Die App werde ganz entscheidend dafür sein, im Frühjahr und Sommer, wenn noch nicht genug Menschen geimpft seien, einen stabilen Zustand über einen langen Zeitraum zu halten, sagte der Grünenpolitiker.
15 Prozent hätten die App installiert, weil sie sich davon einen Zusatznutzen versprechen – dieses Segment werde bislang kaum bedient, heißt es aus dem Staatsministerium. Weitere Funktionen der App könnten für größeren Zulauf sorgen. Das neueste Update enthält etwa ein Kontakttagebuch. Darin können freiwillig Begegnungen und Orte notiert werden, als Gedächtnisstütze für das Nachverfolgen von Infektionsketten.
Die Landesregierung von Baden-Württemberg plädiert dafür, bei den App-Nutzerinnen bereits bei einem Corona-Test eine Einwilligung zur Weiterleitung einzuholen, damit das Ergebnis im Ernstfall automatisch direkt von der App weitergeleitet werden kann. Für Anpassungen bei der Weiterleitung von Ergebnissen werben auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Saarlands Regierungschef Tobias Hans (CDU).
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte Ende November gefordert, den Nutzen der App für den Bürger mit neuen Funktionen wie lokalen Informationen zum Infektionsgeschehen vor Ort zu erhöhen.